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# taz.de -- Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung: Nicht mehr als ein Kompromi…
> Die UN-Konferenz in Sevilla verabschiedete ein Papier zur
> Entwicklungsfinanzierung. Ein politischer Durchbruch ist die
> Abschlusserklärung nicht.
Bild: Die Klimakrise trifft vor allem die ärmsten Länder der Welt, hier in Ke…
Der Aufstieg nationalistischer und rechtsextremer Bewegungen in vielen
Ländern macht internationale Zusammenarbeit immer schwieriger. Diese
Herausforderung zeigte sich auch bei der 4. Internationalen Konferenz für
Entwicklungsfinanzierung der Vereinten Nationen in der vergangenen Woche im
spanischen Sevilla.
Im Mittelpunkt der Konferenz mit über 50 Staats- und
Regierungschef*innen und mehr als 15.000 Teilnehmer*innen standen
zentrale finanzpolitische Herausforderungen: die Reform internationaler
Finanzinstitutionen, Staatsverschuldung, Steuerfragen, die Regulierung der
Finanzmärkte, Entwicklungszusammenarbeit und Klimafinanzierung. Der
UN-Prozess zur Entwicklungsfinanzierung bietet auch ärmeren und kleineren
Staaten Mitspracherechte. Hierin unterscheiden sich die Vereinten Nationen
von anderen Institutionen und Foren wie beispielsweise der G20 oder der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in
denen wirtschafts- und finanzpolitische Fragen auf der internationalen
Ebene in der Regel verhandelt werden.
Die Konferenz fiel in eine Zeit, in der sich die Defizite der aktuellen
globalen Finanzarchitektur besonders stark zeigen. [1][Viele Länder des
Globalen Südens leiden unter Überschuldung.] Das zwingt sie dazu, immer
größere Anteile ihrer Staatshaushalte für den Schuldendienst aufzuwenden.
Das schränkt ihren Spielraum für Investitionen in eine nachhaltige
Wirtschaftsentwicklung, die Klimaanpassung sowie in Bildungs- und
Sozialsysteme stark ein. Durch unzureichende Steuersysteme und mangelhafte
internationale Kooperationen verlieren Staaten ein enormes Steueraufkommen.
Gleichzeitig sind viele ärmere Länder aktuell von massiven Kürzungen in der
Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe betroffen. Nicht nur
die USA, sondern auch Länder wie Großbritannien, die Niederlande und
Deutschland haben ihre Mittel stark reduziert – obwohl sie es zugesagt
hatten.
Auch in Bezug auf private Investitionen sind die Probleme des globalen
Finanzsystems offensichtlich. So unterstützen die Finanzmärkte immer noch
in erheblichem Umfang Investitionen in fossile Industrien, die die
Klimakatastrophe weiter verstärken. Zudem ziehen private Investoren in
Krisenzeiten häufig ihr Kapital aus Ländern des Globalen Südens ab, da sie
Investitionen in diesen Ländern als weniger sicher erachten.
Die vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen entstandene
Abschlusserklärung der Konferenz in Sevilla trägt den Titel „Compromiso de
Sevilla“. „Compromiso“ lässt sich am besten mit „Zusage“ oder
„Verpflichtung“ übersetzen. Deutsch- und englischsprachige Menschen werden
schnell an den Begriff „Kompromiss“ denken – eine Assoziation, die man
vielleicht besser vermieden hätte, wenn die Konferenz als ein starkes
Zeichen für weitreichende Reformen gelten soll.
Dennoch ist die Abschlusserklärung am Ende genau das: ein Kompromiss.
Gemessen an dem, was nötig ist, um die nachhaltigen Entwicklungsziele der
Vereinten Nationen noch zu erreichen, reicht die Vereinbarung bei weitem
nicht aus. Bei vielen wichtigen Fragen bleibt das Papier vage. So sagen die
Regierungen zu, neue Finanzmarktregulierungen „in Betracht zu ziehen“ und
sich an Verhandlungen zu einer neuen UN-Steuerkonvention „konstruktiv zu
beteiligen“. Internationale Organisationen werden wiederholt „eingeladen“,
Maßnahmen zu überdenken.
Doch die geringe Verbindlichkeit ist nicht das einzige Problem – auch der
Inhalt der Abschlusserklärung bietet Anlass zur Kritik. Beispielsweise ist
das Dokument an vielen Stellen einem Entwicklungsparadigma verpflichtet,
das in privaten Investitionen nahezu ein Allheilmittel sieht. Die Rolle des
Staates wird primär darin gesehen, [2][private Investitionen zu
stimulieren] und mit dem gezielten Einsatz öffentlicher Gelder die
Attraktivität von Investitionsprojekten zu erhöhen, um just dafür mehr
privates Kapital einzusammeln. Die bisherigen Erfahrungen mit solchen
Instrumenten sind jedoch ernüchternd.
Ebenso reflektiert die Erklärung nicht ausreichend, dass nachhaltige
Entwicklung insgesamt globale Veränderungsprozesse erfordert – nicht
ausschließlich im Globalen Süden, sondern auch in den reichen Ländern. Das
betrifft sowohl ökologische Fragen als auch soziale Herausforderungen wie
Ungleichheit und den Umgang mit Geflüchteten.
## US-Regierung stimmte nicht zu
In der [3][derzeitigen geopolitischen Lage ist es indes schon ein Erfolg,
dass es überhaupt gelang, eine Abschlusserklärung im globalen Konsens zu
verabschieden]. Nur die US-Regierung stimmte der Erklärung nicht zu und
reiste am Ende gar nicht erst zur Konferenz an. In den vorhergehenden
Verhandlungsrunden hatten US-Vertreter*innen immer wieder Positionen
fundamental infrage gestellt, die bis vor Kurzem als globaler Konsens
galten, beispielsweise in Bezug auf die Klimakrise oder
Geschlechtergerechtigkeit.
Das Verhalten der USA zeigt, wie groß die Gefahr für die internationale
Zusammenarbeit ist, die vom Erstarken nationalistischer Bewegungen ausgeht.
Schließlich liegen rechtsradikale Parteien mittlerweile auch in vielen
europäischen Ländern in Umfragen vorn. Und selbst da, wo solche Parteien
nicht regieren, wird die Außen- und Entwicklungspolitik immer stärker auf
„nationale Interessen“ ausgerichtet.
Die globalen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, wird dadurch
deutlich schwerer. Argumente, die auf globale Gerechtigkeit, Schutz von
Menschenrechten, transnationale Solidarität, Bereitstellen globaler
öffentlicher Güter zielen, spielen kaum noch eine Rolle. Hoffnung auf den
[4][Kampf gegen globale Ungleichheiten und auf ein Eindämmen der
ökologischen Krisen] besteht wohl nur dann, wenn es gelingt, dem Erstarken
nationalistischen Denkens etwas entgegenzusetzen.
7 Jul 2025
## LINKS
[1] /UN-Entwicklungskonferenz-in-Sevilla/!6094805
[2] /UN-Entwicklungskonferenz-in-Sevilla/!6097566
[3] /UN-Entwicklungskonferenz-endet/!6094920
[4] /Konferenz-zur-Entwicklungsfinanzierung/!6097439
## AUTOREN
Sören Hilbrich
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