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# taz.de -- Ausbeutung im Knast: Im Knast wird jetzt geknausert
> Gefangene in den Berliner JVAs sollen ab August weniger arbeiten – damit
> werden sie aber auch um einen Teil ihres Lohns gebracht.
Bild: Ein Häftling der (JVA) Robert-von-Ostertag-Straße harkt den Innenhof de…
Berlin taz | Berliner Gefangene sollen für ihre Arbeit künftig weniger Lohn
bekommen. Das geht aus Aushängen in den Justizvollzugsanstalten (JVA) der
Hauptstadt hervor. Der taz liegt ein Aushang aus der JVA Tegel vor, ein
Gefangener in der auf Brandenburger Gebiet gelegenen JVA Heidering
berichtet das Gleiche.
De facto soll die tägliche Arbeitszeit um eine Stunde gekürzt werden. Damit
spart der Senat pro Gefangenem in Arbeit pro Tag 1,88 bis 2,97 Euro ein.
Oder andersherum: So verliert ein Gefangener, der in Haft arbeitet – und
Arbeit in Haft ist in Berlin verpflichtend – 1,88 bis 2,97 Euro pro Tag.
Das sind bis zu 62 Euro im Monat oder 750 Euro im Jahr.
Die neue Regelung soll laut Aushang ab dem 1. August gelten. Statt
Arbeitsbeginn um 6.45 Uhr soll der Job erst um 7 Uhr angetreten werden.
Ende ist dann nicht mehr um 14.49 Uhr, sondern um 14.04 Uhr.
Der Aushang liefert auch gleich eine Begründung mit: „Viele Ausgaben sind
gestiegen. Deshalb hat der Berliner Justizvollzug weniger Geld zur
Verfügung. Damit wichtige Aufgaben weiterhin erfüllt werden können, muss
das Geld anders verteilt werden.“
## Weniger Geld trotz Preissteigerungen
Ein Gefangener, mit dem die taz gesprochen hat, kritisiert die neue
Regelung stark. Schließlich stiegen nicht nur die Ausgaben des Senats,
sondern auch die der Gefangenen, wenn sie beim Knast-Händler Obst, Joghurt,
Shampoo, Rasierwasser oder Zigaretten kauften. „Die Preise steigen immer
weiter, und nun soll es auch noch weniger Geld geben“, sagte der Gefangene
der taz.
[1][Die Kürzung von Arbeitszeit und Lohn ist weder per Gesetz verabschiedet
noch im Parlament besprochen worden]. Möglich ist das durch einen Trick: Im
Strafvollzugsgesetz ist zwar festgeschrieben, dass es eine Vergütung gibt
und wonach sie sich bemisst: Bisher sind es 9 Prozent des
Durchschnittslohns aller rentenversichert Beschäftigten in Deutschland. Die
Stundenzahl allerdings ist in einer gesonderten Vergütungsverordnung
festgelegt, die leichter geändert werden kann.
Manuel Matzke, Sprecher der Gefangenengewerkschaft GG/BO, kritisiert das
Vorgehen gegenüber der taz: „Kein anderes Bundesland reduziert
Arbeitszeiten im Vollzug im Zuge eines negativen Haushalts.“ Er geht davon
aus, dass die Entscheidung im Zusammenhang mit einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts steht.
Das hatte im Juni 2023 nach Klagen von Gefangenen aus Nordrhein-Westfalen
und Bayern entschieden, dass die beiden Bundesländer ihre
Strafvollzugsgesetze reformieren müssen: Da Arbeit in Haft nicht als
klassische Arbeit, sondern als Resozialisierungsmaßnahme gilt, müssen die
Bundesländer deren Wert steigern. Das kann, muss aber nicht über höhere
Vergütung geschehen. Eine Arbeitszeitverkürzung aber habe das
Bundesverfassungsgericht „definitiv nicht“ mit seiner Entscheidung
beabsichtigt, so Matzke – das könne auch nicht in seinem Interesse sein.
## Einigung auf höhere Löhne
[2][Eine Arbeitsgruppe aller Bundesländer hat sich schon darauf geeinigt],
künftig deutlich mehr als 9 Prozent des Durchschnittslohns zu zahlen,
nämlich 15 Prozent. In Bayern und Nordrhein-Westfalen sind entsprechende
gesetzliche Regelungen seit Juli in Kraft. Die meisten anderen Länder
lassen sich mehr Zeit, so auch Berlin. Der bisher nicht veröffentlichte
Referentenentwurf soll laut der Senatsverwaltung für Justiz nach der
Sommerpause vorgelegt und diskutiert werden.
Gefangene arbeiten üblicherweise in den gefängniseigenen Schreinereien,
als Gärtner, in der Bibliothek oder als Putzkräfte. Die meisten erledigen
einfache Arbeiten, die oft von Fremdfirmen beauftragt werden. Typische
Aufgaben sind etwa, Schrauben zu sortieren oder Kugelschreiber
zusammenzuschrauben. Schon herausfordernder sind Jobs, bei denen
Einzelteile für Maschinen hergestellt werden.
[3][Sobald das Gesetz in Berlin in Kraft tritt, erhält ein Gefangener auf
Vergütungsstufe III statt 2,43 pro Stunde dann 4,05 Euro], eine Erhöhung
von etwa 70 Prozent. Obwohl der neue Satz weit unter Mindestlohn liegt –
der beträgt 12,82 Euro –, ist es dem Senat offenbar zu viel Geld. Durch die
Reduzierung der Arbeitszeit muss er auf Vergütungsstufe III pro Tag und
Gefangenem nicht 12 Euro mehr zahlen, sondern lediglich 8 Euro mehr. Damit
spart er nach der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils etwa 1.000
Euro pro Gefangenem und Jahr ein. Und bis zur Umsetzung des Urteils kann er
durch die Reduzierung der Arbeitszeit schon mal Einiges auf die hohe Kante
legen – zum Nachteil der Gefangenen.
Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im
Abgeordnetenhaus, erklärte auf taz-Anfrage: „Mit der Lohnkürzung nimmt der
Senat den Gefangenen ein Stück Selbstständigkeit. Gleichzeitig dürfte der
Spareffekt bei der lächerlich niedrigen Vergütung verschwindend gering
sein. Das ist verantwortungslose Kürzungspolitik auf dem Rücken der
Schwächsten.“
Die Senatsverwaltung teilte der taz auf Nachfrage mit, sich erst am
Donnerstag zum Thema äußern zu können.
30 Jul 2025
## LINKS
[1] /Ausbeutung-hinter-Gittern/!6094927
[2] /Urteil-zu-Gefangenenverguetung/!5938951
[3] /Gehalt-fuer-Arbeit-im-Gefaengnis/!6088556
## AUTOREN
Johanna Treblin
## TAGS
Gefängnis
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