| # taz.de -- Weltraumpolitik: Wem gehört das All? | |
| > Über die Zukunft der Erde wird mehr und mehr im Weltraum entschieden. | |
| > Deshalb können wir ihn nicht den Großmächten überlassen. Eine Anleitung | |
| > zum Mitreden. | |
| Bild: Wer darf da hoch? Diese Langzeitbelichtung aus Kanada zeigt unter anderem… | |
| Zehn Trillionen. 10.000.000.000.000.000.000 US-Dollar. Das ist 89.823-mal | |
| so viel wie die gesamte Welt [1][im Jahr 2024 erwirtschaftet hat]. Gäbe es | |
| irgendwo auf der Erde eine Grube mit Gold in diesem Wert, die Menschheit | |
| hätte sich im Kampf darum längst die Köpfe eingeschlagen. Gut also, dass es | |
| so etwas auf der Welt nicht gibt. Aber etwa 26 Lichtminuten von der Erde | |
| entfernt, in dem riesigen galaktischen Raum zwischen Mars und Jupiter, | |
| kreist der Asteroid Psyche. | |
| Psyche ist ein sogenannter Protoplanet. Er besteht möglicherweise aus | |
| reinem Metall. Und ist nach Schätzungen der Planetenwissenschaftlerin Lindy | |
| Elkins-Tanton genau so wertvoll: [2][10.000.000.000.000.000.000 US-Dollar]. | |
| Das ist natürlich nur eine in den Raum geworfene Zahl. Sie lässt sich | |
| unmöglich überprüfen. Trotzdem [3][plant die Nasa eine Mission zu Psyche]: | |
| Am 13. Oktober 2023 ist eine Sonde von der Erde aus gestartet, sie soll den | |
| Asteroiden im Sommer 2029 auskundschaften. Etwa zwei Jahre lang wird sie | |
| den Asteroiden umkreisen, um Fotos zu machen und Strahlungen zu messen. | |
| Denn der Traum vom Space Mining ist sehr real. | |
| Schon heute verändern Staaten internationales Recht, um Weltraumbergbau zu | |
| ermöglichen, während sich Unternehmen auf den Goldrausch im All | |
| vorbereiten. Und das ist nur einer von mehreren Gründen, warum die | |
| Menschheit sich erneut in einem Wettlauf ums All befindet. | |
| Anders als bei Neil Armstrongs Mondspaziergang, der ein Projekt für | |
| nationales Prestige war, geht es bei diesem Rennen um etwas Wichtigeres: | |
| die Zukunft unseres Planeten. Denn die wird mehr und mehr im Weltraum | |
| entschieden. Während bei Armstrong Millionen gebannt auf ihre | |
| Schwarz-Weiß-Fernseher starrten, gibt es heute über 260 Raketenstarts pro | |
| Jahr. Sie interessieren fast niemanden mehr. Und das ist gefährlich. | |
| Wir können den Weltraum nicht militärischen Großmächten und durchgeknallten | |
| Milliardären überlassen, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Es geht | |
| darum, wer noch an knappe Ressourcen wie Seltene Erden kommt, wenn die | |
| Vorräte auf unserem Planeten zur Neige gehen. Es geht darum, wer durch die | |
| größte Satellitenflotte Kriege entscheiden kann. Und es geht darum, ob wir | |
| den Weltraum weiter in Rekordgeschwindigkeit vermüllen und unser Planet | |
| sich bald in einer Hülle aus kollidierendem Schrott dreht. | |
| Wer den Weltraum kontrolliert, sichert sich den Zugang zu seinen Schätzen | |
| Smartphones, Computer und Batterien für Elektroautos funktionieren nicht | |
| ohne Metalle. Um an sie zu kommen, greifen wir Menschen mit Maschinen und | |
| Sprengstoff in geologische Strukturen ein und hinterlassen Wunden in der | |
| Landschaft. Der irdische Rohstoffhunger geht so weit, dass [4][Unternehmen | |
| den Tiefseebergbau vorantreiben], um an wertvolle Metalle wie Nickel, | |
| Kupfer und Kobalt zu kommen. | |
| Auch die Bergbauindustrie an Land zerstört ganze Gegenden durch den Einsatz | |
