| # taz.de -- Theaterstück über Armut am TD Berlin: Das ist mein Leben | |
| > Wer ist alles #armutsbetroffen? Im TD Berlin widmet man sich Biografien, | |
| > die sonst selten im Licht der Öffentlichkeit stehen. | |
| Bild: Manchmal liegt die Hoffnung weit draußen im All | |
| „Warum gibt es keinen Aufstand der Armen? Weil wir mit Überleben | |
| beschäftigt sind.“ Im [1][TD Berlin] stehen 75 Minuten lang Menschen, die | |
| in Deutschland in Armut leben, mit ihrer konkreten Lebensrealität im | |
| Mittelpunkt. Sie kommen zu Wort, denn die Textgrundlage für | |
| „#Armutsbetroffen“, die neue Produktion von Helge Schmidt und seinem Team, | |
| sind Posts unter dem Hashtag #IchbinArmutsbetroffen und Texte, die in dem | |
| Workshop „Alltägliche Armutserfahrungen – Erzählen als politisches | |
| Sprechen“ an der Universität Duisburg-Essen entstanden sind. | |
| Die Schauspielerinnen Agnes Decker, Ruth Marie Kröger und Laura Uhlig | |
| bringen die Erfahrungsberichte direkt auf die Bühne. Sie performen die | |
| ihnen anvertrauten, sehr persönlichen Texte mit Empathie, werfen sich mit | |
| ihrer ganzen Bühnenpräsenz in jedes Detail und werden so zu | |
| Multiplikatorinnen für Menschen, die im öffentlichen Diskurs praktisch | |
| unsichtbar sind. Wenn doch, dann dienen in Armut lebende, mithilfe von | |
| staatlicher Unterstützung überlebende Menschen nicht selten als | |
| Projektionsfläche für Neid und Hass, weil sie keiner Erwerbsarbeit | |
| nachgehen. | |
| Die extrem dichte Textcollage, die einen mit Biografien konfrontiert, deren | |
| Stolpersteine sich oft zu einem unüberwindbaren Berg auftürmen, hat | |
| eingebaute Hoffnungsinseln. [2][Helge Schmidt] lässt seine silber-spacig | |
| gewandeten Schauspielerinnen (Kostüme: Sina Brüggemann) immer mal wieder | |
| ins Star-Trek-Universum ausreisen, wo Armut nicht existiert. Für | |
| Armutsaktivistin Janina Lütt war Star Trek in ihrer Jugendzeit mangels | |
| erwachsener Bezugspersonen wertebildend und ganz konkret lebenserhaltend. | |
| Sie war mit 13 so neugierig auf die neue Folge, dass sie den akribisch | |
| geplanten Suizid dann doch nicht vollzog. | |
| ## Gefangen im eigenen Leben | |
| „Die [3][Einsamkeit] ist wie ein schweres Tuch, das mich einhüllt, mich | |
| erdrückt. Ich habe niemanden, der fragt, wie es mir geht. Und die Armut | |
| macht es schlimmer. Ich kann mir keine Kurse leisten, kein Café, keinen | |
| Ausweg. Ich bin gefangen, in dieser Wohnung, in diesem Leben.“ Stefan | |
| Hübner sitzt im Publikum und hört seiner eigenen Geschichte zu. Nach der | |
| Vorstellung wechselt er auf die Bühne und sitzt mit Janina Lütt und Holger | |
| Schoneville, Professor für Theorie und Methoden der Sozialen Arbeit an der | |
| Universität Duisburg-Essen, auf dem Podium. Hübner betont, wie wichtig für | |
| ihn der Schreibworkshop war, um sichtbar zu werden. Für Janina Lütt war | |
| ihre Kolumne im Freitag das Geschenk ihres Lebens. | |
| Es sind unisono existentielle Texte, die berühren und im Kopf bleiben. Und | |
| die die Frage aufwerfen, warum es so sein muss, wie es ist – im Großen wie | |
| im Kleinen. „Ich frage mich, was ich mit der ganzen Energie schaffen | |
| könnte, die ich für Bürokratie, Rechtfertigung und Existenzängste | |
| verschwenden muss,“ überlegt jemand. | |
| Die szenische Beschreibung des Abhol-Prozederes bei der Tafel hätte | |
| Satirepotenzial, wäre die Situation nicht so verdammt ernst. Dort wie | |
| überall geht es um die Würde von Menschen, die sich nur durch ein einziges | |
| Merkmal von der übrigen Bevölkerung unterscheiden: „Wir sind finanziell | |
| schwach.“ Die mit Cybermobbing rechnen müssen, wenn sie als | |
| Armutsaktivistinnen an die Öffentlichkeit gehen. Und die trotz allem | |
| versuchen, sich mit ihrem Leben in dieser Gesellschaft zu behaupten. Jemand | |
| konstatiert und hofft: „Ich habe keine Illusionen mehr von Reichtum oder | |
| einem vollen Freundeskreis. Aber vielleicht gibt es kleine Momente, kleine | |
| Verbindungen, die mich tragen können. Das ist mein Leben. Es ist nicht | |
| schön, nicht heldenhaft, aber es ist meins.“ | |
| 6 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ukrainische-Schauspielerin-Iryna-Lazer/!6095378 | |
| [2] /Aufklaerungstheater-am-TD/!5985618 | |
| [3] /Buch-ueber-Einsamkeit/!6075481 | |
| ## AUTOREN | |
| Katja Kollmann | |
| ## TAGS | |
| Theater Berlin | |
| Schwerpunkt Armut | |
| Einsamkeit | |
| Ausgrenzung | |
| Star Trek | |
| Theater | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Deutsches Theater | |
| Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Theater im Pflegeheim: Ein Fest für die Toten und die Lebenden | |
| Das generationenübergreifende Theaterstück „Totenwache“, aufgeführt in | |
| einem Pflegeheim, schafft Nähe zu den Themen Tod, Demenz und Abschied. | |
| Ukrainische Schauspielerin Iryna Lazer: Allein mit der Verzweiflung über diese… | |
| Die Ukrainerin Iryna Lazer lassen die Traumata des Krieges nicht los. Ihre | |
| Theaterarbeit ist von Erfahrungen von Flucht, Exil, und Rückkehr geprägt. | |
| „Hinkemann“ am DT Berlin: Keine Kraft zum Träumen | |
| Dieser „Hinkemann“ wird in die Theatergeschichte eingehen: Anne Lenk | |
| inszeniert Ernst Toller am Deutschen Theater Berlin. | |
| Buch über Einsamkeit: Gesichter der Einsamkeit | |
| Ob Verschwörungstheoretiker, Katholik oder Sängerin: Janosch Schobin zeigt, | |
| wie vielfältig Menschen vereinsamen. |