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# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Mit dem Taxi zur Abtreibung
> In Flensburg gibt es kein Krankenhaus mehr für Schwangerschaftsabbrüche.
> Die Stadt bezahlt nun Fahrten nach außerhalb. Verantwortlich sind FDP und
> CDU.
Bild: Der Paragraf 218 stellt Abtreibung grundsätzlich unter Strafe
Wegen der Fusion eines evangelischen und eines katholischen
Krankenhausträgers wird es ab 2026 nicht mehr möglich sein, in Flensburg
Schwangerschaftsabbrüche in einer Klinik vornehmen zu lassen. Die
100.000-Einwohner:innen-Stadt will deshalb [1][Fahrten zu Kliniken auswärts
bezahlen].
Das ist ein [2][Ergebnis eines jetzt nach sechs Jahren abgeschlossenen
Beratungsprozesses]. Das zweite: Ehrenamtliche „Abortion Buddies“ sollen
die Schwangeren unterstützen. Denn vor die medizinische Leistung hat der
Gesetzgeber bekanntlich diverse Hürden gestellt: Der Abbruch muss vor der
14. Schwangerschaftswoche nach Beratung stattfinden, nach der eine
dreitägige „Bedenkfrist“ einzuhalten ist. Ansonsten würde man wegen einer
Straftat verfolgt, die mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden
kann.
Weil es [3][in einigen Regionen in Deutschland noch nie] und in anderen
immer weniger Ärzt:innen gibt, die bereit sind, eine derart
kriminalisierte Tätigkeit auszuüben, kommt die Schwierigkeit hinzu, jemand
zu finden, der einer Person in dieser Notlage hilft. Dabei ist die
Situation in Flensburg im Vergleich mit katholisch geprägten Regionen im
Süden und Westen der Republik geradezu rosig: Es gibt mehrere Praxen, die
den medikamentösen Abbruch bis zum Ende der neunten Schwangerschaftswoche
anbieten sowie eine, die eine Schwangerschaft chirurgisch abbricht. Nur in
einer Klinik wird es keine Behandlung nach Beratungsregelung mehr geben,
was in Einzelfällen medizinisch notwendig sein kann.
Einen Shuttle-Service hatte vor vier Jahren auch ein [4][Paar aus einem
Bremer Vorort mit ihrem Privatwagen eingerichtet], um Frauen aus
Bremerhaven – knapp 120.000 Einwohner:innen – ins 65 Kilometer
entfernte Bremen zu fahren. Auch in anderen Orten hatte sich wie jetzt in
Flensburg aufgrund von Fusionen oder [5][Übernahmen katholischer] oder
[6][evangelischer Träger] diese schwangerenspezifische Gesundheitsfürsorge
verschlechtert. Und dann gibt es eben die Regionen, aus denen Menschen
immer schon lange Wege auf sich nehmen mussten, wenn sie eine
Schwangerschaft abbrechen wollten.
## Feiste Lüge
Verantwortlich dafür sind FDP und CDU, die beharrlich mit einer feisten
Lüge die Zustimmung zu einer Gesetzesänderung verweigern. Sie behaupten,
der Abtreibungsparagraf 218 schütze „das ungeborene Leben“, so wie es das
Grundgesetz vorschreibe. Letzteres bezweifeln [7][renommierte
Jurist:innen] und ersteres nachgewiesen haben die
Kriminalisierungsbefürworter noch nie. Stattdessen spricht einiges dafür,
dass eine Frau, die eine Schwangerschaft abbrechen will, dafür ihren Tod in
Kauf nimmt, wie in Deutschland bis in die 70er Jahre hinein geschehen und
heute in Staaten mit komplettem Abtreibungsverbot. Und würde das deutsche
Gesetz seinen „Schutzauftrag“ erfüllen, [8][hätte die Quote pro 10.000
Frauen] in den vergangenen vier Jahren nicht ansteigen dürfen.
So weit, so würdelos. Hoffnung macht, dass über das Thema überhaupt
diskutiert wird und das anhand wissenschaftlich validierter Fakten wie der
[9][Elsa-Studie], die die Versorgungslage untersuchte. Dank gebührt dafür
der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die 2017 ihren [10][Kampf gegen das
Informationsverbot] öffentlich gemacht hatte, und später ihren
Mitstreiter:innen und Unterstützer:innen.
Die Fakten beeinflussen die öffentliche Meinung: Es sei falsch, dass ein
Abbruch auch nach Beratung rechtswidrig ist, sagten 80,2 Prozent der
Befragten einer [11][repräsentativen Umfrage im Auftrag des
Bundesfamilienministeriums]. Gründe für eine Legalisierung lassen sich in
der aktuellen [12][Apotheken-Umschau] nachlesen.
12 Jul 2025
## LINKS
[1] /Klinik-verweigert-Abtreibungen/!6098579
[2] /Keine-Abtreibungen-in-Flensburger-Klinik/!5635523
[3] /Abtreibung-in-Deutschland/!5386152
[4] /Paragraf-218-verhindert-Loesungen/!5777253
[5] /Verbot-von-Schwangerschaftsabbruechen/!6091881
[6] /Kommentar-ueber-christliche-Klinikbetreiber/!5358493
[7] /Soziologe-ueber-AbtreibungsgegnerInnen/!6096111
[8] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangers…
[9] /Daphne-Hahn-zum-Stigma-der-Abtreibung/!6000665
[10] /Abschaffung-von-Paragraf-219a/!5863226
[11] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
[12] https://www.apotheken-umschau.de/familie/schwangerschaft/abtreibungen-waru…
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
wochentaz
Schwerpunkt Stadtland
Paragraf 218
Schwerpunkt Abtreibung
Flensburg
Ärzte
Lesestück Recherche und Reportage
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