| giftiger Chemikalien. Minenarbeiter im Globalen Süden, wo die meisten | |
| Abbaustätten liegen, gehören zu den Berufsgruppen mit der kürzesten | |
| Lebenserwartung. Und die Nachfrage nach Metallen und Seltenen Erden steigt | |
| Jahr für Jahr weiter. | |
| Wäre es da nicht eine smarte Lösung, den Bergbau ins All zu verlagern? | |
| Gold, Platin, Kobalt, Palladium und Eisen und Nickel – all das gibt es auch | |
| auf Asteroiden. Bessere Luft, gesündere Böden und weniger Ausbeutung auf | |
| der Erde, während hochbezahlte Expert:innen mit Präzisionsmaschinen | |
| alles, was wir brauchen, aus dem All holen. So oder ähnlich präsentiert die | |
| Industrie den Weltraumbergbau. [5][Etwa die Firma Evona], die sich selbst | |
| als „Nummer 1 unter den Personalvermittlern für die Weltraumindustrie“ | |
| bezeichnet. | |
| Heute übersteigen die Kosten von Raumfahrt den Gewinn durch die neuen | |
| Rohstoffe noch bei Weitem. So hat etwa die Rückführung von 121,6 Gramm | |
| Material des erdnahen Asteroiden Bennu im Jahr 2023 die Nasa mehr als 1 | |
| Milliarde US-Dollar gekostet. Aber die Industrie arbeitet daran, die Kosten | |
| zu senken. | |
| Ein wichtiger Schritt war etwa die Einführung von wiederverwendbaren | |
| Raketen wie der „Falcon 9“ von Elon Musks Firma SpaceX. Private Akteure wie | |
| SpaceX haben große Budgets, um Trial-and-Error-Ansätze auszuprobieren. So | |
| treiben sie Innovationen viel schneller voran als die behäbigen | |
| Weltraumbehörden. | |
| Einen [6][theoretischen Fahrplan für den Weltraumbergbau gibt es schon]. | |
| Erdnahe Asteroiden sollen in ihrer Drehung gestoppt werden, um sie dann im | |
| richtigen Moment mit einem Impuls auf eine Umlaufbahn des Mondes zu | |
| bringen. Dort besucht eine Sonde den Asteroiden. Sie ist mit einem großen | |
| Spiegel ausgestattet, der das Sonnenlicht bündelt und den Asteroiden | |
| aufheizt. | |
| Dadurch werden die Gase im Gestein aufgekocht. Anschließend zerkleinert | |
| eine Schleifmaschine den Fels zu Kies und Staub. Mit Zentrifugen werden | |
| leichte und schwere Elemente getrennt. Die Rohstoffe werden in | |
| wiederverwendbare Raketen geladen oder in hitzegeschützte Kapseln verstaut, | |
| die in den Ozean fallen und eingesammelt werden. | |
| Aber den Techträumereien entgegen wird der Weltraumbergbau nicht zu einer | |
| grüneren und gerechteren Welt führen. Die Länder, die kein bedeutendes | |
| Weltraumprogramm haben, werden wirtschaftlich weiter abgehängt, während | |
| einige reiche Staaten oder reiche Privatpersonen so an Ressourcen kommen. | |
| [7][So verstärkt sich der sogenannte Space Gap]. Der Begriff beschreibt das | |
| sozioökonomische Ungleichgewicht zwischen Ländern, die ein Weltraumprogramm | |
| haben und allen anderen. Zwar unterhalten [8][mehr als 80 Länder ein | |
| Raumfahrtprogramm], doch nur etwas mehr als eine Handvoll haben | |
| ernstzunehmende Ambitionen: USA, China, Russland, Japan, Indien, die | |
| europäische Weltraumorganisation ESA und ein paar ihrer Mitgliedsländer. Es | |
| sind vor allem die USA, die derzeit die besten Chancen haben, sich die | |
| Schürf- und Eigentumsrechte zu sichern. | |
| Denn sie arbeiten bereits seit einem Jahrzehnt aktiv daran, internationales | |
| Weltraumrecht umzudeuten, um ihren Zugang zu Ressourcen rechtlich | |
