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# taz.de -- „FR“ ohne eigene Sportredaktion: Eine von vieren
> Die Sportredaktion der „Frankfurter Rundschau“ arbeitet jetzt in einem
> Verbund mit Lokalzeitungen der Ippen-Gruppe. Und folgt damit einem Trend.
Bild: Ein Haufen Wissen: Bücherflohmarkt der taz-Sportredaktion, 2018
Jan Christian Müller hatte immer gern im Café unter dem Redaktionsgebäude
am Südbahnhof gesessen. Nun ging er dort noch ein letztes Mal hin. Einen
Cappuccino bestellte sich der 61-Jährige und dachte nach über seine fast 30
Jahre als Sportredakteur der [1][Frankfurter Rundschau] (FR).
Zuvor hatte er ein letztes Foto von sich vor dem Türschild der
Sportredaktion machen lassen, hatte sich verabschiedet bei den wenigen,
die aus den anderen Ressorts am 28. Mai, dem Tag vor Christi Himmelfahrt,
zugegen waren. Seine Zugangskarte gab Müller bei der Sekretärin ab.
Mit einer solchen hatte er an seinem ersten Arbeitstag als FR-Redakteur,
dem 1. Oktober 1995, stolz die Tür zum damaligen Rundschau-Haus geöffnet.
Und jetzt, nachdem er sein halbes Leben lang für die Zeitung gearbeitet
hatte, dieses schmucklose Aus. Müller sagt: „Wenn es das Wort würdelos noch
nicht gäbe, hätte man es für diese Form des Abschieds erfinden müssen.“
Seit dem 1. Juni wird der Sportteil der FR in einem Verbund mit der
Offenbach-Post (OP), dem Hanauer Anzeiger (HA) und der Frankfurter Neuen
Presse (FNP) produziert. Als „Sport-Unit Hessen“ bezeichnen sich die
insgesamt 19 Redakteurinnen und Redakteure intern. Bei der Zusammenlegung
ging keine Stelle verloren – zumindest vorerst.
## Alle unter Ippens Dach
Sie alle sitzen nun in Offenbach, wo seit Januar auch der Sport für die
Wochenzeitung Freitags-Anzeiger für Mörfelden-Walldorf und Kelsterbach
produziert wird. Nach eigenen Angaben kommt dieser Verbund der vier
Tageszeitungen und des Wochenblatts monatlich auf über 68 Millionen Visits
auf den Websites. Und auf eine verbreitete Auflage von 115.000 Exemplaren.
Darin sind auch die E-Paper enthalten. Ende 2010 hatte allein die FR eine
höhere verkaufte Auflage von fast 130.000.
Verbunden sind die einzelnen Titel nicht erst seit der Sport-Unit Hessen.
Sie alle gehörten schon zuvor zur Ippen-Gruppe. Diese beschäftigt nach
eigenen Angaben für ihre Verbreitungsgebiete in mehr als 100 Landkreisen
von Schleswig-Holstein bis Bayern mehr als 2.000 Journalistinnen und
Journalisten.
Zu Ippen.Media zählt beispielsweise auch die Gemeinschaftsredaktion von
Münchner Merkur und tz. Von dieser übernehmen viele Ippen-Blätter seit
Jahren unter anderem die Texte zum FC Bayern. Seit 2018 macht das auch die
FR.
Der Tausch geht jedoch in beide Richtungen: Der ehemalige
Eintracht-Reporter der Rundschau, Ingo Durstewitz, soll für die Sport-Unit
und teils auch für andere Ippen-Blätter weiterhin über den Frankfurter
Bundesligisten berichten. Bei Müller gilt selbiges unter anderem für die
deutsche Nationalmannschaft.
## Kooperationstrend mit Besonderheit
Wenn die Inhalte austauschbar sind, werden es dann die Zeitungen auch?
Diese Gefahr besteht. Die überregionale FR, über Jahrzehnte eine
Institution auf dem Zeitungsmarkt, wäre dann fast 80 Jahre nach ihrer
Gründung mit ihrem Sportteil nur eine von vielen – oder in diesem Fall von
vieren. Zumindest in der Sportberichterstattung.
