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# taz.de -- Antisemitismus-Experte über Rapper: „Macklemore richtet sich pau…
> Macklemore wird Antisemitismus vorgeworfen. Am Sonntag tritt er beim
> Deichbrand-Festival auf. Gerhard Wegner empfiehlt, rechtzeitig
> abzureisen.
Bild: Richtig schlimm wird es, wenn er zwischen den Songs Kommentare abgibt: Ma…
taz: Herr Wegner, freuen Sie sich schon auf [1][das Deichbrand-Festival]?
Gerhard Wegner: Also, im Prinzip ja! Ich finde, das Festival ist eine tolle
Sache für viele junge Leute. Es hat eine lange, faszinierende Geschichte.
Das finde ich großartig, und die, die sich da in der Organisation
engagieren, machen das echt gut.
taz: Waren Sie da schon mal als Gast da, als ganz normaler Besucher?
Wegner: Ja, ganz früher mal, in jungen Jahren. Mittlerweile bin ich 71. Ich
kann die Faszination von so etwas aber sehr gut verstehen.
taz: In diesem Jahr sind sie vor Ort als Teil einer „Beobachtungsgruppe“.
Es geht um den Headliner des Festivals, [2][den US-amerikanischen Rapper
Macklemore]. Warum braucht der Beobachtung?
Wegner: Er ist bekannt dafür, dass er sehr problematische Songs beiträgt,
die viele als antisemitisch hören werden. Songs, die gegen Israel gerichtet
sind, sehr einseitig und sehr heftig mit Gleichsetzungen von Israel und den
Nazis. Das wird er wahrscheinlich auch jetzt beim Deichbrand machen. Aber
das wissen wir noch nicht, wir wollen also sehen, was tatsächlich passiert.
Weiter ist Macklemore dafür bekannt, dass er zu den Liedern auch noch
Kommentare von sich gibt. Diese Kommentare sollen das Antisemitische noch
mal weiter zuspitzen. Und dann wird es richtig schlimm.
taz: Konkret Kritik ist erhoben worden wegen eines Stücks von Macklemore,
„Hind’s Hall“ aus dem vergangenen Jahr: eine Positionierung in den so
aktuell gewordenen Nahost-Debatten, eine Unterstützung der
[3][Protest-Camps] an den US-Hochschulen. Ist Israel da nicht in gewissem
Maße auch das Ersatzobjekt für die Empörung, Ersatz für eine vielleicht
kompliziertere Kritik an der eigenen, also der US-Politik und
beispielsweise Rüstungsexporten?
Wegner: Ja, das Feindbild insgesamt ist der Militärisch-Industrielle
Komplex in den USA, wenn sie so wollen: der Kapitalismus. Da gibt es eine
linke Kapitalismuskritik, die sich dann aber auch stark gegen Präsident
Biden gerichtet hat. Bei Macklemore ist das sehr deutlich in einigen Songs,
aber interessanterweise geht es nie ausdrücklich gegen Trump. Da gibt es
einige Andeutungen, aber richtig klar äußert er sich nicht. Das finde ich
schon seltsam und wenig glaubwürdig.
taz: Was von Macklemore auch überliefert ist, ist ein etwas mehr als zehn
Jahre zurückliegender, halb öffentlicher Auftritt, bei dem er sich schon
sehr eindeutig [4][mit Versatzstücken des antisemitischen Repertoires
maskiert] hatte: mit Hakennase und schwarzen Locken. Wenn er nun, auch im
Text des erwähnten Songs, den Unterschied zwischen Antizionismus und
Antisemitismus betont: Ist das noch glaubwürdig vor dem Hintergrund so
eines Vorfalls?
Wegner: Da laufen viele Dinge wild durcheinander. Man kann natürlich sagen:
Ich bin gegen Antisemitismus, ich bin gegen Judenhass – aber ich bin auch
dagegen, welche Politik Israel jetzt im Gazastreifen macht. Aber in seinen
Texten wird diese Differenzierung eben nicht klar gemacht. Kein Satz zum
Lebensrecht Israels. Macklemore richtet sich pauschal gegen Israel – und
das geht dann faktisch eben auch gegen Juden allgemein. Dass auch die Hamas
einen fürchterlichen Anteil hat an [5][der Situation im Nahen Osten] …
taz: … und das ist sehr vorsichtig formuliert …
Wegner: … das kommt bei ihm überhaupt nicht vor. Ihm fehlt jede Form von
Differenzierung, und das macht alles noch schwieriger.
taz: Grundsätzlich betrachtet und nicht als mitunter auch relativ
durchsichtige Ausrede: Ist es aus Ihrer Sicht möglich, einen Antizionismus
zu betreiben oder ihm anzuhängen, der nicht auch antisemitisch ist?
Wegner: Ich kann mir das nicht vorstellen. Das sind solche Feinheiten in
der Differenzierung, das mag bei einigen Intellektuellen funktionieren.
