# taz.de -- Kinotipp der Woche: Schön verstrickt | |
> Schlaufen zu Filmschleifen: Beim „Craft Club“ darf im Kino gestrickt | |
> werden. Demnächst sogar zu „Die Hochzeit meines besten Freundes“ mit | |
> Julia Roberts. | |
Bild: Hier werden keine Maschen fallen gelassen | |
Es liegt an Corona, glaubt die Trendforschung, dass Stricken derzeit so | |
angesagt ist, vor allem bei jüngeren Menschen. Während der Pandemie waren | |
demnach viele auf der Suche nach einem Hobby oder wenigstens einer | |
sinnvollen Beschäftigung, um besser mit der ganzen Lockdown-Langeweile | |
klarzukommen. Warum also nicht mal wieder stricken? Seitdem kaufen viele | |
keine Wollpullis mehr in irgendwelchen Fast-Fashion-Stores, sondern | |
stricken sie mit bestenfalls nachhaltigen Materialien und individuellen | |
Mustern selbst zusammen. | |
Passionierte und geübte Stricker und Strickerinnen vermögen es, sich neben | |
der Arbeit mit den Nadeln noch auf etwas anderes zu konzentrieren, etwa auf | |
Filme, stricken und glotzen läuft dabei irgendwie parallel. Und so nimmt | |
sich das Berliner [1][Yorck Kino] in Kreuzberg in seinem „Craft Club“ dem | |
Trend an, dass immer mehr Menschen das Bedürfnis haben, auch im Kinosaal | |
stricken zu wollen. Bei den Vorstellungen dieser Reihe sitzt man nicht im | |
Dunkeln, wie sonst üblich im Kino, sondern das Licht ist gedimmt, sodass | |
sich jederzeit überprüfen lässt, ob die Maschen auch richtig sitzen. | |
Welche Art von Filmen setzt man dieser Strick-Community aber nun vor? | |
Horrorfilme verständlicherweise schon mal nicht. Wer will schon im Kino | |
einen Slasher-Film sehen, wenn um einen herum alle mit spitzen Nadeln | |
herumhantieren. Im „Craft Club“ werden nun alle sechs Wochen eher Filme der | |
Kategorie „Klassiker“ gezeigt, richtige Hollywood-Schnulzen, Rom Coms der | |
besseren Art. Die hat man eh schon zig Mal gesehen, womit sich der Handlung | |
auch dann noch folgen lässt, wenn es mal etwas komplizierter wird mit dem | |
Strickmuster. | |
Stricken wird auch von der Tradwife-Szene vereinnahmt, wo es als Rückkehr | |
typischer Frauenarbeit für glückliche Hausfrauen gefeiert wird. Stricken | |
kann also nicht nur Spaß machen oder beruhigen, sondern ist auch Teil eines | |
Kulturkampfes. Das Trad-Wife-Klientel wird vom „Craft Club“ aber eher nicht | |
abgeholt. Die Filme, die hier gezeigt werden, sind beispielsweise | |
„Frühstück bei Tiffany“ (1963) und „Charade“ (1961), beide mit Audrey | |
Hepburn in den Hauptrollen. | |
Als Holly Goligthly in „Frühstück bei Tiffany“ spielt sie den Prototypen | |
einer jungen Frau, die so maximal unabhängig ist, wie man das in den frühen | |
Sechzigern in New York nur sein konnte. Und in „Charade“ erlebt sie als | |
Regina Lampert direkt nach der Trennung von ihrem Mann verrückte Abenteuer | |
mit Cary Grant in Paris, was sie auch nicht gerade zum Vorbild für äußerst | |
konservative Frauen macht. | |
Diese Woche aber, am 17. August, läuft erst einmal „Die Hochzeit meines | |
besten Freundes“ (1997), ein echter Rom-Com-Klassiker, in dem Julia Roberts | |
in der Rolle der Restaurantkritikerin Julianne Potter wirklich kein Mittel | |
zu schäbig ist, die Hochzeit ihrer einstigen Jugendliebe zu sabotieren. | |
Diesen Film kann man sich wirklich immer wieder mal ansehen, es bleibt | |
erfrischend zu sehen, wie wenig Respekt Julianne vor dem heiligen Sakrament | |
der Ehe hat. | |
Die Musik ist auch toll, nur dann nicht, wenn Cameron Diaz in einer | |
Karaoke-Bar so unfassbar schlecht singt. Rupert Everett mimt den besten | |
schwulen Freund, den man sich als Frau nur vorstellen kann. Ob dieser | |
charmante Schnösel sich jedoch über selbstgestrickte Wollsocken freuen | |
würde, darf bezweifelt werden. | |
14 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.yorck.de/kinos/yorck?sort=Popularity&date=2025-08-12&ta… | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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