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# taz.de -- Prozess gegen Lieferdienst Wolt: Immer diese Einzelfälle
> Der Lieferdienst Wolt ist in Berlin verklagt worden, weil ein
> „Flottenpartner“ einer Riderin keinen Lohn gezahlt hat.
Bild: Geschlossen gegen Lohnbetrug bei Lieferdiensten: Demonstration vor dem Ar…
Berlin taz | Der Saal 334 des Berlin Arbeitsgerichtes war gut gefüllt am
Donnerstag. Zahlreiche Gewerkschafter:innen, Vertreter:innen
migrantischer Selbstorganisationen und Ex-Beschäftigte der
Essenslieferdienste Wolt und Lieferando waren gekommen. Sie wollten der
ehemalige Kurierfahrerin Sharma zur Seite stehen, die das App-basierte
Unternehmen Wolt verklagt hat.
Die Riderin wirft einem Subunternehmen von Wolt und damit letztlich auch
Wolt selbst Lohnbetrug vor, ihr Anwalt spricht von systematischen
Vorgängen.
Zwischen November 2022 und Januar 2023 hatte S. im Auftrag eines anderen
Unternehmens für den Lieferservice gearbeitet. Der Lohn von weit über 3.000
Euro werde ihr bis heute vorenthalten, sagt S. Wolt hält dagegen und
bestreitet ein Arbeitsverhältnis. Stattdessen verweist das Unternehmen auf
eine IMOQX GmbH, über die S. das Essen ausgeliefert hat.
Dabei handele es sich jedoch nicht um ein Subunternehmen, sondern um einen
sogenannten Flottenpartner, der die Fahrer:innen selbst anstellt, wie
Wolt-Anwalt Nicolas Roggel erklärte. Er sieht seinen Mandanten damit auch
nicht in der Verantwortung. Der feine Unterschied zwischen einem
Flottenunternehmen und Subunternehmen besteht darin, dass Wolt – im Fall
von Subunternehmertum – haften müsste.
## Zweifel an der Seriosität des Wolt-Partners
Der Anwalt der Klägerin, Martin Bechert, bezweifelt die Seriosität des
Flottenpartners und wirft der Gegenseite die Zusammenarbeit mit
„Kriminellen“ vor. In einer gemeinsamen Führungsvereinbarung zwischen Wolt
und der IMOQX GmbH habe der Flottenpartner nur mit seinem Vornamen
unterschrieben, was „absolut unüblich“ sei, so Bechert. Dass seine
Mandantin zudem nichts von ihrer vermeintlichen Anstellung bei diesem
Flottenunternehmen gewusst habe, mache zudem die Undurchsichtigkeit des
Subunternehmer-Systems von Wolt deutlich. Bechert sagte, es sei „hart zu
sehen“, dass das Unternehmen keine Einsicht zeige.
Wolt-Anwalt Nicolas Roggel sieht das anders. Er sprach von einem
„funktionierenden System“ zwischen Wolt und seinen Flottenpartnern. Der
Vorwurf der Anklage, dass es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um
eine systematische Auslagerung von Verantwortung von Wolt an Subunternehmen
handelt, sei unberechtigt: „Wir drängen sicherlich niemanden in solche
Beschäftigungsverhältnisse. Das war ein aus dem Ruder gelaufener
Flottenpartner, der das nicht im Griff hatte.“
In der Tat erweckt das Unternehmen, in dessen Auftrag S. Essen für Wolt
auslieferte, einen dubiosen Anschein: Als S. im Oktober 2023 im Internet
ein Stellengesuch für Kurierfahrer:innen bei Wolt sah und sich
daraufhin mit einem Wolt-Mitarbeiter in Verbindung setzte, wurde sie zu
einem Handyladen an der Karl-Marx-Straße in Neukölln geschickt. Dort habe
sie ihre Stammdaten angegeben und Zugang zur Wolt-App erhalten. Einen
schriftlichen Arbeitsvertrag habe es nicht gegeben.
[1][Gegen einen Einzelfall sprechen auch Berichte aus dem Jahr 2023 von
über 100 Wolt-Lieferant:innen, die wie S. bei einem vermeintlichen
Flottenpartner angestellt waren] und um ihren Lohn betrogen worden sein
sollen. Die ausstehenden Zahlungen sollen sich seinerzeit auf insgesamt
rund 100.000 Euro belaufen haben.
Wie S., die aus Indien mit einem Studentenvisum nach Berlin kam,
[2][besitzen die meisten der Beschäftigten keinen deutschen Pass] und sind
aufgrund ihres rechtlichen Status besonders anfällig für prekäre
Arbeitsverhältnisse. [3][Dass bislang nur zwei weitere Angestellte
gerichtlich gegen das Lieferunternehmen vorgegangen sind], hängt nicht
zuletzt mit der Angst vor negativen Auswirkungen auf ihren Aufenthaltstitel
zusammen.
## Kein systematisches Vorgehen erkennbar?
Wolt selbst bot der Klägerin am Donnerstag vor Gericht eine Einigung über
2.000 Euro an. S. lehnte ab. „Meiner Mandantin geht es nicht nur um das
Geld, sondern vor allem um ein festes Arbeitsverhältnis“, erklärte
Arbeitsanwalt Bechert. Ihre Forderung lautet stattdessen: ein neues
Arbeitsverhältnis mit Wolt. Von der Gegenseite wurde dem eine Absage
erteilt: „Es kann kein neues Beschäftigungsverhältnis geben, da nie eines
bestanden hat.“
Nach einer halbstündigen Beratung verkündete der Richter das Urteil:
Aufgrund unzureichender materieller Beweislage, allen voran über das
Zustandekommen eines Arbeitsvertrages, könne sich kein Arbeitsverhältnis
zwischen Wolt und der Klägerin nachweisen lassen. Auch ein systematisches
Vorgehen lasse sich daraus nicht ableiten. Zudem hätte S. das
Einstellungsverfahren in einem Handyladen merkwürdig vorkommen müssen, da
sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt direkt bei Wolt angestellt war und
dort mit einem anderen Prozedere konfrontiert war.
Die breite Solidarisierung mit der Fahrerin machte indes deutlich, dass der
[4][Kampf für faire Arbeitsbedingungen bei Wolt] mit dem Urteil nicht enden
wird. Die Klägerin kann gegen das Urteil noch Berufung beim
Landesarbeitsgericht einlegen.
Anm. der Redaktion: In einer früheren Version kam es zu Verwechslungen
zwischen Zivil- und Strafrecht und Haftungsfragen. Wir haben uns
korrigiert.
20 Jun 2025
## LINKS
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[4] /Arbeitskampf-bei-Lieferdiensten/!6007539
## AUTOREN
Nina Schieben
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Tag der Arbeit / 1. Mai
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