| # taz.de -- Steueroase beim EM-Gastgeber: Schweizer Sportparadies | |
| > Die Frauen-EM findet in der Schweiz statt – im Machtzentrum des | |
| > Weltsports. Die Zeiten der Narrenfreiheit für die Verbände scheinen aber | |
| > vorbei. | |
| Bild: Schön und steuergünstig gelegen: die Uefa-Zentrale am Genfer See | |
| Berlin taz | Wenn die deutschen Kickerinnen in die Schweiz reisen, lässt | |
| sich getrost formulieren, dass sie im Machtzentrum des Weltsports | |
| gastieren. Rund 60 internationale Sportverbände haben ihren Sitz in der | |
| Schweiz, darunter die dicken Schiffe IOC, Fifa und Uefa. Das IOC residiert | |
| in einem futuristischen Prunkbau in Lausanne, die Fifa in einer eher | |
| bunkerartigen Bond-Bösewicht-Zentrale in Zürich und die Uefa in Nyon, | |
| gleich in Nachbarschaft zum IOC am Genfersee. Drumherum gruppieren sich | |
| etliche kleinere Verbände olympischer Sportarten wie Turnen, Radsport, | |
| Rudern oder Tischtennis. Lausanne hat mit allein 40 internationalen | |
| Sportverbänden und 15 Sportorganisationen, darunter dem Sportgerichtshof | |
| CAS, die höchste Dichte weltweit. Wieso bloß? | |
| Für den Erfolg der Schweiz gibt es natürlich ein offenes Geheimnis: | |
| [1][Steuern und Korruption]. Man geht sehr großzügig mit den | |
| internationalen Sportverbänden um. So gibt es nur rund zwanzig | |
| Gesetzesartikel, die sich überhaupt auf Sport-Hauptsitze beziehen, viele | |
| davon sind nicht obligatorisch. In der Schweiz werden Fifa, Uefa und Co. | |
| juristisch als gemeinnützige Vereine statt als Unternehmen behandelt, also | |
| wie ein Kaninchenzüchterverein. Und genauso versteuern sie auch. | |
| Ein [2][Bericht des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)] von 2024 hält | |
| fest, dass die Fifa selbst im Männer-WM-Jahr 2022 nur etwas über 20 | |
| Millionen Franken Steuern entrichten musste. Demgegenüber stehe ein | |
| Reingewinn von mehr als 1 Milliarde Franken zwischen 2019 und 2022. Die | |
| Verbände müssen keine Bücher führen und keine Abschlüsse veröffentlichen, | |
| auch das ist sehr praktisch. Privatbestechung war bis 2016 nicht einmal | |
| illegal. | |
| Was die Schweiz davon hat? Da ist man sich nicht so einig. Materiell | |
| profitiert sie trotz des niedrigen Steuersatzes ordentlich. Eine Studie aus | |
| dem Jahr 2021 postulierte, dass die Schweiz durch die internationalen | |
| Sportverbände zwischen 2014 und 2019 jährlich 1,68 Milliarden Franken | |
| eingenommen habe. Das berechnet sich vor allem aus Ausgaben der | |
| Angestellten vor Ort, Geschäftstourismus wie Hotelübernachtungen, | |
| lukrativen Aufträgen an die Baubranche und eben dann doch Steuern. | |
| ## Profite höchst ungleich verteilt | |
| Allerdings sind diese Profite höchst ungleich verteilt; so gehen allein 550 | |
| Millionen jährlich an den Bezirk Lausanne, also gut ein Drittel aller | |
| Einnahmen. Hinzu kommen diplomatische und politische Vorzüge. In Umfragen | |
| hält eine Mehrheit der Schweizer:innen die Anwesenheit großer | |
| Sportverbände für wichtig. Dennoch gibt es auch Kritik am Hofieren der | |
| Korrumpels, deren Ausgaben vor allem Luxushotels und Prunkbauten | |
| zugutekommen. | |
| Trotz allem ist der schnöde Mammon nicht das einzige Motiv, denn | |
| Steuererleichterungen würden gewiss auch andere Staaten bieten. Es lebt | |
| sich einfach auch gut als Verband in der Schweiz. Als das IOC 1915 als | |
| erster großer Verband nach Lausanne zog, zählten zu seinen Argumenten die | |
| verkehrsgünstige Lage der Schweiz, die [3][außenpolitische Neutralität] und | |
| die hohe innere Stabilität. Kriege, Revolutionen oder Putsche sind hier | |
| nicht wirklich zu befürchten. Die anderen olympischen Verbände zogen vor | |
| allem hinterher, um einen engeren Draht zum allmächtigen IOC und bessere | |
