Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Asylpolitik: Haftars Regime weist EU-Delegation aus
> Libyens Feldmarschall Haftar hat sich zur Schlüsselfigur der
> Flüchtlingsabwehr an der Südküste des Mittelmeers entwickelt. Jetzt
> spielt er mit Europa.
Bild: Mag Menschenrechte nicht besonders: Feldmarschall Haftar bei einem Treffe…
Tunis taz | Mit dem Rauswurf einer hochrangigen EU-Delegation hat der in
Ost- und Südlibyen regierende Feldmarschall General Chalifa Haftar die
EU-Migrationsstrategie am südlichen Mittelmeer ins Wanken gebracht. Am
Dienstag war der österreichische EU-Kommissar Markus Brunner mit Italiens
Innenminister Matteo Pientedosi und Diplomaten aus Malta und Griechenland
in die zweitgrößte libysche Stadt Bengasi gereist, wo der mächtige General
Haftar das Sagen hat. Gespräche über die in den letzten Wochen drastisch
gestiegene Zahl von Migrant:innen und Flüchtlingen aus Ostlibyen nach
Griechenland und Italien waren geplant.
Doch am Flughafen Benina standen nicht wie erwartet Offiziere der von
Haftar kommandierten Libyschen Nationalarmee (LNA), sondern Vertreter der
international nicht anerkannten libyschen Parallelregierung von Haftars
Gnaden unter Premier Osama Saad Hammad. Sie erklärten die völlig perplexen
europäischen Diplomaten zu unerwünschten Personen und schickten sie zurück
in ihren Flieger. Journalisten in Bengasi gehen davon aus, dass Hammad eine
Anerkennung als legitime Regierung einfordert.
Damit erhöht Haftar, seit Jahren der wichtigste militärische Gegenspieler
der international anerkannten Übergangsregierung Libyens in der Hauptstadt
Tripolis im Westen des Landes, den Druck auf die EU. Allein am letzten
Wochenende kamen auf Kreta mehr als 1.200 Migrant:innen und Flüchtlinge
an, seit Jahresbeginn sind es über 9.000, eine Steigerung im Vergleich zum
Vorjahr um 352 Prozent. Nun stoppten zwar die griechischen Behörden die
Registrierung, Dutzende Boote sind aber noch von der libyschen Küste aus
auf dem Weg nach Kreta.
Über eine Million Menschen sind aus dem Krieg in Sudan nach Libyen geflohen
und das Land beherbergt wohl ebenso viele Migrant:innen aus Westafrika,
die alle eigentlich nach Europa wollen. Griechenland will nun mit der
Küstenwache unter Haftars Kommando eng kooperieren, um Boote zu stoppen.
## Vom Paria zum Partner
Der 82-Jährige Haftar gilt zwar in Brüssel als mutmaßlicher
Kriegsverbrecher wegen seines jahrelangen Kampfes gegen Libyens wechselnde
Regierungen und seiner mehrjährigen Belagerung von Tripolis ab 2017. Doch
heute hat er sich vom Paria zum Partner gewandelt. Seine LNA hat im
vergangenen Jahr zahlreiche Abfahrten von den menschenleeren Stränden
Cyrenaikas unterbunden. Aber sie kann sie eben auch fahren lassen.
Am Ursprung des Schwenks der EU liegt die Katastrophe vom 14. Juni 2023,
als vor der griechischen Insel Pylos ein Fischerboot mit mehr als 700
Menschen an Bord sank. Nur 82 Leichen von Ägyptern, Palästinensern und
Pakistanern wurden geborgen. Viele weitere Boote sind auf der Route vom
libyschen Tiefseehafen Tobruk an die Küste Italiens spurlos verschwunden.
Die EU suchte daraufhin händeringend Partner in Nordafrika, um die Boote zu
stoppen.
Haftar legte den meist aus Ägypten kommenden Schmugglern das Handwerk und
wurde als Staatsgast in Rom empfangen, die mit seinen Gnaden operierende
ostlibysche Regierung wurde jedoch weiter ignoriert.
Haftar pflegt in den vergangenen Jahren zunehmend enge Beziehungen zu
Russland, aber seine einst im Kampf gegen radikale islamistische Milizen
wie Ansar Scharia und dem „Islamischen Staat“ (IS) aus lokalen Bürgerwehren
entstandene LNA verdankt ihre Stärke vor allem Waffenhilfe aus Ägypten,
Frankreich und den USA. Während die international anerkannte Regierung in
Tripolis von der Unterstützung durch Milizen abhängig ist, können Haftar
und sein Premier Hammad im Osten und Süden Libyens mit der LNA auf eine
klare direkte Befehlskette und eine straff organisierte Armee
zurückgreifen.
## Französische Soldaten waren an Belagerung beteiligt
„Die LNA ist in der zunehmend entstaatlichten Region von Bengasi bis nach
Mali wohl die am besten strukturierte Armee und daher unser naheliegender
Partner gegen radikale Gruppen und Migrationsströme“, sagt ein für eine
europäische Botschaft tätiger Sicherheitsexperte der taz. Er möchte anonym
bleiben, da solche Kooperationen informell eingefädelt werden. Französische
Soldaten waren offenbar an Haftars Belagerung von Tripolis 2017–20
beteiligt, mussten dann allerdings Hals über Kopf nach Tunesien fliehen.
Auch Transportmaschinen der US-Luftwaffe fliegen regelmäßig mit unbekannter
Fracht nach Bengasi.
11 Jul 2025
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Libyen
Chalifa Haftar
Asylpolitik
Geflüchtete
EU-Kommission
Griechenland
Entwicklungszusammenarbeit
Libyen
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU-Außengrenze: Griechenland will Geflüchtete inhaftieren
Die konservative Athener Regierung ergreift in der Asylpolitik harte
Maßnahmen. Und das offenbar mit rechtswidrigen Mitteln.
Ex-Foodwatch-Chef zu Entwicklungshilfe: „Ich war Teil der Zerstörung“
Am Beispiel Tunesiens zieht Ex-Foodwatch-Chef Thilo Bode eine ernüchternde
Bilanz der EU-Entwicklungszusammenarbeit. Auch aus eigener Erfahrung.
Kampf zwischen Milizen in Tripolis: Brandgefährliche Lage in Libyens Hauptstadt
Libyens Regierungschef Dbaiba sagte den übermächtigen Milizen in Tripolis
den Kampf an. Aber das schmiedet die Warlords gegen ihn nur mehr zusammen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.