# taz.de -- Künstler über Krise der Demokratie: „Dass wir sie lächerlich f… | |
> Weil wir sie nicht ernst nehmen, kann die AfD die Demokratie zerstören, | |
> sagt Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit. | |
Bild: Reichs- neben Bundeskanzler: Historischer Vergleich auf einer Demo in Ber… | |
taz: Herr Ruch, warum genügt es, die AfD beim Wort zu nehmen, um ihre | |
[1][Verfassungsfeindlichkeit] zu beweisen? | |
Philipp Ruch: Manche der AfD-Ankündigungen lesen sich urkomisch. Man will | |
einfach nur schreien. Beim genaueren Studium der NSDAP fiel mir aber auf: | |
Das war damals nicht anders. Die sind zum Schreien komisch. Das Problem ist | |
nur: Faschisten sind keine Comedians. Die meinen, was sie sagen. Während | |
der Nationalsozialismus ankündigte, was er vorhat, war dies für die meisten | |
eine große Quelle der Belustigung. Ja, war dann am Ende doch nicht ganz so | |
lustig. | |
taz: In Ihrem Buch ziehen Sie [2][Parallelen zur Situation am Ende der | |
Weimarer Republik], als sich die Menschen zum Teil nicht vorstellen | |
konnten, dass Witzfiguren wie Göring und Hitler die Macht erhalten. Gibt es | |
heute ähnliche Verdrängungsmechanismen? | |
Ruch: Es sind dieselben: [3][Wer kann sich diese grölenden, vulgären | |
AfD-Politiker mit Bierbauch als Justizminister vorstellen?] Wir müssen sie | |
uns als Bundesminister vorstellen. Dann wird klarer, warum die Nazis ihre | |
Obsessionen in eine Politik der Menschenjagd übersetzen konnten. Dass wir | |
sie lächerlich finden, schützt das politische Projekt der AfD: die | |
Zerstörung der Demokratie. | |
taz: Anderseits schreiben Sie, dass damals der Widerstand gegen die Feinde | |
der Demokratie stärker war. | |
Ruch: Mein Lieblingsbeispiel ist der bayerische Innenminister Karl Stützel, | |
ein unbesungener Held der wehrhaften Demokratie. Stützel hat als | |
Innenminister gegen Hitler angekündigt: „Verlassen Sie sich darauf, gegen | |
die Nazis werden wir schießen, wenn es eines Tages erforderlich sein | |
wird.“ Dagegen ist unser heutiger [4][Innenminister Dobrindt] ein Zwerg. | |
Die Weimarer Republik hat die NSDAP militanter bekämpft als unser Staat | |
heute die AfD. Wir sind gegen die AfD regelrecht handzahm. | |
taz: Und die bürgerlichen Kräfte nehmen die Gefahr auch darum nicht ernst, | |
weil nicht sie, sondern Minderheiten angegriffen werden – ganz wie damals? | |
Ruch: Absolut. Die NSDAP hat mit einem militanten Antimarxismus sehr viele | |
Stimmen geholt. Damit waren übrigens weniger Kommunisten als die SPD | |
gemeint. Da dachte sich das bürgerliche Lager: Wunderbar, wie die der | |
Arbeiterpartei SPD auf die Mütze geben. Es hat gar nicht bemerkt, dass es | |
selbst als Nächstes an der Reihe ist. | |
taz: Sie schreiben auch über das antidemokratische Verhalten von | |
AfDler*innen in den Parlamenten. Was meinen Sie? | |
Ruch: Die AfD schickt dieselbe Sorte Mensch in die Parlamente wie die | |
NSDAP: Irre, Proleten, Schreihälse, absolut Ungebildete, Straftäter. In | |
Karlsruhe sitzt seit zwei Jahren [5][eine gewählte | |
AfD-Bundestagsabgeordnete als Anführerin einer Terrorgruppe] im Gefängnis, | |
die mit ihren Komplizen die Stellen im Bundestagsgebäude ausgekundschaftet | |
hatte, von denen aus sie einen Putsch organisieren wollten. Wir sind 2021 | |
einer gewaltsamen Machtübernahme durch die AfD näher gewesen, als wir alle | |
denken. Der Generalbundesanwalt fand das gar nicht lustig. Der führt, von | |
der Öffentlichkeit ignoriert, die größten Massenprozesse gegen eine | |
Terrorgruppe seit der RAF. | |
taz: Sie werfen der bürgerlichen Gesellschaft Bequemlichkeit angesichts der | |
Gefahr durch die AfD vor. Was meinen Sie damit? | |
Ruch: Merz und Dobrindt halten die AfD für nützliche extremistische | |
Idioten, mit denen sie die politischen Gegner, vor allem SPD und Grüne, | |
einschüchtern können. Das ist exakt die Strategie des bürgerlichen Lagers | |
ab 1930. Sie hat die Welt in den Holocaust geführt. | |
taz: Und [6][dass die SPD ein AfD-Verbotsverfahren prüfen will], ist kein | |
Schritt in die richtige Richtung? | |
Ruch: Das sind Theaterveranstaltungen, um uns ruhig zu halten. Es kommt bei | |
der AfD genau wie bei der NSDAP darauf an, die Unruhe zu bewahren. Schon | |
nächstes Jahr wird die Partei voraussichtlich den ersten | |
Ministerpräsidenten stellen. Dem Land ist noch gar nicht klar, was das | |
bedeutet. Es wird alles verändern – zum Negativen. | |
5 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Was-steht-im-AfD-Gutachten/!6087894 | |
[2] /Jens-Bisky-ueber-historische-Vergleiche/!6066678 | |
[3] /AfD-mit-Helferich-und-Krah/!6068620 | |
[4] /Politisch-motivierte-Kriminalitaet/!6085979 | |
[5] /Prozess-gegen-Reichsbuerger-um-Prinz-Reuss/!6044191 | |
[6] /Streit-um-AfD-Verbot/!6094778 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD | |
NSDAP | |
Zentrum für Politische Schönheit | |
Krise der Demokratie | |
Rechtsruck | |
Social-Auswahl | |
Kolumne Der rechte Rand | |
Schwerpunkt Jürgen Elsässer | |
Schwerpunkt AfD | |
Weimarer Republik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Parteitag in Schleswig-Holstein: Wieso die AfD den Verfassungsschutz zu geheim … | |
Trotz enger Verbindungen in die rechtsextreme Szene beobachtet | |
Schleswig-Holsteins Verfassungsschutz den AfD-Landesverband nicht. | |
Nach Compact-Verbot: Jetzt erst recht | |
Das gekippte Compact-Verbot beweist, dass die Bemühungen um ein AfD-Verbot | |
sinnlos wären? Im Gegenteil: Es liefert umso mehr Argumente dafür. | |
Zentrum für Politische Schönheit: Fremdgehen verboten | |
Ein Banner des Zentrums für Politische Schönheit am Berliner Gorki-Theater | |
wurde von der Polizei entfernt. Politiker kritisieren das als | |
rechtswidrig. | |
Jens Bisky über historische Vergleiche: Wie Weimar ist die Gegenwart? | |
Auf Demos und im Bundestag wird vor Verhältnissen wie kurz vor 1933 | |
gewarnt. Aber was bringt der Vergleich? Fragen an den Weimar-Experten Jens | |
Bisky. |