# taz.de -- Nach der Auflösung der PKK: Historische Mission in der Türkei | |
> Die PKK hat dem bewaffneten Kampf abgeschworen. Eine Kommission berät | |
> jetzt über die Wiedereingliederung der Kämpfer und die Rechte der | |
> Kurd*innen. | |
Bild: Die türkische Opposition hofft, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan ein… | |
Istanbul taz | In der türkischen Hauptstadt Ankara hat am Dienstag eine | |
Kommission des Parlaments ihre Arbeit aufgenommen, die viele schon jetzt | |
als historisch ansehen. Die Kommission soll Wege diskutieren, wie | |
Mitglieder [1][der PKK nach einer Entwaffnung der Organisation] in der | |
Türkei wieder eingegliedert werden können. Sie soll über eine Reform der | |
gesamten Antiterrorgesetzgebung der vergangenen Jahrzehnte beraten und | |
darüber hinaus über Maßnahmen zur Gleichberechtigung der kurdischen | |
Minderheit insgesamt sprechen. | |
Für die kurdische DEM-Partei ist allein der Umstand, dass diese | |
Parlamentskommission nun tatsächlich gebildet wurde, ein großer Erfolg. Im | |
Februar dieses Jahres hatte PKK-Gründer Abdullah Öcalan aus dem Gefängnis | |
heraus seine Organisation aufgefordert, [2][nach mehr als 40 Jahren | |
bewaffnetem Kampf die Waffen niederzulegen] und sich als | |
Guerillaorganisation aufzulösen. Seitdem wird in der Türkei darüber | |
diskutiert, welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, damit | |
der bewaffnete Kampf der kurdischen PKK tatsächlich beendet werden kann. | |
Was bietet der Staat der PKK für ihren Rückzug, ist eine der am häufigsten | |
gestellten Fragen. | |
Die seit Jahren im Parlament vertretene kurdische DEM-Partei, die in dem | |
Prozess Botschafter zwischen Öcalan und der PKK, aber auch Vermittler | |
zwischen der PKK und dem türkischen Staat gewesen war, hat schon sehr früh | |
dafür plädiert, dass der von ihr sogenannte Friedensprozess möglichst | |
öffentlich im Parlament anstatt in irgendwelchen Hinterzimmern diskutiert | |
werden soll. „Möglichst große Transparenz und Öffentlichkeit sind wichtig, | |
um die Bevölkerung nach 40 Jahren Krieg, der bei Kurden und Türken tiefe | |
Wunden hinterlassen hat, mitzunehmen“, sagte Saruhan Oluç, ein | |
DEM-Abgeordneter in der Kommission. | |
## Entscheidungen über wichtige Formalitäten | |
Als erstes wird in der Kommission nun besprochen, wie sie offiziell genannt | |
werden soll. Das ist nicht nur eine formale Frage, sondern wird sofort | |
Aufschluss darüber geben, wohin die Reise gehen soll. | |
Die regierende AKP und ihr ultranationalistischer Koalitionspartner MHP | |
sprechen im Gegensatz zur DEM-Partei bis jetzt nicht von einem | |
Friedensprozess, sondern von einer „terrorfreien“ Türkei. Sie wollen, dass | |
die Kommission über die „nationale Einheit“ sprechen soll. Die kurdische | |
DEM möchte über „Demokratie und Brüderlichkeit“ reden und die größte | |
Oppositionspartei CHP über „Demokratie und Gerechtigkeit“. | |
Die CHP hat sehr lange gezögert, ob sie überhaupt in der Kommission | |
mitmachen soll, während die Regierung sie und die gesamte säkulare | |
Opposition gleichzeitig mit einer beispiellosen Repressionskampagne | |
überzieht. Sie denkt gar nicht daran, [3][Ekrem İmamoğlu, den | |
CHP-Bürgermeister von Istanbul und Präsidentschaftskandidaten der CHP] aus | |
dem Gefängnis zu entlassen. | |
Letztendlich haben sich CHP-Chef Özgür Özel und seine Mannschaft jedoch | |
dazu bereit erklärt mitzumachen, wenn die AKP zusagt, dass die Kommission | |
nur mit einer qualifizierten Mehrheit ihre Vorschläge verabschiedet. | |
Deshalb muss jetzt zunächst entschieden werden, ob nur eine | |
Zweidrittelmehrheit eine qualifizierte Mehrheit ist oder ob auch eine | |
Dreifünftelmehrheit ausreicht. | |
## Opposition hofft auf parlamentarische Kontrolle | |
Die CHP will jedenfalls verhindern, dass die Rechten in der Koalition mit | |
ihrer Mehrheit durchstimmen können. Dabei wird entscheidend sein, ob die | |
kurdische DEM sich von den Regierungsparteien vereinnahmen lässt oder | |
weiterhin ein Teil der Opposition bleibt. | |
Immerhin sind die DEM und die CHP sich einig, dass es Fortschritte nur | |
geben kann, wenn Recep Tayyip Erdoğan bereit ist, seine bisherige | |
autokratische Politik wieder stärker demokratisch kontrollieren zu lassen. | |
Und wenn, wie statt bislang Kritiker ins Gefängnis zu stecken, wieder ein | |
politischer Dialog zugelassen wird. | |
Entscheidend für die Opposition ist, dass diese Fragen möglichst öffentlich | |
verhandelt werden. Entscheidungen trifft die Kommission nicht, sondern | |
diese müssen im Plenum des Parlaments gefällt werden, wenn die reguläre | |
Sitzungsperiode nach der Sommerpause im Oktober wieder beginnt. | |
Dann wird sich auch zeigen, ob wirklich das Parlament entscheidet oder am | |
Ende doch Erdoğan wieder allein bestimmt, wo es langgehen wird. | |
5 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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