# taz.de -- Sachbuchpreis für Zeichnerin Ulli Lust: Vulven und Alphamännchen | |
> Die Zeichnerin Ulli Lust gewinnt mit einem feministischen Comic den | |
> Deutschen Sachbuchpreis. Sie beginnt in der Steinzeit, Genderrollen zu | |
> befragen. | |
Bild: Die Preisträgerin Ulli Lust mit ihrem ausgezeichneten Buch „Die Frau a… | |
Am Morgen danach ist der Pressesprecher des Berliner Reprodukt-Verlags noch | |
ganz aus dem Häuschen: Die Graphic Novel „Die Frau als Mensch“ von der | |
österreichischen [1][Comiczeichnerin Ulli Lust] wurde am Dienstagabend mit | |
dem Deutschen Sachbuchpreis ausgezeichnet – als erste Comicarbeit in dieser | |
Kategorie. Eine ungewöhnliche Entscheidung, waren unter den acht | |
nominierten Titeln doch gestandene Politsachbücher zu Themen wie | |
Artensterben. Ausgezeichnet hat die Jury des Börsenvereins des Deutschen | |
Buchhandels aber ein feministisches Comic über die jüngere Steinzeit. | |
Ausgehend von paläolithischen Frauenfiguren, mit sichtbaren Brüsten und | |
Vulven, die nahezu in allen Erdteilen gefunden wurden, geht Lust der Frage | |
nach, ob unsere Vor- und Frühgeschichte nicht viel weiblicher geprägt war | |
als bisher angenommen. In zwölf Kapiteln tastet sie sich, zeichnerisch | |
anspruchsvoll und unterhaltsam im Ton, an eine neue Erzählung heran. | |
Streifzug durch die Geschichte | |
Sie streift dabei die kooperativ jagenden Wildbeutervölker in Botswana, | |
Knochenfunde von Kriegern, die bei näherer Betrachtung wohl eher | |
Kriegerinnen waren, und die Neandertaler, die arbeitsteiliger | |
zusammenlebten als bisher gedacht – bis hin zur heute omnipräsenten | |
Variante des sich selbstverständlich im Mittelpunkt der Geschichte | |
wähnenden Alphamännchens. Von dem, wenn er Kunstgeschichtsprofessor ist, | |
schon mal der Satz kommt, dass Männer in der Eiszeit wichtiger waren als | |
Frauen. Was Ulli Lust, die sich im Hörsaal mit Zornesfalten zeichnet, | |
kommentiert mit: „Das hat er wirklich so gesagt.“ | |
Kein klassisches Sachbuch also und doch gleichrangig mit den ebenfalls | |
nominierten fußnotengesättigten Analysen über die Rückkehr des Krieges oder | |
„digitalen Kolonialismus“. Auch Lusts Werk ist umfangreich recherchiert, | |
verbunden mit Betrachtungen über ihr Selbstverständnis als Mensch und als | |
Frau. | |
Diese Vielschichtigkeit und ein kluger Feminismus schienen auch in früheren | |
Büchern durch, etwa über ihre Jugend als Wiener Punk in [2][„Heute ist der | |
letzte Tag vom Rest deines Lebens“ (2009)]. In der Jury-Begründung heißt | |
es, Lusts Buch habe „das Genre des Sachbuchs … auf das Schönste erweitert�… | |
Eine Entscheidung, die, gerade, weil sie nicht das ästhetisch „andere“, | |
sondern explizit Lusts Themensetzung prämiert, schlüssig ist. | |
18 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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