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# taz.de -- Dänische Gewässer: Hallo Schattenflotte, hier Segelroboter
> In der Ostsee experimentieren dänische Militärs mit Segeldrohnen. Sie
> sollen bei der Überwachung von mutmaßlicher russischer Sabotage helfen.
Bild: Kein Mann an Bord: Eine autonome Messdrohne von Saildrone auf dem Weg zur…
Neulich in der Ostsee. Ein Segler aus Bayern ist mit seiner Jacht im
Kattegat zwischen Dänemark und Schweden unterwegs, die Sicht ist schlecht,
da meldet sein Automatisches Identifikationssystem (AIS) südwestlich der
dänischen Insel Læsø plötzlich in 2.500 Meter Entfernung einen 228 Meter
langen Tanker. Der „war natürlich schon da, nur schlecht zu sehen und hat
sein AIS aufgrund unserer Annäherung eingeschaltet“, schreibt der
überraschte Freizeitskipper Mitte Juni in einem Segelforum. „Nachdem wir
passiert hatten, war auch prompt wieder das AIS Signal weg. Warum spielt
der Tanker Geisterschiff? Schattenflotte?“
Der Skipper meldete den Vorfall mit dem Tanker „Northernlight“, der in
Schiffsregistern sowohl unter der Flagge der Marshallinseln wie der Maltas
zu finden ist, dem Nato Shipping Center im britischen Northwood. Das hatte
Ende Januar – nach mehrfachen Beschädigungen wichtiger Seekabel und
Pipelines durch mutmaßliche Schiffe der sogenannten russischen
Schattenflotte – [1][dazu aufgerufen, verdächtiges Verhalten in der
gesamten Ostsee sowie im direkt angrenzenden Skagerrak zu melden].
Insbesondere wenn Schiffe ihren Anker über Grund schleiften, gar keinen
Anker mehr hätten, sich merkwürdig in der Nähe von Unterwasserinfrastruktur
verhielten oder in deren Nähe mit Tauchern in Verbindung stünden.
Die russische Schattenflotte [2][wird auf mehrere Hundert Schiffe
geschätzt]. Sie dient der Umgehung westlicher Sanktionen, die nach
Russlands Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 gegen Moskau
verhängt wurden. Nach Ansicht westlicher Militärs schreckt Russland nicht
davor zurück, die Flotte auch gegen die kritische Infrastruktur von
Nato-Staaten einzusetzen. Zudem vergrößern die zweifelhaften Schiffe das
Risiko von Unfällen, da sie etwa die in den schwierigen dänischen Gewässern
empfohlenen Lotsen ablehnen und ihre Versicherungsverhältnisse unklar sind.
Die Nutzung funkgestützter AIS-Transponder, die auf See Schiffsdaten wie
Position, Kurs, Geschwindigkeit und Herkunft auf die Navigationsbildschirme
übermitteln und so Kollisionen verhindern sollen, ist seit Ende 2004 bei
größeren Berufsschiffen vorgeschrieben. Ausnahme sind Kriegsschiffe. Wer
sein AIS ausschaltet, macht sich verdächtig, ungesehen bleiben zu wollen.
So wie etwa Fischtrawler, wenn sie illegal in fremden Hoheitsgewässer
unterwegs sind.
## Überforderte Nato
Dass die Nato inzwischen die Berufsschiffer und Fahrtensegler bei der
Überwachung der Ostsee um Hilfe bittet, [3][zeigt, dass das westliche
Militärbündnis überfordert ist]. „Die Herausforderung besteht darin, dass
man im Grunde ständig auf dem Wasser sein muss und das ist ungeheuer
teuer“, sagte der Strategieexperte Peter Viggo Jakobsen von der dänischen
Verteidigungsakademie der Nachrichtenagentur AP. „Es ist einfach zu teuer
für uns, jedes einzelne russische Schiff, sei es ein Kriegsschiff oder ein
ziviles Frachtschiff, mit einem Kriegsschiff zu verfolgen.“
Deshalb experimentiert die dänische Marine seit Mitte Juni auch mit vier
Gefährten, die uralte und modernste Technik kombinieren. Die sich mit
Windkraft übers Wasser bewegen können und mit Überwachungs- und
Navigationselektronik, Sensoren und Kameras ausgestattet sind:
Segeldrohnen. Die unbemannten und unbewaffneten Kieljachten der
US-amerikanischen Firma Saildrone haben mit Carbon versteifte Rümpfe aus
glasfaserverstärktem Kunststoff. Sie sind zehn Meter lang, beobachten in
einem Radius von 30 bis 50 Kilometern das Meer über und unter Wasser und
segeln und kreuzen monatelang autonom. In ihrem festen Flügelsegel ist die
dänische Flagge abgebildet und auf dem Rumpf in marinegrauer Tarnfarbe ist,
wie bei Marineschiffen üblich, eine weiße Nummer.
Das Beschaffungsamt (Dalo) des dänischen Verteidigungsministeriums hat die
Drohnen zunächst für eine dreimonatige Testphase geleast. Experten von
Saildrone überwachen sie rund um die Uhr und werten die Daten aus.
Gegründet wurde Saildrone 2012 in der Nähe von San Francisco. Ein
britischer Ingenieur, der mit einem Segelauto einen Weltrekord aufgestellt
hatte, begann zunächst mit leuchtfarbenen Segeldrohnen für die Meeres- und
Klimaforschung. 2019 segelte eine Drohne um die Antarktis und über den
Atlantik, [4][2021 mit einem kleineren Flügelsegel in das Zentrum eines
Hurrikans]. Die Firma wirbt damit, dass ihre Drohnen schon mehr als eine
Millionen Seemeilen gesegelt seien.
