# taz.de -- UN-Entwicklungskonferenz in Sevilla: Der Markt soll’s richten | |
> Die Staaten einigen sich auf Zusammenarbeit, um die Entwicklungsziele zu | |
> finanzieren. Der Fokus liegt auf der Mobilisierung von privatem Kapital. | |
Bild: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war bei der Konferenz anwesend –… | |
Sevilla taz | Zu den Entwicklungszielen der UN bekennen sich die Staaten | |
routinemäßig. In Sevilla findet diese Woche nach zehn Jahren wieder eine | |
Konferenz statt, die das „wie“ behandeln soll: die vierte UN-Konferenz für | |
Entwicklungsfinanzierung. Kurz: Es geht um Geld. | |
Wie kann die Staatengemeinschaft und wie können vor allem ärmere Länder die | |
17 Entwicklungsziele erreichen, allen voran extreme Armut und Hunger | |
beenden und allen Menschen Zugang zu Gesundheit und Bildung ermöglichen? | |
Die Weichenstellung dafür haben die Staaten am Montag im Abschlussdokument | |
„[1][Verpflichtungen von Sevilla]“ verabschiedet. Darin geht es darum, wie | |
Steuern generiert werden sollen, es geht um die Mobilisierung privater | |
Mittel, öffentliche Entwicklungsgelder, Handel, der Umgang mit Schulden und | |
die Strukturen der globalen Finanzarchitektur – also von wem die Regeln | |
gemacht werden. | |
„Wir sind hier in Sevilla, um den Kurs zu ändern“, sagte der | |
UN-Generalsekretär António Guterres vor den Staats- und Regierungschefs. Um | |
die UN-Entwicklungsziele zu erreichen, brauche es jährlich 4 Billionen | |
US-Dollar. „Wir müssen die Steuersysteme stärken, illegale Finanzströme und | |
Steuerhinterziehung bekämpfen.“ | |
Guterres forderte mehr private Investitionen und Kredite von | |
Entwicklungsbanken. Die Industrieländer forderte der UN-Chef auf, | |
Entwicklungshilfen zu verdoppeln. | |
## Bundesentwicklungsministerin: „kraftvoller Schub“ | |
Auch die Spitzen von Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der | |
Welthandelsorganisation sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der | |
Leyen sprachen zur Eröffnung der Konferenz. Sie werteten die Einigung als | |
Bekenntnis zu den Entwicklungszielen und Multilateralismus. | |
Mehr als 15.000 Teilnehmende und etwa 60 Staats- und Regierungschefs sind | |
angereist, darunter etwa der französische Präsident Emmanuel Macron. | |
Bundeskanzler Friedrich Merz kam nicht. Die USA [2][hatten sich schon im | |
Vorfeld von dem Prozess verabschiedet] und angekündigt, keine Delegation | |
nach Sevilla zu schicken. | |
Deutschland wird von Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan | |
(SPD) repräsentiert. Sie nannte die Einigung einen „kraftvollen Schub für | |
eine gerechtere Welt“. Sie stelle einen „ausbalancierten Kompromiss“ dar. | |
Darin bekennt sich Deutschland zusammen mit den anderen Industriestaaten | |
auch zu dem Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in öffentliche | |
Entwicklungsausgaben zu investieren. | |
## USA, aber auch Deutschland reißen Milliarden-Loch | |
Vorige Woche hat das Kabinett einen Haushalt mit fast einer Milliarde | |
weniger Geld im Etat des zuständigen Ministeriums beschlossen. 2024 hat | |
Deutschland das 0,7-Prozent-Ziel durch die Kürzungen der Ampel-Regierung | |
bereits verfehlt. | |
Über der Konferenz hängt zudem ein Milliarden-Loch, das die USA mit ihrem | |
Rückzug aus der Entwicklungshilfe reißt. Und nicht nur die USA und | |
Deutschland – beinahe alle Industriestaaten kürzen bei den öffentlichen | |
