| # taz.de -- Kinotipp der Woche: Desertieren gescheitert | |
| > Die nächste Ausgabe der Knef-Reihe „Hilde Hundert“ zeigt einen Film über | |
| > Deserteure im Algerienkrieg, der sich selbst in koloniale Logiken | |
| > verstrickte. | |
| Bild: Hildegard Knef und Hannes Messemer in Wolfgang Staudtes „Madeleine und … | |
| 1957, im dritten Jahr des Algerienkriegs, in dem die Befreiungsbewegungen | |
| des Landes um die Unabhängigkeit von Frankreich kämpfen, versuchen drei | |
| Fremdenlegionäre – der Ire Pat, der deutsche Kurt und der Italiener Luigi – | |
| bei einem Fallschirmsprung zu desertieren. Der Plan scheitert und wieder am | |
| Boden wird ihr Vorgesetzter beauftragt, die drei auf dem Landweg nach | |
| Algier zu bringen. | |
| Auf dem Weg kommen die Männer am Wohnsitz einer französischen Familie | |
| vorbei, die bei einem Angriff der algerischen Aufständischen getötet | |
| wurden. Die junge französische Lehrerin Madeleine Durand hat als einzige | |
| überlebt. Ohne andere Optionen steigt die junge Frau zu den Männern in den | |
| Jeep und schließt sich ihrer Fahrt nach Algier an. Durand, verkörpert von | |
| Hildegard Knef, bildet einen weiblichen und zivilen Gegenpunkt zur | |
| militarisierten Männlichkeit der Fremdenlegionäre. | |
| Mitten auf dem Höhepunkt des Algerienkriegs griff Wolfgang Staudte, einer | |
| der politischsten Regisseure des Kinos des geteilten Deutschlands, in | |
| „Madeleine und der Legionär“ den Krieg auf. Überraschenderweise sollte | |
| ausgerechnet eine seltsam harmlose Räuberpistole um eine Gruppe Deserteure | |
| aus der Fremdenlegion als Starvehikel für einen der größten weiblichen | |
| Stars des westdeutschen Kinos herhalten. | |
| Werkbiografisch kommt Staudtes Film einige Bedeutung zu: Der Film markierte | |
| Hildegard Knefs Rückkehr in die Bundesrepublik. Schon seit Anfang des | |
| Jahres präsentiert der Kurator Jan Gympel im Rahmen der Reihe „Hilde | |
| Hundert“ jeweils am letzten Montag des Monats im Cosima Filmtheater in | |
| Friedenau einen Film mit der Schauspielerin Hildegard Knef, die am 28. | |
| Dezember diesen Jahres ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. | |
| Staudte verpflichtete für den Film ein Staraufgebot: neben Hildegard Knef | |
| spielen Bernhard Wicki, Helmut Schmid, Siegfried Lowitz und Friedrich | |
| Gnass. Der Film verwendet große Mühen darauf, der Handlung brennende | |
| Aktualität zu verleihen, webt Szenen in der Kasbah, der Altstadt Algiers, | |
| während der Entstehungszeit des Film Brennpunkt der Kämpfe, in den Film ein | |
| und greift Wochenschaumaterial auf. | |
| Leider ist der Film auch sehr großzügig im Versuch, weiße Schauspieler mit | |
| Schminke „arabisch“ erscheinen zu lassen. Erst im letzten Drittel versetzt | |
| er seine Hauptdarstellerin nach Europa und lässt sie als das sichtbar | |
| werden, was „die Knef“ auszeichnete: ein westeuropäischer Star der | |
| Nachkriegszeit zu sein. In „Madeleine und der Legionär“ allerdings ist eben | |
| diese Qualität als europäischer Star auch der größte Fallstrick – wird do… | |
| ausgerechnet die junge Lehrerin zum Inbegriff der Übernahme der Perspektive | |
| der Kolonialmacht Frankreich in dem Film. | |
| Im Rückblick scheint es nahezu unvermeidlich, dass selbst ein Regisseur wie | |
| Wolfgang Staudte an der brenzligen Aktualität des Algerienkriegs nur | |
| übernehmen konnte. Interessanterweise macht das den Film sogar eher noch | |
| interessanter für die rückblickende Forschung und wenn man sich für die | |
| Karriere von Hildegard Knef als europäischer Star oder die Geschichte der | |
| BRD interessiert, ist „Madeleine und der Legionär“ äußerst sehenswert. | |
| Die Reihe „Hilde Hundert“ läuft noch bis zum Ende des Jahres und zeugt von | |
| Knefs Wandlungsfähigkeit als Schauspielerin. Im September steht Rolf | |
| Thieles Verfilmung von Wedekinds „Lulu“ auf dem Programm, im Oktober folgt | |
| Franz Josef Wilds Fernsehspiel „Laura“ um den Mord an einer Frau. | |
| „Madeleine und der Legionär“ mag ein Ausreißer in der Werkbiografie von | |
| Hildegard Knef sein, aber gerade in seinen bisweilen ungefügten Teilen | |
| macht der Film Reibungslinien des westdeutschen Kinos sichtbar. | |
| 23 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Tietke | |
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