| abzusichern. Das ist gar nicht so einfach, denn eigentlich besagt der | |
| Weltraumvertrag von 1967, dass keine Nation sich Himmelskörper aneignen | |
| darf. Sprich: Die amerikanische Flagge auf dem Mond war nette Propaganda, | |
| ist aber rechtlich bedeutungslos. | |
| Doch die USA nutzen eine der rechtlichen Grauzonen, um ihre | |
| weltraumpolitische Agenda voranzutreiben: Die Frage, ob Asteroiden als | |
| Himmelskörper gelten, ist nicht abschließend geklärt. Planeten und Monde, | |
| klar, aber wie sieht es mit den Brocken dazwischen aus? | |
| Seit 2015 erlauben die USA in ihrer nationalen Gesetzgebung vorsorglich den | |
| Privatbesitz im All. Einer der wenigen Versuche der letzten Jahre, den | |
| Bereich in internationalen Verträgen zu regeln, ist das Artemis-Abkommen. | |
| Das besteht aus einer Reihe von rechtlich nicht bindenden Vereinbarungen | |
| zwischen Staaten für den Umgang mit Ressourcen im All. Unter Führung der | |
| USA ließen die Unterzeichner darin festschreiben, dass die Förderung von | |
| Weltraumressourcen keine nationale Aneignung gemäß des Weltraumvertrages | |
| darstellt. | |
| In dem Abkommen ist auch von sogenannten Sicherheitszonen die Rede, die das | |
| Einmischen anderer Staaten in die eigenen Angelegenheiten verhindern | |
| sollen. Mutmaßlich geschieht dies vor dem Hintergrund der Mondbesiedlung. | |
| Die USA und einige europäische Länder möchten mit dem Artemis-Programm eine | |
| Mondbasis errichten und haben festgelegt, dass man innerhalb des Programms | |
| nicht mit China kooperieren dürfe. China und Russland wollen eine eigene | |
| Mondbasis errichten. | |
| Mehrere Staaten kritisieren in einem Bericht an die UN-Generalversammlung | |
| das weltraumpolitische Konkurrenzdenken. [9][In dem Bericht] heißt es: „Der | |
| Weltraum wird als neue Grenze des Wettbewerbs zwischen den großen | |
| Militärmächten angesehen.“ Konflikte auf der Erde setzen sich also | |
| potenziell im Weltraum fort. Und auch wer auf der Erde siegt oder verliert, | |
| wird zum Teil im Weltraum mitbestimmt. | |
| Wer den Weltraum kontrolliert, verfügt über Wissen, das Kriege entscheiden | |
| kann | |
| Es ist der 26. Februar 2022, zwei Tage nachdem russische Truppen die Grenze | |
| zur Ukraine überquert haben und in der Hauptstadt Kyjiw wüten. [10][Der | |
| ukrainische Digitalminister twittert eine Bitte an Elon Musk]: „Während Sie | |
| versuchen, den Mars zu kolonisieren, versucht Russland, die Ukraine zu | |
| besetzen! […] Wir bitten Sie, der Ukraine Starlink-Stationen zur Verfügung | |
| zu stellen.“ | |
| Starlink-Stationen, das sind Satellitenschüsseln, Kabel und Router, die man | |
| braucht, um sich über Musks Starlink-Programm mit satellitenbasiertem | |
| Internet zu verbinden. Die Ukraine hatte bereits in den Wochen zuvor über | |
| den Zugang zu Starlink verhandelt. Kurz nach dem Tweet des ukrainischen | |
| Ministers antwortete Musk: „Starlink-Service ist jetzt in der Ukraine | |
| aktiv. Mehr Terminals unterwegs.“ | |
| Zwischen Februar und Dezember 2022 sendet Starlink Hardware für mehr als | |
| 22.000 Stationen in die Ukraine. Satellitenbasiertes Internet wird sehr | |
| schnell sehr entscheidend für das ukrainische Militär und die Bevölkerung. | |
| Das Militär nutzt es, um Waffensysteme zu analysieren, Truppenbewegungen zu | |
| verfolgen und Drohnenangriffe zu planen. Die Bevölkerung hat dank der | |
