# taz.de -- Baustellen-Rekord in Neukölln: Umbau der Karl-Marx-Straße dauerte… | |
> Nach 15 Jahren Bauzeit kommen Passanten wieder ungehindert durch | |
> Nordneuköllns Hauptstraße. Fußgänger und Radfahrer haben nun außerdem | |
> mehr Platz. | |
Bild: Passant*innen am U-Bahnhof Karl-Marx-Straße in Berlin-Neukölln | |
Es gibt in Zeitungen ja diese Phrasen, die Journalist*innen lieber | |
vermeiden sollten, weil sie so abgegriffen sind. Aber manchmal passen sie | |
einfach, denn: Nicht schlecht staunte, wer am Wochenende auf der Neuköllner | |
Karl-Marx-Straße unterwegs war. Dort fehlten nämlich plötzlich die | |
rot-weißen Baustellen-Absperrungen, die bisher auf der zentralen | |
Verkehrsader von Nordneukölln an wechselnden Stellen den Verkehr | |
unterbrochen, umgeleitet oder verlangsamt hatten. | |
Und nicht schlecht staunte, wem dann auch noch der Algorithmus den | |
Instagram-Beitrag vom Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) in die | |
Timeline spülte: Neukölln habe wohl (mal wieder, sozusagen) [1][einen | |
Berlin-Rekord aufgestellt], sagt der SPD-Politiker in einem Video – einen | |
Rekord für die zeitlich längste Baustelle. Denn insgesamt habe der Bezirk | |
hier 15 Jahre gebaut. Alle, die vom Norden in den Süden wollten oder vom | |
Süden in den Norden, hätten sich seit weit mehr als einem Jahrzehnt daran | |
gewöhnt, die Karl-Marx-Straße zu meiden, weil sie eben in der ganzen Zeit | |
immer eine Baustelle war, sagt Hikel. Ganze Generationen seien mit dieser | |
Baustelle groß geworden, hätten ihren Führerschein mit ihr gemacht. „Wir | |
haben damit länger gebraucht, als es gedauert hat, den Flughafen BER zu | |
bauen“, ordnet Hikel ein. Zur Erinnerung: An dem Flughafen hatten | |
Brandenburg und Berlin 14 Jahre gebaut. | |
„Ich habe in der Zeit meine Ausbildung beendet, geheiratet und drei Kinder | |
bekommen“, schreibt eine Neuköllnerin in den Kommentaren zu dem Video, | |
garniert mir mehreren Smileys und Palmfaces. Ein anderer schreibt, dass er | |
Neukölln gar nicht ohne diese Baustelle kennt. Auch ich erinnere mich an | |
meinen ersten Arbeitsweg zur taz, im August 2015, da noch als Praktikantin. | |
„Also Karl-Marx-Straße und ich, wir werden keine Freunde“, hatte ich damals | |
gedacht und mir erst mal andere Routen über die Sonnenallee oder entlang | |
des Kanals von Neukölln nach Kreuzberg gesucht. | |
[2][Aber um die Karl-Marx kommt auf Dauer niemand herum]. Zuletzt war die | |
Straße nach Süden runter in einem Abschnitt für Autos und | |
Radfahrer*innen komplett gesperrt gewesen, und jeden Tag fuhr ich | |
wieder gedankenverloren vom Hermannplatz kommend genau die Strecke, die | |
mich dann zu komplizierten Umwegen zwang. | |
## U-Bahn-Tunnel mitsaniert | |
Gedauert hat es mit der Baustelle, weil sie nicht nur die Straße, sondern | |
auch die U-Bahn-Tunnel der darunterlaufenden U7 saniert und alle möglichen | |
Leitungen, Rohre und Kabel erneuert hätten, erklärt der | |
Bezirksbürgermeister. Und das bei laufendem Verkehr, auf und unter der | |
Straße. Rund 11 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, finanziert aus | |
Mitteln der Städtebauförderung „Aktive Zentren“. | |
Für die Fußgänger*innen und Radfahrer*innen ist dabei sogar mehr | |
Platz herausgesprungen: Die Autos haben eine Spur abgegeben, dafür gibt’s | |
nun einen durchgehenden Radstreifen und breitere Fußwege. Denn die | |
Karl-Marx-Straße ist nicht nur Verkehrsader, sie war in den 1920ern auch | |
mal eine sehr beliebte Einkaufsstraße [3][mit Traditionsgeschäften wie dem | |
1919 eröffneten (und Silvester 2017/18 abgebrannten) Musikhaus Bading]. | |
Hikel hofft, dass die Straße nun zum Flanieren einlädt, zum Essen, | |
Teetrinken und gegenseitiger Begegnung, dass die Gewerbetreibenden wieder | |
Geschäfte machen können, kurzum: dass „Neukölln nun sein Zentrum wieder | |
hat“. | |
Richtung Hermannplatz stehen an der westlichen Seite aber doch noch die | |
rot-weißen Absperrungen rund um kleinere Baugruben. Ab 2027 soll der | |
U-Bahn-Tunnel auch hier erneuert werden. So ganz ist Neukölln die Baustelle | |
also doch noch nicht los – und demnächst soll es außerdem mit dem Umbau am | |
Karl-Marx-Platz weitergehen. | |
Am 26. September will der Bezirk das jetzige Ende der Baustelle jedenfalls | |
erst mal feiern, mit einem großen Straßenfest. | |
14 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/ba_neukoelln_berlin/reel/DL-LfoSgPA5/ | |
[2] /Wandeln-auf-Karls-Pfaden/!5921863/ | |
[3] /Neukoellner-Traditionsladen/!5475353 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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