Mit der Sport-Unit Hessen folgt Ippen einem allgemeinen Kooperationstrend –
aber mit einer Besonderheit: Die Sportredaktion einer überregionalen
Zeitung wurde abgetrennt und eingebunden in einen Verbund mit drei
Lokalblättern. Von denen nun auch noch eines der federführende Arbeitgeber
ist, da die bisherigen vier FR-Sportredakteure jetzt angestellt sind beim
Pressehaus Bintz-Verlag, der die OP herausgibt. Geblieben ist den
Mitarbeitenden nur ihre E-Mail-Adresse der FR.
Derartige Kooperationen sind immer häufiger zu beobachten. Madsacks
Redaktionsnetzwerk Deutschland ist solch ein Verbund, die
Funke-Mediengruppe ein anderer. Ein weiteres Beispiel ist die
Gemeinschaftsredaktion der Neuen Osnabrücker Zeitung mit dem
Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Zusammen expandieren sie weiter:
Jüngst kamen die OM-Medien (Münsterländische Tageszeitung und Oldenburger
Volkszeitung) sowie die Zeitungsgruppe Ostfriesland und die Mittelbadische
Presse als Partnerverlage hinzu.
Darüber hinaus gibt es die sogenannte G14, in der Sportredaktionen von
Regionalzeitungen in zweistelliger Zahl seit Jahren zusammenarbeiten, von
der Augsburger Allgemeinen über den Mannheimer Morgen bis zum Südkurier.
Für dieses Bündnis berichten beispielsweise von einer Fußball-WM wenige
Reporter für alle eingebundenen Blätter. Das ist deutlich günstiger, als
wenn jede Zeitung jemanden entsenden müsste.
## Besser als Wüsten
In all diesen Kooperationen werden die einzelnen Titel zumindest teilweise
mit den gleichen überregionalen Inhalten befüllt, ob in Politik, Wirtschaft
oder Sport. Das ist besser als sogenannte Nachrichtenwüsten, in denen keine
Lokalzeitung erscheint.
Davor warnen der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV)
und die Regionalverbände seit Jahren. [2][Laut der Wüstenradar-Studie der
Hamburg Media School von 2024] nimmt die Zahl der Zeitungstitel zwar
[3][immer mehr ab], weiße Flecken ohne eine einzige Tageszeitung in einem
Landkreis gibt es demnach in Deutschland aber noch nicht, anders als in den
USA.
Nachrichtenwüsten seien sehr problematisch, „weil die Lokalmedien eine
immense Bedeutung für den demokratischen Diskurs haben“, erklärt Andrea
Kloß, die als Professorin für Journalismus und Medienmanagement an der
Hochschule Macromedia in Leipzig lehrt. Ohne Lokalzeitungen nehmen Gefahren
wie Desinformation über soziale Medien zu. Kloß sagt, für die Zeitungen
könne gerade „der Lokalsport als Scharnier wirken“ und zur Leserbindung
beitragen.
Doch auch wenn Kooperationen gegen Nachrichtenwüsten helfen können:
Insgesamt leidet die Vielfalt durch die Zusammenarbeit der Verlage immer
mehr, was ebenfalls mit Nachteilen für die Meinungsbildung verbunden ist.
Unterschiede der einzelnen Titel lassen sich meist im Lokalen erkennen.
Aber auch dort gibt es Kooperationen. Wie bei den Bielefelder
Tageszeitungen Neue Westfälische und Westfalen-Blatt. Seit einigen Jahren
machen die einstigen Rivalen im Lokalsport gemeinsame Sache. Die Printkrise
mit immer weiter sinkenden Auflagen sorgt für kuriose Allianzen.
## Ist es das wirklich wert?
In der Wissenschaft bezeichnet der Begriff „Zombie-Zeitung“ Blätter, die
nach außen scheinbar eigenständig wirken, aber komplett mit Fremdinhalten
bestückt werden. Leif Kramp ist Forschungskoordinator des Zentrums für
Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen.