| Terminals weiterhin Internetzugang und in den besetzten Gebieten die | |
| Möglichkeit, sich auch außerhalb von russischer Kriegspropaganda zu | |
| informieren. | |
| Für SpaceX ist der Krieg die perfekte Gelegenheit, um die Fähigkeiten | |
| seines Satellitennetzwerks auf internationaler Ebene unter Beweis zu | |
| stellen. Die ganze Welt – also potenzielle private und öffentliche Kunden – | |
| sieht, wie zuverlässig und sicher Starlink arbeitet. | |
| Viele Satelliten heißt viel Macht. Im Falle von satellitenbasiertem | |
| Internet kann das beste Angebot liefern, wer die größte und verlässlichste | |
| Flotte hat. Momentan ist Starlink der Konkurrenz meilenweit voraus. Je mehr | |
| Staaten, Unternehmen und Privatpersonen die Dienste von Starlink nutzen, | |
| desto mehr Einfluss kann Musk auf die politischen Entscheidungen an den | |
| jeweiligen Orten ausüben. | |
| Dass er das tut, zeigt eine zweite Episode aus dem Ukrainekrieg. Das | |
| ukrainische Militär steckt im Herbst 2022 mitten in einer Gegenoffensive, | |
| als Starlink in den russisch besetzten Gebieten immer öfter ausfällt. | |
| Selenskyj beschwert sich bei Musk und wirft ihm vor, er habe einen | |
| digitalen Zaun entlang der russisch-ukrainischen Front gebaut. Bis zur | |
| Front funktionierten die Terminals einwandfrei, dann plötzlich nicht mehr. | |
| Zur gleichen Zeit ändert Elon Musk seine politische Strategie. Er entwirft | |
| einen Friedensplan, der Russland die Krim zuspricht und ein | |
| UN-kontrolliertes Referendum über die eigene Zukunft in den von Russland | |
| besetzten Gebieten vorsieht. Sein Plan entspricht in weiten Teilen | |
| russischen Forderungen. Und das, während Hunderttausende Menschen in der | |
| Ukraine von ihm und seinen Starlink-Satelliten abhängig sind. Elon Musk | |
| erscheint als Herr über Krieg und Frieden. | |
| Auch unter dem Eindruck von Musks Wankelmut startete die EU ein eigenes | |
| Programm für satellitenbasiertes Internet: IRIS². Anvisierter Start: 2027. | |
| Langfristige Finanzierung: unsicher. Geplante Flottengröße: unter 300. | |
| Zum Vergleich: [11][Fast 8.000 aktive Starlink-Satelliten] befinden sich im | |
| Juni 2025 auf den niedrigen Erdumlaufbahnen. Eine Flotte von mehr als | |
| 40.000 Satelliten ist in Planung. | |
| China, als Weltraummacht relativ neu dabei, schoss die ersten Satelliten | |
| für satellitenbasiertes Internet 2024 ins All. Amazon brachte seine ersten | |
| 54 Satelliten an den Start. Das Angebot OneWeb der Firma Eutelsat hat 648 | |
| Satelliten. | |
| Es wird voll im All, besonders auf den niedrigen Erdumlaufbahnen. Und auf | |
| den besten dieser Umlaufbahnen hat Musk sich bereits viel Platz gesichert. | |
| Denn nicht alle Punkte im Weltall sind gleich wertvoll: Je näher der | |
| Satellit an der Erde ist, desto schneller kommt das Signal an und desto | |
| besser funktioniert das Internet. | |
| US-Air-Force-Stratege Everett Dolman schrieb in einem Klassiker über | |
| Geopolitik im Weltraum: „Wer die niedrigen Umlaufbahnen beherrscht, | |
| kontrolliert den erdnahen Raum; wer den erdnahen Raum beherrscht, | |
| kontrolliert die Erde. Wer die Erde beherrscht, bestimmt das Schicksal der | |
| Menschheit.“ | |
| Wer den Weltraum kontrolliert, ist verantwortlich dafür, wie sehr er zur | |
| Müllhalde wird | |
