| # taz.de -- Kinotipp der Woche: Grenzenloser Jazz | |
| > Die Reihe „Jazz Films in the Summer“ im Bundesplatz-Kino zeigt starke | |
| > Dokus und Spielfilme, die auch die politische Geschichte des Genres | |
| > beleuchten. | |
| Bild: Eröffnet die Filmreihe: Die Doku „Jazz on a Summer's Day“ (Regie: Be… | |
| Natürlich muss eine Reihe mit Jazz-Filmen, wie sie nun zwei Monate lang im | |
| [1][Bundesplatz-Kino] läuft, mit dem Überklassiker „Jazz on a summer´s day… | |
| (1959) beginnen. Von Anfang Juli bis Ende August wird hier jeden | |
| Sonntagabend ein Film zum Thema Jazz gezeigt. Man kann sich gut vorstellen, | |
| wie das gedacht ist: Erst abhängen am Badesee an einem herrlichen | |
| Sommertag, später dann abkühlen bei cooler Musik im Kinosaal. | |
| Und genau zu diesem Vibe passt nunmal kein Film besser als „Jazz on a | |
| summer´s day“, der das viertägige Newport Jazz Festival von 1958 in dieser | |
| bahnbrechenden Dokumentation zusammengefasst hat. Das Wetter war sagenhaft | |
| damals in dem Küstenstädtchen Newport, die Stimmung phantastisch und die | |
| künstlerischen Darbietungen vom Allerfeinsten. Wie herrlich entspannend | |
| dieser Jazz doch ist. | |
| Der Film, mit dem die Reihe im Bundesplatz-Kino nicht nur beginnt, sondern | |
| auch endet, führt aber ein wenig in die Irre, weil Jazz zumindest damals | |
| auch für ganz andere Dinge stand, die dafür ausgiebig in den anderen Spiel- | |
| und Dokumentarfilmen behandelt werden, die das Bundesplatz-Kino nun zeigt. | |
| Egal, ob in den Portraits von Charlie Parker („Bird“, 1987), Billy Holiday | |
| („The United States vs. Billy Holiday“, 2021) oder Chet Baker („Born to be | |
| blue“, 2015): Immer geht es hier auch um krasse Abstürze, absolutes | |
| Drogenelend und beißenden Rassismus. Jazz war und ist eben nicht nur eine | |
| sanfte Brise, die ein interessiertes Publikum selig macht, wie er in „Jazz | |
| on a summer´s day“ wirkt, sondern meist eine strapaziöse Angelegenheit für | |
| viele seiner Protagonisten. | |
| Die sozialkritische Dimension anderer Jazz-Filme mag „Jazz on a summer´s | |
| day“ fehlen, nichtsdestotrotz wird auch bei erneuter Sichtung klar, warum | |
| er zu so einem derart beliebten Musikfilm geworden ist. Einmal ist es | |
| schlicht umwerfend, Giganten wie Thelonious Monk, Eric Dolphy und Sonny | |
| Stitt bei der Verrichtung ihrer Arbeit auf einer Freiluftbühne zusehen zu | |
| dürfen. | |
| Da die Regisseure des Films, Aram Avakian und Bert Stern, aber sichtbar | |
| mehr im Sinn hatten, als bloß großartige Auftritte großartiger Musiker und | |
| Musikerinnen abzufilmen, wird die dargebotene Musik Dank des Einsatzes | |
| allerlei filmischer Mittel auf eine ganz besondere Weise erlebbar. | |
| Mindestens so wichtig wie das, was auf der Bühne geschah, war den beiden | |
| Dokumentarfilmern eben auch das ganze Drumherum bei solch einem | |
| Jazzfestival. Immer wieder werden die Bilder einer Segelregatta dazwischen | |
| geschnitten, die zeitgleich zu dem Festival gerade stattfand. Das wirkt | |
| zwar auf Dauer auch klischeehaft, ist aber wenigstens mal ein anderes | |
| Klischee als das vom ewigen Jazzkeller. Dann die Reaktionen des Publikums: | |
| Erstaunte Blicke, als Jimmy Giuffrie seiner Klarinette diese sanften Töne | |
| entlockt, pure Ekstase dagegen, als Louis Armstrong die Backen bläht, in | |
| sein Horn bläst und sich auf seiner Stirn die ersten Schweißtropfen bilden. | |
| Der Jazz wird hier als Kulturform zelebriert, der die Menschen | |
| zusammenbringt. Die Weißen und die Schwarzen in ihren Bands, die Hipster, | |
| Beatniks und einfach nur Neugierigen im Publikum. Er weckt Emotionen und | |
| bringt die Leute dazu, mit den Fingern zu schnippen, sich zu küssen oder | |
| vor Erstaunen einfach nur baff zu sein. Der Jazz, der in seiner langen | |
| Entwicklung mit so viel Elend und grausamer Diskriminierung zu kämpfen | |
| hatte, trägt auch etwas Utopisches in sich, davon sind die Macher dieses | |
| Films absolut überzeugt. Und sie hatten ja recht. Jazz versöhnt und spaltet | |
| nicht, Jazz überwindet Grenzen. Und AfD-Wähler hören keinen Jazz. | |
| 3 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.bundesplatz-kino.de/film.php?mid=4700 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
| ## TAGS | |
| taz Plan | |
| Kino Berlin | |
| Jazz | |
| Dokumentarfilm | |
| Musikgeschichte | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| Black Atlantic | |
| Neues Album | |
| taz Plan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kinotipp der Woche: Auf die Leinwand gehext | |
| Das Odeon zelebriert die Kreaturen der Nacht. Zur „Witches Edition“ gibt es | |
| „The Witches of Eastwick“ und den schwedischen Kultstreifen „Häxan“. | |
| Konzertempfehlungen für Berlin: Heldinnische Klänge | |
| Die Heroinen elektronischer Tonkunst sind zurück, inklusive Traumforschung | |
| und Schlafkonzert. In der Galiläakirche trifft Filmmusik auf Noise und | |
| Impro. | |
| Neues Album von Mourning [A] BLKstar: Die verbindende Kraft des Funk | |
| Das Kollektiv Mourning [A] BLKstar mischt Gospel mit Blues, Jazz mit | |
| HipHop, Funk mit Elektronik. Ihre Musik klingt zeitlos und zukünftig | |
| zugleich. | |
| Afrikanisches Jazzalbum über New Orleans: Vom Mischen der Zutaten | |
| Der senegalesische Musiker Alune Wade denkt mit seinem Album „New African | |
| Orleans“ von Westafrika aus laut über die US-Jazzmetropole New Orleans | |
| nach. | |
| Kinotipp der Woche: Auf den B-Seiten | |
| Vielschichtige Dokus: Das Dokumentar- und Medienfestival Dokumentale steigt | |
| in 18 Kinos und Spielstätten, darunter auch Yaam und Club Tresor. |