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# taz.de -- Sylt und Anarchie: Herzlichen Punk!
> Die Punks versammeln sich mal wieder zum Protestcamp auf Sylt und sind
> dabei bestens organisiert. Wer das spießig findet, hat gar nichts
> verstanden.
Bild: Camp-Teilnehmer Eliott am 28. Juli: Sylt und Punks – das passt so gut z…
Es gibt Leute, die denken bei Punk an nicht angeleinte Hunde und „Haste ma’
’nen Euro?“. Das sind vermutlich dieselben, die glauben, dass Anarchie ein
anderes Wort für Chaos ist.
Die Aktion Sylt lädt derzeit wieder Punks und alle „Fans der ticketlosen
Leistungserschleichung und die Unglücklichen, die doch die Fahrkarte
gezahlt haben“, zu ihrem Protestcamp auf Sylt ein. Punks auf Sylt, das
hatte schon in den vergangenen Jahren Aufmerksamkeit erregt. Weil Sylt und
Punks – das passt so gut zusammen wie Ordnung und Anarchie, stimmt’s?
Leute, die glauben, dass Punk was mit nicht angeleinten Hunden und der
Aufforderung, einen Euro zu spendieren, zu tun hat und dass Anarchie ein
anderes Wort für Chaos ist, finden es sehr witzig, dass im Protestcamp der
Punks auf Sylt, das dieser Tage entsteht, [1][Leinenzwang für Hunde
herrscht]. Dieses Gebot kann man auf der sehr gut organisierten Website der
Aktion Sylt nachlesen. Lustig, die chaotischen Punks mit ihren grünen
Haaren und Hunderudeln sind spießig geworden! Leinenzwang, wie ulkig!
Awareness-Teams gibt es auch!
Sie merken es schon. Für die Ahnungslosigkeit, die aus diesem kindischen
Kichern spricht, kann dieser Text wenig Verständnis aufbringen. Aber der
Auftrag lautet nicht Leserbeschimpfung, sondern Aufklärung.
Gut, machen wir das also.
Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren Auschwitz, der
stalinistische Terror und die Atombombenabwürfe auf japanische Städte noch
nicht so lange her. Die Supermächte USA und UdSSR bedrohten sich
gegenseitig mit totaler Vernichtung. Die westlichen Demokratien waren
autoritär organisiert. Frauen, Kinder und die Arbeiterklasse hatten wenig
zu melden.
Punk formulierte gegenüber dieser kaputten Welt eine Ästhetik der Negation,
die Rechten wie Linken gleichermaßen suspekt war. Punk sagte Nein zur
allgegenwärtigen Gewalt der Gesellschaft, zur Sinnlosigkeit des modernen
Lebens, zu Zwang, Konformismus, Langeweile. Punk sagte Nein zu
Innerlichkeit, Formlosigkeit, Unentschiedenheit und leeren Versprechungen.
Dafür nutzte Punk die Mittel der Übertreibung und der Satire. Ja sagte Punk
zur Selbstorganisation, womit wir bei der Frage der Anarchie wären.
Anarchisten verstehen, dass menschliche Gesellschaften auf Kooperation
basieren. Sie fordern, dass die Ausübung von Macht möglichst unterbleiben
soll, weil niemand das Recht hat, über das Leben einer anderen Person zu
bestimmen. Chaos, Schlampigkeit, Egoismus und das Recht des Stärkeren sind
keine Synonyme für Anarchie.
Die einfachste Definition dieser politischen Philosophie lautet: Anarchie
ist Ordnung ohne Herrschaft. Das Erreichen anarchistischer Zustände sollte
der selbstverständliche Imperativ sein für jede Person, die sich der
Emanzipation des Menschengeschlechts unter Berücksichtigung der Rechte von
Tieren und Pflanzen verpflichtet fühlt, also hoffentlich auch für Sie.
Zurück nach Westerland. Was wollen die Punks denn nun auf Sylt? Sie kämpfen
für die Rechte der Ausgeschlossenen auf der Insel des obszönen Reichtums.
Finden Sie gut? [2][Die Aktion Sylt nimmt Ihre Spende sicher gern
entgegen].
2 Aug 2025
## LINKS
[1] https://aktion-sylt.de/de/camp/hunde
[2] https://aktion-sylt.de/de/mitmachen/spenden
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
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