| Das Weltall – unendliche Weiten? Nicht wirklich, wenn man genauer | |
| hinschaut. Denn der für uns Menschen nutzbare Raum des Weltalls ist | |
| überschaubar und wir sind auf einem guten Weg dahin, ihn vollzumüllen, so | |
| wie wir es bereits mit Meeren und Flüssen auf der Erde getan haben. Was als | |
| leerer, gleichförmiger Raum zwischen den Himmelskörpern erscheint, müssen | |
| wir uns eher als abwechslungsreiche Landschaft vorstellen, durch die wir | |
| Menschen ein dichtes Verkehrsnetz gezogen haben. | |
| Je nach Strahlung und Anziehung entstehen Bahnen, in denen Raketen mehr | |
| oder weniger Energie brauchen oder die Gravitation nutzen können, um an | |
| weiter entfernte Orte zu kommen. An fünf Punkten im All hebt sich die | |
| Anziehungskraft von Erde und Mond exakt auf, sodass Objekte dort bleiben, | |
| ohne dass sie Treibstoff brauchen. Um solche Punkte könnte es Streit geben. | |
| Genauso wie um die Autobahn, den sogenannten geosynchronen Orbit, kurz GEO, | |
| in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern. Die Objekte dort drehen sich in | |
| derselben Zeit einmal um die Erde, wie die Erde um sich selbst. Deshalb | |
| erscheinen Objekte dort vom Erdboden als würden sie sich nicht bewegen, was | |
| beispielsweise praktisch für die Ausrichtung von Satellitenantennen ist und | |
| die Umlaufbahn sehr beliebt macht. | |
| Wer von der Autobahn abfährt, kommt auf einen Parkplatz: Etwa 300 Kilometer | |
| von GEO entfernt verbringen ausrangierte Satelliten ihren Lebensabend. Mit | |
| letzter Kraft steuerten die Betreiber sie auf den kosmischen Parkplatz, wo | |
| sie dann umherfliegen. | |
| Etwa 800 Kilometer über der Erde schwebt ein [12][25 Meter großer und acht | |
| Tonnen schwerer Koloss umher]. Der Umweltsatellit Envisat der europäischen | |
| Weltraumbehörde ESA taumelt wie ein Betrunkener durchs All. Er funktioniert | |
| nicht und er ist seit 2012 nicht mehr erreichbar. Auf seiner Höhe kann es | |
| 150 oder mehr Jahre dauern, bis ein Objekt in der Erdatmosphäre verglüht. | |
| Satelliten wie Envisat gibt es viele. Die Zahl der inaktiven Satelliten | |
| übersteigt die Zahl der aktiven dabei bei Weitem. Sie nutzen sich ab und | |
| gehen irgendwann kaputt, genau wie Waschmaschinen oder Staubsauger. | |
| Laut den Empfehlungen des Inter-Agency Space Debris Coordination Committee | |
| sollen sie zwar nach spätestens 25 Jahren entsorgt sein, also in die | |
| Atmosphäre eintreten und verglühen oder auf die Friedhofslaufbahn gebracht | |
| werden. Doch: [13][Laut dem Weltraumumweltbericht 2025 der ESA] steigen auf | |
| die niedrigen Erdumlaufbahnen mehr Satelliten auf, als entsorgt werden. | |
| [14][Hinzu kommt der ganze andere Schrott]. Ausgebrannte Raketenstufen, | |
| verlorene Werkzeuge, Farbpartikel oder kleine Metallteile. Laut der letzten | |
| Schätzung der ESA werden im Jahr 2025 mehr als 1,2 Millionen Trümmerteile, | |
| die kleiner als ein Zentimeter sind, um unsere Erde kreisen. Aufgrund ihrer | |
| geringen Größe können sie von Radaranlagen und Teleskopen nicht erfasst | |
| werden. Doch nicht genug. Die ESA beziffert die Anzahl der großen | |
| Schrottteile, also jener Teile, die größer als 10 Zentimeter sind, auf über | |
| 40.000. | |
| Die Teile fliegen schneller als Pistolenkugeln. Wenn zwei Schrottteile | |
| kollidieren, entstehen Tausende neuer kleiner Schrottteilchen. Tatsächlich | |