Längst arbeitet Saildrone auch für das US-amerikanische Militär, hat
Hunderte Millionen Dollar an Risikokapital akquiriert und einen früheren
Vizeadmiral der US Navy in seinen Vorstand geholt. Die US-Regierung hat im
Februar verkündet, die Zahl der im Süden des Landes eingesetzten
Segeldrohnen von zehn auf zwanzig verdoppeln zu wollen, etwa, um mit mehr
Überwachung in der Karibik gegen Drogenhandel und illegale Migration
vorzugehen. Mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex gibt es laut
Saildrone hingegen bisher keine Kooperation.
In Kopenhagen machte Saildrone erst im April eine Zweigstelle auf und
verspricht sich gute Geschäfte. Denn Dänemarks archipelartige Geografie ist
strategisch wichtig: Die dänischen Gewässer verbinden die Ost- mit der
Nordsee, wo das Land eine weitere Küste hat. Im Hafen von Køge am Öresund,
40 Kilometer südlich von Kopenhagen, begann Mitte Juni der Test der vier
Segeldrohnen. Sie nahmen zunächst an der sogenannten Nato Task Force X
Baltic Initiative teil, die bis nach Finnland reichte. Die unbewaffneten
Segelroboter versorgten dabei [5][auch bewaffnete unbemannte Wasserdrohnen
mit Daten, erklärte Saildrone anschließend]. Täglich hätten die
Segeldrohnen Hunderte Schiffe getrackt.
Zu den Einsatzgebieten in Dänemark wollte sich eine Sprecherin des
Beschaffungsamtes Dalo gegenüber der taz nicht äußern. Auch zu den Kosten
machte sie keine Angaben. „Der erste Eindruck ist gut“, sagte sie nur. Die
Segeldrohnen operieren trotz Tarnfarbe nicht versteckt, sondern ganz offen,
inklusive eingeschaltetem AIS. Denn sie sollen abschrecken und zeigen, dass
sie beobachten.
Das mögen nicht alle: Im August 2022 kaperten iranische Revolutionsgarden
eine US-amerikanische Segeldrohne im Persischen Golf mit der Begründung,
sie würde die Schifffahrt gefährden. Nach vier Stunden drohender Eskalation
mit den USA gaben die Iraner das Roboterschiff wieder frei. Laut US-Militär
fehlte ein Teil der Elektronik.
Auf die Frage, [6][ob auch die deutsche Marine Segeldrohnen einsetzen
wolle], erklärte ein Marinesprecher der taz, man arbeite „intensiv an der
Beschaffung unbemannter Systeme“. Dabei würden „marktverfügbare Lösungen…
erprobt. Konkreter wollte er sich nicht äußern und auch nichts zum
dänischen Test sagen.
## Gefahr für Hobbysegler?
Wassersportmedien wie segelreporter.com oder yacht.de nehmen das Argument
der Iraner, dass autonome Segeldrohnen die Schifffahrt gefährden können,
übrigens ernst. Denn nach Regel 5 der internationalen
Kollisionsverhütungsregeln (KVR) [7][muss ein Schiff jederzeit einen
Ausguck besetzen]. Autopiloten oder Fernsteuerungen sind zwar zulässig,
aber allein nicht ausreichend. Eine Kollision mit der 1,5 Tonnen schweren
Segeldrohne dürfte einem Fracht- oder Kriegsschiff nichts ausmachen, eine
Fahrtenjacht aber könnte leckschlagen und sinken.
Auf taz-Nachfrage räumt Saildrone-Sprecherin Jenn Virskus zwar ein, dass
die internationale Rechtsprechung noch der „autonomen maritimen Technologie
hinterherhinkt“. Die Satellitenverbindungen sowie die professionelle
Überwachung durch erfahrene Saildrone-Seeleute garantierten jedoch
Sicherheit. Die Sprecherin des dänischen Beschaffungsamts Dalo verwies
darauf, dass die Drohnen schon in anderen Teilen der Welt segelten und von
der dänischen Seefahrtsbehörde genehmigt worden seien.
In Dänemark gibt es hingegen laut dem Guardian Kritik, dass mit Saildrone
die USA womöglich Zugang zu sensiblen dänischen Daten bekäme. Das sei
angesichts der von Trump erhobenen Ansprüche auf das dänische Grönland
riskant. Die Dalo-Sprecherin wollte der taz dazu nichts sagen,
Saildrone-Sprecherin Viskus verwies auf das Bekenntnis ihrer Firma zur
Datensicherheit. Auch könnten die Dänen den Provider der Datenübertragung
selbst wählen.
Der bayerische Segler bekam auf seine Meldung des verdächtigen Tankers
sogar eine Antwort: „Jetzt hat sich die Nato brav bei mir bedankt“, schrieb
er samt Emoji im Segelforum.
20 Jul 2025
## LINKS
[1] https://shipping.nato.int/nsc/operations/news/2023/baltic-sea-waters-of-ska…
[2] /Friedensforscherin-ueber-EU-Sanktionen/!6094164
[3] /Russische-Luftangriffe-treffen-die-Ukraine-ueberall-auch-im-Westen/!6097364
[4] https://www.marinelink.com/news/world-first-saildrone-captures-video-491003
[5] https://www.saildrone.com/news/unmanned-unmatched-saildrone-boosts-allied-a…
[6] /Sicherheitsexpertin-ueber-Drohnen/!6064486
[7] https://www.elwis.de/DE/Schifffahrtsrecht/Seeschifffahrtsrecht/KVR/Teil-B/A…
## AUTOREN
Sven Hansen
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