| # taz.de -- Femizide in der Türkei: Wie Polizisten den Mord an einer Studentin… | |
| > In Istanbul wird eine 22-Jährige getötet, tatverdächtig ist der | |
| > Ex-Freund. Ermittlungen bleiben aber zunächst aus – denn der Mann war | |
| > einmal Polizist. | |
| Bild: Schon 235 Femizide gab es in diesem Jahr in der Türkei | |
| Istanbul taz | Der brutale Mord an einer 22-jährigen Studentin in Istanbul, | |
| sorgt für Aufruhr in den sozialen Medien und starken Druck auf das | |
| türkische Innenministerium. Der mutmaßliche Mörder ist ein ehemaliger | |
| Polizist – der offenbar von seinen einstigen Kollegen gedeckt wurde, die | |
| sich weigerten, Anzeigen und Hilferufen der Schwester des Opfers | |
| nachzugehen. Das Opfer, Ayşe Tokyaz, lebte gemeinsam mit ihrer | |
| Zwillingsschwester Esra in einem Studentenwohnheim. Beide Schwestern | |
| machten eine Ausbildung zu Krankenschwestern. | |
| „[1][Der Mordfall] zeigt exemplarisch, wie Hilferufe von Frauen von den | |
| zuständigen Behörden missachtet werden“, sagte die Frauenrechtlerin Sema | |
| Yurtbilir gegenüber der Presse. In dem Fall der jetzt ermordeten Ayşe | |
| Tokyaz gingen die Polizisten einer Wache im Istanbuler Bezirk Beşiktaş | |
| sogar noch weiter. Statt die Anzeige von Esra Tokyaz entgegen zu nehmen, | |
| informierten sie den späteren Mörder, dass die Schwester seiner Freundin | |
| Ayşe Tokyaz ihn beschuldigen würde, seine Freundin zu misshandeln. | |
| Zu diesem Zeitpunkt hielt der mutmaßliche Mörder, der 38-jährige | |
| Ex-Polizist Cemil Koç, Ayşe Tokyaz bereits seit Tagen gegen ihren Willen in | |
| seiner Wohnung fest, weil sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Nachdem | |
| die Schwester von Ayşe, Esra Tokyaz mehrfach zu der Wohnung ging und | |
| vergeblich versuchte, ihre Schwester zu befreien, wurde Ayşe schließlich | |
| ermordet, zerstückelt und in einem Koffer an einer Ausfallstraße aus der | |
| Stadt abgestellt. | |
| Die späteren Ermittlungen ergaben, dass Cemil Koç bei der Besorgung und dem | |
| Abtransport des Koffers von mehreren Männern unterstützt wurde, denen er | |
| angeblich Geld angeboten hatte, um den Mord zu vertuschen. Alles das hätte | |
| verhindert werden können, wenn die Polizisten der zuständigen Wache in | |
| Beşiktaş, an der bis vor einem Jahr auch Cemil Koç noch gearbeitet hat, die | |
| Anzeige von Esra Tokyaz ernst genommen hätten und eingeschritten wären. | |
| Stattdessen fand man vor einer Woche dann die Leiche. | |
| ## Tokyaz ist das 253. Femizid-Opfer in diesem Jahr | |
| Wie sich jetzt herausstellte, war der mutmaßliche Mörder Cemil Koç schon | |
| vor drei Jahren verdächtigt worden, seine damalige Freundin getötet zu | |
| haben, die aus dem sechsten Stock eines Hauses gestürzt worden war. Hätte | |
| man bereits damals gegen den Polizisten ordentlich ermittelt, wäre wohl der | |
| Mord an Ayşe Tokyaz verhindert worden. | |
| Erst der Aufschrei in der Öffentlichkeit veranlasste das Innenministerium | |
| nun, ernsthafte Ermittlungen durchzuführen. Mittlerweile sind neben dem | |
| mutmaßlichen Täter noch acht weitere Personen verhaftet worden, darunter | |
| auch ein noch aktiver Polizist. Frauenvereine veranstalteten am letzten | |
| Freitag eine große Demonstration, eine Abgeordnete der linken | |
| Arbeiterpartei TIP, Serra Kadıgil, brachte die Sache ins Parlament. Kadıgil | |
| sagte, es sei immer dasselbe. „Die Gesetze zum [2][Schutz von Frauen] | |
| werden einfach nicht angewandt. Das Innenministerium müsse die Haltung der | |
| Polizeiwache in Beşiktaş, die die Anzeige von Esra Tokyaz abgewimmelt | |
| hatte, untersuchen“. | |
| Laut der NGO „Wir werden [3][Femizide stoppen]“ ist Ayşe Tokyaz in diesem | |
| Jahr bereits das 235. Opfer eines Femizids in der Türkei. | |
| 20 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mord-an-Achtjaehriger-in-der-Tuerkei/!6036262 | |
| [2] /Feminismus-in-der-Tuerkei/!6086768 | |
| [3] /Gewalt-gegen-Frauen-in-der-Tuerkei/!5992241 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf Wittenfeld | |
| ## TAGS | |
| Türkei | |
| Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan | |
| Schwerpunkt Femizide | |
| Frauenmord | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Femizide | |
| Türkei | |
| Bergbau | |
| Literatur | |
| Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
| Schwerpunkt Femizide | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Femizide in den Niederlanden: Die Dolle Minas sind zurück | |
| In den Niederlanden bringt der Mord an einer 17-Jährigen das Thema Femizid | |
| in die Schlagzeilen. Auch eine feministische Ikone der 1970er tritt wieder | |
| auf. | |
| Repression in der Türkei: LGBTQI*-Aktivist in der Türkei verhaftet | |
| Der 23-jährige Aktivist Enes Hocaoğulları wurde am Flughafen in Ankara | |
| festgenommen. Er hatte zuvor polizeiliche Repressionen in der Türkei | |
| kritisiert. | |
| Neues Bergbaugesetz in der Türkei: Wo Landraub zum Gesetz wird | |
| Der türkische Präsident Erdogan hat ein neues Bergbaugesetz | |
| durchgepeitscht. Das soll Einnahmen generieren, wird aber die Umwelt | |
| zerstören. | |
| Schwester von Opfer über Femizid: Eine Sprache für Gefahr | |
| Cristina Rivera Garza setzt in dem Buch „Lilianas unvergänglicher Sommer“ | |
| ihrer Schwester ein Denkmal. Die wurde in Mexiko von ihrem Partner | |
| ermordet. | |
| Gewalt gegen Frauen: Von der Witch zur Bitch | |
| Die Hexenverfolgung ist in Europa vorbei, doch der Hass auf selbstbestimmte | |
| Flinta* ist geblieben. Sie kämpfen durch emanzipatorische Aneignung zurück. | |
| 20 Jahre nach Mord an Hatun Sürücü: Ein Femizid voller Widersprüche | |
| Am 7. Februar 2005 wurde Hatun Sürücü ermordet. Debatten über sogenannte | |
| „Ehrenmorde“ waren rassistisch geprägt– und trotzdem nicht unberechtigt. |