Er sagt, ökonomisch sei ein solch pragmatisches Vorgehen zwar
kostensparend. Dennoch müssten sich die Verlage fragen, „ob es den Verlust
an Vielfalt und Eigenständigkeit wirklich wert“ sei.
„Wenn Zeitungstiteln ihre Unterscheidbarkeit genommen wird, kann das
publizistische Ansehen durchaus Schaden nehmen und die Nutzerbindung
leiden.“ Der Präzedenzfall sei [4][die Westfälische Rundschau gewesen, bei
der die Redaktion 2013 komplett aufgelöst wurde]. Seither existiert sie nur
noch als Markenname, die Inhalte werden aber von anderen Medien übernommen,
vor allem von der Funke-Mediengruppe.
In solchen Fällen werde der Leserschaft „vorgegaukelt, dass eine Zeitung
erhalten bleibt, obwohl ihr redaktioneller Kern fehlt“, sagt Kramp. Er
findet: „Dass bei regionalen Medienhäusern Parallelstrukturen im
Überregionalen abgebaut werden, beispielsweise bei
Parlamentskorrespondenten in Berlin, ist wirtschaftlich durchaus
nachvollziehbar. Besorgniserregend wird es aber, wenn bei der Regional- und
Lokalberichterstattung gespart wird.“
Dazu soll es im Fall der Sport-Unit Hessen mit FR, OP, HA und FNP nicht
kommen. Jörg Moll, der Leiter der neuen Gemeinschafts-Sportredaktion und
Mitglied der Chefredaktion der OP, versichert, dass auch künftig nicht die
identischen Inhalte in den vier Zeitungen erscheinen sollen. Das werde
schon durch die Dreiteilung in den überregionalen, regionalen und lokalen
Sport vermieden.
## „Titelbezogene Besonderheiten“
„Im überregionalen Sport ist es sinnvoll, dass man Synergien intensiver
nutzt“, sagt der 55-Jährige. Aber auch da werde es weiterhin Unterschiede
geben. Zudem soll der Transfer von Inhalten nicht nur vom Arbeit- und
Geldgeber OP in Richtung FR verlaufen. Moll sagt: „Wenn ein Gedanke oder
ein Thema in der FR tiefer ausgearbeitet wird, ist das auch für unsere
anderen Titel nicht uninteressant. Aber es dürfen auch titelbezogene
Besonderheiten bestehen bleiben.“
Ein gewisses Maß an Vielfalt soll auch dadurch gewahrt werden, dass die
bisherigen Sport-Ressortchefs von FR, Jörg Hanau, und FNP, Kerstin
Schellhaas, zu Molls Stellvertretungen wurden. „So decken wir auch die
Expertise von den einzelnen Titeln in der Ressortleitung ab“, sagt Moll.
Er räumt aber ein: „Es sind natürlich Welten, die da aufeinanderprallen,
allein schon von der Ausrichtung her. Die FR ist eher ein überregionales
Medium, die anderen sind klassische Lokalzeitungen.“ Zugleich ermögliche
der Verbund neue Impulse für alle. Für die Leser ist zwar zu erkennen, dass
die einzelnen Zeitungen Texte teilen, falls sie die Medien direkt
miteinander vergleichen. Von welcher Zeitung die Texte stammen, ist dabei
allerdings nicht leicht ersichtlich.
Wie groß der Einfluss der früheren Rundschau-Redaktion auf die Sport-Unit
Hessen mittelfristig bleiben wird, muss abgewartet werden. In ein paar
Jahren gehen die ältesten aus dem Quartett, Hanau und Müller, in den
Ruhestand.
21 Jul 2025
## LINKS
[1] /Entlassungen-bei-Frankfurter-Rundschau/!5982561
[2] https://www.wuestenradar.de/
[3] /Konzentration-und-Aushoehlung/!6076942&s/
[4] /Westfaelische-Rundschau/!5074981
## AUTOREN
Maik Rosner
## TAGS
Sport
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