| sind zwei große Kollisionen in den Jahren 2007 und 2009 für einen großen | |
| Teil des katalogisierten Weltraumschrotts verantwortlich. | |
| Bei der ersten brachte China eine Rakete auf dieselbe Umlaufbahn wie ihren | |
| Wettersatelliten und ließ die beiden absichtlich kollidieren, um den | |
| Fortschritt der eigenen Raketentechnologie zu testen. Dabei entstand ein | |
| riesiges Trümmerfeld. Am Ende des gleichen Jahres schwebten 2.000 größere | |
| Objekte mehr im All. | |
| Was daraus folgt, hat der amerikanische Astronom Donald Kessler zum ersten | |
| Mal beschrieben: Je mehr Schrottteile es gibt, desto häufiger kommt es zu | |
| zufälligen Kollisionen, aus denen wiederum neue Schrottteile entstehen, die | |
| wiederum mit erhöhter Wahrscheinlichkeit miteinander kollidieren. Eine | |
| kosmische Kettenreaktion. | |
| Wenn das so weitergeht wie bisher, bedeutet es nicht nur die gestörte | |
| Kommunikation wichtiger Satellitentechnik, sondern auch, dass es irgendwann | |
| eine undurchdringbare Müllhalde auf einigen Erdumlaufbahnen geben könnte. | |
| Wie ein gigantischer Teppich aus Schrott, in den wir uns einwickeln. Dabei | |
| ist es eigentlich auch im Interesse der Betreiber, dass ihre Satelliten | |
| nicht ausfallen. | |
| Das gibt Hoffnung, dass es in diesem Fall doch langfristig anders läuft als | |
| bei den ersten Astronauten. Denn dass wir gern Müll im All lassen, hat sich | |
| schon mit der Mondlandung angekündigt. Die Apollo-Astronauten haben damals | |
| nicht nur Fußspuren auf dem Mond hinterlassen, sondern auch 96 Säcke | |
| Abfall. Bisher hat sie niemand wieder eingesammelt. | |
| Wer kontrolliert die, die den Weltraum kontrollieren? | |
| Lange Zeit galt der Weltraum als Musterbeispiel internationaler | |
| Kooperation. Auf der ISS leben Astronaut:innen rivalisierender Länder | |
| in einer WG zusammen, der amerikanische Politiker und ehemalige Astronaut | |
| Bill Nelson glaubte sogar, dass der Weltraum es uns ermöglicht, ein | |
| „planetarisches Bewusstsein“ zu entwickeln – immerhin sieht man von der | |
| Internationalen Raumstation oder vom [15][Mond] die Erde als Ganzes. Er | |
| schlug vor, große internationale Konferenzen von dort oben abzuhalten. Das | |
| würde sich positiv auf die Verhandlungen auswirken. | |
| [16][Tatsächlich gibt es viele Ideen für bessere Weltraumpolitik] und | |
| Ansätze, wie zum Beispiel das Müllproblem gelöst werden könnte. So | |
| behaupten die Wirtschaftswissenschaften, dass es mehr Anreize für | |
| Unternehmen bräuchte, in die Trümmerbeseitigung zu investieren. | |
| Jurist:innen meinen, es bräuchte eine Neuinterpretation der großen | |
| Weltraumverträge, oder gar neue Verträge, um rechtlich bindende und | |
| durchsetzbare Trümmerbeseitigungsziele zu schaffen. Fans technischer | |
| Lösungsansätze wollen Technologien zur aktiven Trümmerbeseitigung und | |
| Weltraumüberwachungssysteme verbessern. Und die | |
| Politikwissenschaftler:innen schlagen vor, neue Institutionen zu | |
| schaffen. | |
| Antje Nötzold ist Mitherausgeberin des [17][ersten deutschsprachigen | |
| Sammelbands zur Weltraumpolitik] seit mehr als 40 Jahren. Die | |
| Internationale Fernmeldeunion, kurz ITU, wäre ihrer Meinung nach ein guter | |
| Startpunkt, um zukünftigen Zugang zum Weltraum zu regeln. Bei der ITU | |
| beantragen Mitgliedstaaten die Funkfrequenzbänder, die für die | |