Aber nicht in der öffentlichen Wahrnehmung,
taz: Was uns hier zusammenführt, ist ja auch eher kein Ort fürs
Differenzierte, Feine: eine Festivalbühne, zehntausende in Wallung
gebrachte Menschen, alkoholisiert und wer weiß was noch alles: Da regiert
eher die Vergröberung, das Schwarz-Weiß, oder?
Wegner: Ja genau und das ist das Gefährliche. Und das prägt sich bei den
Menschen ein.
taz: Die man vielleicht sogar gelassener betrachten könnte, wenn die
Gesamtsituation eine andere wäre. Wie beurteilt denn der Landesbeauftragte
die Lage jüdischer Menschen in Niedersachsen im Jahr 2025?
Wegner: Na ja, das sind ja bekannte Zahlen. Wir haben einen Anstieg der
Zahl antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen von 2023 auf 2024 um
ungefähr 80 Prozent gehabt, das ist enorm, mehr als im Bundesdurchschnitt.
Wir haben bei jüdischen Freunden, in den jüdischen Gemeinden mittlerweile
geradezu traumatische Verhältnisse, was das Auftreten in der Öffentlichkeit
angeht, das Tragen eines Davidsterns, der Kippa oder ähnliches. In dieser
Situation heizt so ein Event, wie es nun in Cuxhaven ansteht, die Stimmung
möglicherweise noch weiter an. Sodass Leute vom Festival nach Hause fahren
und dann eine größere Bereitschaft haben, als vorher, sich antisemitisch zu
betätigen. Das ist die Angst, die damit einhergeht, die auch ich verspüre.
Dagegen müssen wir etwas machen. Dagegen hätte auch das Festival schon
etwas machen müssen.
taz: Hat es aber nicht?
Wegner: Man kann verstehen, dass sie das vielleicht nicht mehr konnten,
Macklemore war nun einmal eingeladen …
taz: … und das nicht unter ferner liefen im Programm, sondern als Höhepunkt
…
Wegner: Jetzt müssen sie zusehen, dass nicht noch alles viel schlimmer
wird. Die Veranstalter haben durchaus vieles von dem gemacht, was wir mit
ihnen abgesprochen hatten. Zuletzt gab es noch eine Schulung in Sachen
Antisemitismus durch die Frankfurter [6][Bildungsstätte Anne Frank]. Auch
deren Leiter [7][Meron Mendel] hat sich ja geäußert …
taz: … dahingehend, dass Macklemore eindeutig Antisemitisches vertrete, so
ein Auftritt aber ausgehalten werden müsse in einer freien Gesellschaft.
Wegner: Sie haben sich gute Beratung geholt, das denke ich schon. Sie
werden auch Macklemore vor seinem Auftritt entsprechend briefen, so ist es
abgesprochen. Aber die Kritik bleibt. Das schadet Deichbrand leider – aber
da müssen sie nun durch.
taz: Ist es Ihres Wissens schon vorgekommen, dass bei einem solchen oder
einem vergleichbaren Event erkennbar jüdische Menschen vielleicht
rückgemeldet haben: Da ist richtig Aggression von einer Bühne ins Publikum
getragen worden, und von dem habe ich sie dann zu spüren bekommen? Oder ist
das eher eine Sorge und ein natürlich möglichst weiträumig zu Vermeidendes?
Wegner: Ich kenne entsprechende Aussagen von Freunden, nicht jüdischen
Freunden, im Kölner Raum. Da ist Macklemore auch mal aufgetreten, zwei,
drei Jahre muss das her sein. Und da sollen seine Statements richtiggehend
hetzend auf die anwesenden Fans gewirkt haben. Und diese Statements seien
noch viel schärfer gewesen, als das, was in den Songs zum Ausdruck kommt.
Das war auch mit ein Anlass, warum wir uns kritisch zu seinem Auftritt nun
beim Deichbrand geäußert haben. Wären es nur die Lieder, wäre das noch
nicht ganz so gefährlich. Aber die Leute dann auch anzusprechen auf diese
Situation, anzusprechen gegen Israel, das ist ein gefährliches Spiel mit
dem Feuer.
taz: Was raten Sie den Besuchern?
Wegner: Fahren Sie zum Festival! Das wird sicherlich großartig! Und dann
reisen Sie am Sonntag gegen 22 Uhr, vor dem Auftritt von Macklemore, wieder
ab!
17 Jul 2025
## LINKS
[1] /Deichbrand/!830903
[2] /!s=macklemore/
[3] /Gaza/!t5011982
[4] https://www.npr.org/sections/codeswitch/2014/05/19/313973588/macklemore-pla…
[5] /Schwerpunkt-Nahost-Konflikt/!t5007999
[6] https://www.bs-anne-frank.de/
[7] /Meron-Mendel-ueber-Anerkennung-Palaestinas/!6010329
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Gaza-Krieg
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