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# taz.de -- Frauenfußball vor der EM in der Schweiz: Revolutionär, feministis…
> Der Frauenfußball wächst und wächst. Wachstum scheint auch der einzige
> Maßstab, andere Themen werden übersehen.
Bild: Fußballkunst an einem Kreisverkehr in Luzern
Es ist kein leichter Start gewesen für die EM der Frauen. Kurz vor
Turnierbeginn hat die Öffentlichkeit wohl vor allem zwei Dinge mitbekommen:
Dass die Schweizerinnen [1][in einem Test 1:7 gegen U15-Jungs verloren
haben]. Und dass Fußball-Influencerin Alisha Lehmann trotz überschaubarer
Fähigkeiten dabei sein darf. Zwei misogyne Hate-Wellen haben den
Frauenfußball da getroffen.
[2][Und dann ist da noch die Konkurrenz durch die Klub-WM der Männer.] Wenn
Nationalspielerin Laura Freigang also kürzlich der Sports Illustrated
sagte: „Wir müssen nicht mehr um Aufmerksamkeit kämpfen“, dann stimmt das
nicht. Im immer volleren Sportkalender und auf den entfesselt misogynen
Social-Media-Plattformen muss der Frauenfußball kämpfen wie eh und je.
Doch ist ihm das in den vergangenen Jahren bemerkenswert gelungen. Laut
Sportrechtevermarkter Sportfive war der Frauenfußball 2024 für 45 Prozent
aller weltweiten Einnahmen im Frauensport verantwortlich. Seit 2021 ist
die Frauensportindustrie insgesamt um 300 Prozent gewachsen – der
europäische Männerfußballmarkt dagegen um läppische 24 Prozent.
Frauensport ist jetzt eine Boombranche. Und für Verbände wie die Uefa ist
er die Cola Zero zu ihrer Coca Cola, ein neues Produkt für eine neue Crowd
– in diesem Fall jünger, weiblicher, queerer. Die Sportmarketingagentur Two
Circles verzeichnet 2023/24 ein durchschnittliches Publikumswachstum von 24
Prozent in den Top-4-Frauenfußballligen Europas. Getragen wird das nicht
wie früher nur von den Spitzenteams, sondern in der Breite, samt langsamem
Umzug in die großen Stadien. Was da gerade passiert, ist nicht nur eine
kommerzielle, sondern wirklich eine feministische Revolution.
## Der bessere Fußball?
Der Frauenfußball beginnt, seine Historie selbstbestimmt zu erforschen und
erzählen. Und Teams wie Angel City und OL Lyonnes stehen an der Spitze
einer Bewegung, die auch die Strukturen ändern will: Mit eigenen
Trainingszentren, Infrastruktur für Mütter, unabhängiger Vermarktung und
weiblichen Investorinnen. Der bessere Fußball? Manchmal, ja.
Die Hoffnung auf einen auch wirtschaftlich progressiven Frauenfußball ist
derweil mausetot. Der große Maßstab sind stets Wachstum und Investment, als
sei es 1990; Nachhaltigkeit oder feministische Sportkritik spielen keine
Rolle. Stattdessen Milliardärinnen und Multiclub-Ownership, immer
aufgeblähtere Spielpläne, eine immer größere ökonomische Kluft in der
Branche und bald wohl zur Gesellschaft. Auch Frauenfußball ist halt nur
Fußball.
Auch ökonomisch ist dabei nicht alles Gold, was glänzt. Die Postergirls von
der englischen WSL verloren 2024/25 rund 35 Prozent ihres TV-Publikums. Die
englische Liga, aber auch viele andere, bleiben stark vom Erfolg der
heimischen Nationalteams und der Strahlkraft eines Großturniers abhängig.
So sorgte Englands EM 2022 in Europa für einen riesigen Boom, die weit
entfernte WM 2023 in Australien dagegen nicht für mehr als ein laues
Lüftchen.
Und während in den USA und England beeindruckend viele Fans in die Stadien
strömen, kommen bei den Spitzenligen Spaniens und Frankreichs maue 1.500
Zuschauer:innen pro Partie. Auch die Großturniere bleiben ein
Minusgeschäft, in der Schweiz subventioniert die Uefa mit 32 Millionen
Euro.
## Vollprofiligen und Kreisligabedingungen
So hängt die Entwicklung vieler Ligen wieder einmal davon ab, wie diese EM
läuft. Da sieht es erst mal gut aus. Die Uefa hat fast alle Eintrittskarten
verkauft – ein Rekord. Bemerkenswert ist das gerade auf dem schwierigen
Schweizer Markt mit seiner Amateurinnenliga. 35 Prozent der Fans sollen aus
dem Ausland anreisen, auch das ist neu. Und sportlich schließen sich immer
mehr Lücken. Mit Spanien, Frankreich, England und Deutschland rivalisiert
gleich ein Quartett um den Titel.
In Italien, Portugal oder Polen, gerade im lange vernachlässigten Süd- und
Osteuropa, tut sich viel. Aber auch das gehört zu diesem Turnier hinzu:
Dass hier Länder mit Vollprofiligen gegen solche mit Kreisligabedingungen
antreten. Dass es gegen krasse Außenseiterinnen wie Wales oder Finnland
vielleicht wieder hohe Klatschen setzt. Aber [3][wer die alten Zeiten
erlebt hat], die gar nicht so lange her sind, für den fühlt sich die
athletische und viel egalitärere Post-2022-Welt des Frauenfußballs geradezu
surreal an.
Man hat sich an den Männerfußball angenähert, in jeder Hinsicht. So gibt es
bei der EM wohl erstmals ein großes Influencer-Phänomen: Was drüben
Cristiano Ronaldo ist, dürfte hier [4][Alisha Lehmann] werden. Die
weltberühmteste Fußballerin, die gar nicht für Fußball berühmt ist. Was
TikTok und Insta wohl mit der Hierarchie auf dem Platz machen?
Dort wächst er jedenfalls kräftig, der Frauenfußball. Und alle wünschen
sich, dass er weiter wächst. Wachstum ist die einzige Utopie, die dieses
Zeitalter kennt. Zu wünschen wäre diesem Turnier aber auch, dass es –
anders als die vom [5][Rubiales-Übergriff] überschattete WM 2023 – für
großen Fußball in Erinnerung bleibt.
1 Jul 2025
## LINKS
[1] /Schweizer-Frauen-gegen-U15-Jungsteam/!6094470
[2] /Fussball-in-der-Fussballpause/!6092621
[3] /Geschichte-des-Frauenfussballs/!6093159
[4] /Fussball-Influencerin-Alisha-Lehmann/!6096752
[5] /Urteil-gegen-Ex-Fussballpraesident/!6071020
## AUTOREN
Alina Schwermer
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