| Satellitenkommunikation zugewiesen sind. Das heißt: Ohne Zulassung keine | |
| neuen Satelliten im All. Die ITU arbeitet dabei nach dem Prinzip: Wer | |
| zuerst kommt, mahlt zuerst. | |
| Der Zugang zum Weltraum steht prinzipiell jedoch allen offen. „Sollte also | |
| nicht darüber nachgedacht werden, die Frequenzen zahlenmäßig | |
| einzuschränken?“, fragt Nötzold. „Oder die Anteile unter allen Staaten | |
| aufzuteilen?“ Ähnlich wie früher etwa bei Radio oder Fernsehfrequenzen | |
| könnte man die Vergabe als Steuerungsinstrument nutzen. Damit weniger | |
| Satelliten aufsteigen oder Monopole geschwächt werden. | |
| Es klingt nach nicht viel, nach einem kleinen Schritt für die Menschheit. | |
| Aber auch wenn die Zukunft der Erde mehr und mehr im Weltraum entschieden | |
| wird, entscheidet sich die Zukunft des Weltraums immer noch auf der Erde. | |
| Wem gehört das All? Im Moment noch niemandem und damit allen. | |
| Darin steckt auch ein Ansatz, das Weltall zu betrachten. Den Begriff Global | |
| Commons benutzen Politikwissenschaftler*innen für Ressourcen, zu | |
| denen alle Staaten gleichermaßen Zugang haben. Globale Allgemeingüter – so | |
| wie die Hohe See oder die Atmosphäre. Dinge, um die sich alle gemeinsam | |
| kümmern müssen. Bisher sind diese Allgemeingüter alle auf der Erde. Aber | |
| eigentlich müsste auch der erdnahe Weltraum dazu zählen. | |
| Eine der wenigen Erfolgsgeschichten für den Umgang mit Global Commons ist | |
| der Kampf gegen das Ozonloch. Ozon bildet für die Lebewesen auf der Erde | |
| einen wichtigen Schutz, doch besonders Kühlmittel, FCKW, schädigten die | |
| Schicht mehr und mehr. Mit dem Montreal-Protokoll von 1987 einigten sich | |
| 189 Staaten auf Regeln, um die Ozonschicht zu retten, etwa einen | |
| schrittweisen Verzicht auf schädliche Chemikalien. | |
| Wie man überhaupt das Ozonloch beweisen und handeln konnte? Die | |
| entscheidenden Informationen kamen natürlich per Satellit. Aus dem Weltall. | |
| 12 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://data.worldbank.org/indicator/ny.gdp.mktp.cd | |
| [2] https://www.springerprofessional.de/space-mining-goldrausch-im-all-eine-met… | |
| [3] https://science.nasa.gov/mission/psyche/ | |
| [4] /Umweltfolgenforscher-ueber-Tiefseebergbau/!5929507 | |
| [5] https://www.evona.com/blog/what-is-asteroid-mining/ | |
| [6] https://www.kiss.caltech.edu/final_reports/Asteroid_final_report.pdf | |
| [7] https://www.springerprofessional.de/space-mining-goldrausch-im-all-eine-met… | |
| [8] https://ts2.tech/de/globaler-bericht-zur-satelliten-und-raumfahrtindustrie-… | |
| [9] https://digitallibrary.un.org/record/3934709?v=pdf | |
| [10] https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/13540661241260653 | |
| [11] https://planet4589.org/space/con/star/stats.html | |
| [12] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-42602-6_22 | |
| [13] https://www.esa.int/Space_Safety/Space_Debris/ESA_Space_Environment_Report… | |
| [14] /Gefahr-durch-Muell-im-Weltall-Antworten-zu-den-wichtigsten-Fragen/!6075080 | |
| [15] /Buero-fuer-planetare-Verteidigung/!6077260 | |
| [16] https://www.researchgate.net/publication/379886230_Weltraumschrott_als_Umw… | |
| [17] https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-42602-6 | |
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