Geldern. Das hat schon jetzt drastische Folgen für UN-Organisationen und | |
NGOs. Jahrzehntelang aufgebaute Strukturen zur medizinischen Versorgung | |
etwa [3][brechen gerade weg]. | |
Doch ebenso wie die Zusage, ihre Entwicklungsetats zu erhöhen, dürften auch | |
die strukturellen Forderungen im Dokument schwer werden ohne die USA – und | |
mit wenig Interesse von der EU und anderen Industriestaaten. Diese | |
Konfliktlinien zeigten sich bereits während der Verhandlung der „Sevilla | |
Verpflichtung“, die über ein Jahr lang in New York ausgehandelt wurde. | |
Das Thema Schulden dominierte die Vorverhandlungen. Einig sind sich alle | |
darin, dass der Schuldendienst in vielen Ländern Ressourcen bindet, die für | |
die Entwicklungsziele benötigt werden, und zu Rückschritten führt. | |
## Industriestaaten lehnen Verfahren für Staatsinsolvenzen ab | |
Die Gruppe der Afrikanischen Staaten und der asiatischen Inselstaaten | |
(AOSIS) plädierten für einen rechtlichen Rahmen, der in der UN diskutiert | |
werden soll, um Staatsinsolvenzverfahren einzuleiten. | |
Für Unternehmen und Privatpersonen gibt es das in den meisten Staaten, hier | |
ist durch das Insolvenzrecht geregelt, wie sie aus ihren Schulden wieder | |
herauskommen, die Entschuldung überstehen und nicht wieder in Schulden | |
geraten. Die USA, EU und auch Deutschland lehnen das als Parallelstruktur | |
für Staaten jedoch ab. | |
Die EU und Deutschland haben allerdings auch eine Kehrtwende beim Thema | |
Steuern gemacht: Regeln etwa zu Transparenz, der Besteuerung von | |
Digitalkonzernen oder von Überreichen sollen in der UN ausgehandelt werden. | |
Mittlerweile unterstützen die EU und Deutschland den Prozess. | |
Allerdings bleibt abzuwarten, wie konkret es am Ende wird. Zwar sind | |
Verhandlungen in der UN mit allen Staaten demokratischer, aber bekanntlich | |
auch langwierig, bürokratisch und nicht bindend. | |
## Konferenz noch nicht vorbei | |
Viel Fokus liegt in Sevilla denn auch auf der Mobilisierung von privatem | |
Kapital. Die Weltbank soll ihre Kreditausgaben damit verdreifachen, indem | |
sie etwa Garantien für private Investitionen gibt. Und auch viele reichere | |
Staaten arbeiten mit solchen Garantien. | |
In der Sevilla-Aktionsplattform sollen Staaten konkrete Initiativen | |
angeben. Deutschland bietet die Initiative Scaled an: eine gemeinsame | |
Plattform mit Versicherern, die auf der Nachhaltigkeitskonferenz in Hamburg | |
entwickelt wurde. | |
Die Formalitäten der UN-Konferenz wurden im Abschlussdokument und | |
Fototerminen bereits am Montag abgehandelt. Einige Regierungschefs saßen | |
dann Montagabend auch schon wieder im Flieger, wie auch | |
Entwicklungsministerin Alabali Radovan. Die deutsche Delegation führt nun | |
Staatssekretärin Bärbel Köfler. | |
In den Folgetagen wird es um technische Details gehen, um gemeinsame | |
Initiativen. Denn die Einigung von Sevilla ist für Staaten wie auch | |
internationale Finanzorganisationen nicht bindend, es wird weiter darum | |
gehen, „Koalitionen der Willigen“ zu finden, wie es im UN-Jargon heißt, um | |
die Entwicklungsziele zu finanzieren. | |
1 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://financing.desa.un.org/sites/default/files/ffd4-documents/2025/A_CON… | |
[2] /UN-Konferenz-zu-Entwicklungsfinanzierung/!6095120 | |
[3] /Krise-der-Entwicklungszusammenarbeit/!6094326 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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