| Karten als olympische Sportart zu haben. Die finanzielle Abhängigkeit hat | |
| noch in den letzten Jahrzehnten immer mehr Verbände nach Lausanne geführt. | |
| ## Fußball und Schweiz eng verflochten | |
| Der internationale Fußball, ein vom IOC recht unabhängiger Betrieb, hat | |
| ebenfalls schnell in die Schweiz gefunden: Die Uefa wurde gleich dort | |
| gegründet, die Fifa zog 1932 aus Paris her. Denn Fußball und Schweiz waren | |
| früh eng verflochten. Der Historiker Simon Engel vom Schweizerischen | |
| Nationalmuseum [4][hat aufgedröselt], wie der Fußball bemerkenswert früh in | |
| die Schweiz kam. Das lag vor allem an engen wirtschaftlichen Verbindungen | |
| mit Großbritannien. | |
| Bereits ab 1853 lässt sich der moderne Männerfußball nachweisen, also kaum | |
| später als in England. In Deutschland fand das erste Spiel wohl gut zwanzig | |
| Jahre später statt. Klubnamen wie die Young Boys Bern oder Grasshoppers | |
| Zürich künden bis heute vom englischen Einfluss. Simon Engel schreibt, dass | |
| auch das politische und wirtschaftliche Klima in der Schweiz für den | |
| Fußball günstig gewesen sei. Die Industrialisierung war relativ weit | |
| fortgeschritten. „Das industrielle Zeitalter brachte eine junge und | |
| aufstrebende Gesellschaftsschicht hervor, die für Freihandel, | |
| Kosmopolitismus sowie Wettbewerb einstand und diese Werte auch im Fußball | |
| erfüllt sah.“ | |
| ## Vorsprung wird Standortvorteil | |
| Der zeitliche und gesellschaftliche Vorsprung wurde zum Standortvorteil für | |
| die Schweiz. Nicht nur gründeten zahlreiche Schweizer Pioniere in Südeuropa | |
| Fußballklubs, darunter den FC Barcelona, sie erteilten auch Kollegen etwa | |
| aus Frankreich, Deutschland und Bulgarien Fußballnachhilfe. So wurde die | |
| Schweiz zu einem frühen Hotspot des europäischen Fußballs. Und beinahe | |
| logisch zu seiner Verwaltungszentrale. | |
| Der romantische Höhepunkt der Ehe zwischen Fußballverbänden und der Schweiz | |
| scheint allerdings mittlerweile überschritten. Nach dem [5][Machtkampf | |
| zwischen Fifa und US-Justiz] – festgehalten auf dem ikonischen Foto von | |
| Fifa-Funktionären, die in einem Schweizer Nobelhotel 2015 hinter dem Schutz | |
| eines Betttuchs verhaftet wurden – sah sich die staatliche Justiz | |
| gezwungen, ganz sanft die Schrauben anzuziehen. Korruption in | |
| Sportverbänden ist nun auch in der Schweiz eine Straftat, und die | |
| Funktionär:innen werden als politisch exponierte Personen (PEP) | |
| kontrolliert, wenn auch nicht besonders engagiert. „Wenn sich weiterhin | |
| falsche und irreführende Behauptungen gegen die Fifa richten, denken unsere | |
| Mitgliedsverbände möglicherweise, dass wir in Zürich nicht willkommen | |
| sind“, teilte der Weltverband verschnupft mit. | |
| 2024 hat die Fifa sich mit einer Statutenänderung selbst einen Wegzug aus | |
| Zürich ermöglicht; Büros unterhält sie längst auch etwa in Paris, Miami, | |
| Jakarta und Singapur. In der Schweiz sorgte das kurz für Schnappatmung. | |
| Gerüchte über einen Umzug der Hauptzentrale nach Saudi-Arabien machten | |
| die Runde. Möglich, dass das im Zuge der weltweiten Machtverschiebungen | |
| auch so kommt. Möglich aber auch, dass es sich nur um einen Warnschuss | |
| handelte: Wenn eure Hand eines Tages nicht mehr die unsere wäscht, sind wir | |
| weg. | |
| 28 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berichte-ueber-Schweizer-Grossbank/!5836429 | |
| [2] https://www.srf.ch/news/wirtschaft/prestige-statt-geldfrage-finanziell-waer… | |
| [3] /Friedenskonferenz-in-der-Schweiz/!6012997 | |
| [4] https://blog.nationalmuseum.ch/2023/04/fussballverband/ | |
| [5] /Razzia-im-Fifa-Hotel/!5201265 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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