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# taz.de -- EM-Berichterstattung: Mehr Hype als Journalismus
> Rund um den Frauenfußball agieren Journalist:innen am liebsten
> freundlich, empowernd, solidarisch. Doch das zahnlose Jubeln hilft nicht.
Bild: „Giuli“, das Schicksal und die Träume kleiner Mädchen: ein Gesicht …
Der Fußballjournalismus an sich ist [1][kein Hort von kritischer Distanz].
Gerade zu großen Männerturnieren oder in der Champions League wird
ungebremst mit den Deutschen gelitten, ehrfürchtig den sogenannten
Expert:innen gelauscht, und banalste Insiderinfos aus dem deutschen
Quartier werden als Sensationen verkündet. Bei den [2][teuren TV-Rechten]
halt auch kein Wunder. Grundsatzkritische Berichterstattung bekommt ihren
Platz vielleicht vor dem Turnier, aber dann ist gut.
Beim Fußball der Frauen ist der Zirkus noch drei Nummern kleiner, aber
irgendwie schafft es der deutsche Sportjournalismus, hier noch schlimmer zu
sein. Diesmal ist nämlich die gesamte Journo-Branche kollektiv hyped. Nicht
nur bringen die Öffentlich-Rechtlichen gefühlt täglich irgendeine Doku mit
Titeln wie Shootingstars oder Generation Irgendwas, in der sie deutsche
Spielerinnen völlig kritikfrei vermarkten. Auch viele sonst kritische
Geister jubeln mit. Es gibt [3][Dramen um „Giuli“] und viel Kitsch um
Träume kleiner Mädchen. Eine kritische Haltung zum Turnier oder
Austragungsland interessierte nicht mal vorab.
Es gibt natürlich Gründe dafür. Frauenfußball wird weiter täglich in
Deutschland heftigst diskriminiert – was Reporter:innen offenbar dazu
treibt, das Spiel besonders energisch zu loben. Jedes gut gefüllte Stadion
gehört extra betont, genau wie das wirklich hochklassige Niveau oder die so
inspirierende Geschichte einer Spielerin. Natürlich ist die Blase im
Frauenfußball zudem klein. Man kennt Spielerinnen schnell persönlich, viel
unkomplizierter als im Männerfußball. Sie sind auch nahbarer und eloquenter
als [4][Hochleistungszombies wie Erling Haaland]. Diese enorme Nähe trägt
zur Beißhemmnis bei. Hier sind wir noch wer, wir Sportjournalist:innen.
Es wäre ungerecht, dabei alle in einen Topf zu werfen. Doch auch viele
kritische Berichte sind vor allem eines: kritisch aus einer Art
Anwältinnenperspektive für Spielerinnen. Equal Pay, [5][die vielen
Kreuzbandrisse], Sexismusskandale oder Mutterschaft. Aber kritisch
gegenüber den Protagonistinnen, der Hochleistungskultur, der
Kommerzmaschine? Da wird es dünn. Auch dafür gibt es Gründe. Viele junge
Frauen, die über Fußball berichten, haben ähnliche
Diskriminierungserfahrungen gemacht wie die Spielerinnen.
## Gemeinsam in feindlicher Welt
Man betrachtet sich nicht so sehr als Mitglieder zweier Welten denn als
Frauen, die gemeinsam in einer feindlichen Welt bestehen. Die Solidarität
vor allem mit Spielerinnen – interessanterweise weniger mit Trainerinnen –
ist hoch. Einziger Anlass für Kritik sind dann schlechte Leistungen auf dem
Platz oder ein frühes Ausscheiden der Deutschen. Als männlicher
Sportjournalist wiederum läuft man bei allzu kritischer Haltung sofort das
Risiko, sich einer Sexismus-Anschuldigung auszusetzen.
Also lieber freundlich, empowernd, solidarisch. Aber ob dieses hypende
Heidi-Ländle dem Fußball der Frauen guttut, steht auf einem anderen Blatt.
9 Jul 2025
## LINKS
[1] /Naehe-und-Distanz-im-Sportjournalismus/!5015876
[2] /TV-Rechte-an-der-Bundesliga/!6036595
[3] /DFB-Elf-ohne-Giulia-Gwinn/!6095781
[4] /Ungeliebter-Fussballer-Erling-Haaland/!6040059
[5] /Forscherin-ueber-Genderbias-im-Fussball/!6095913
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Kolumne Nur öppis chliises*
Fußball-EM der Frauen 2025
Journalismus
Sportjournalismus
Fußball-EM der Frauen 2025
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kolumne Press-Schlag
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