| # taz.de -- Urteil zu Gaza-Protest: Eine Frage als Holocaust-Verharmlosung | |
| > Eine Berlinerin fragte mit Bezug auf Gaza „Haben wir aus dem Holocaust | |
| > nichts gelernt?“. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte sie dafür | |
| > zu einer Geldstrafe. | |
| Bild: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat ein „offenkundiges Ungleichgewich… | |
| FREIBURG taz | Die Frage „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ ist | |
| im Kontext des Gaza-Kriegs eine Straftat, sie verharmlose den Holocaust. Zu | |
| diesem Schluss kam das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Ende April. Jetzt | |
| liegt der taz die Begründung des Urteils vor. | |
| Es geht um eine Protestaktion am 3. November 2023, also rund einen Monat | |
| nach dem [1][Hamas-Überfall auf Israel]. Eine damals 30-jährige Frau, | |
| deutsche Staatsbürgerin, stellte sich ganz allein mit zwei Plakaten vor das | |
| Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Auf dem oberen Plakat, das sie in die Höhe | |
| hielt, stand „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ Um ihren Hals | |
| hing ein zweites Plakat: „NEIN Zu der Ermordung von derzeit 8500 Zivilisten | |
| in Gaza“. | |
| Polizisten schritten ein und stellten die Plakate sicher. Die | |
| Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Volksverhetzung nach Paragraf 130 | |
| des Strafgesetzbuchs. Nach diesem Paragrafen ist seit 1994 auch die | |
| [2][Leugnung, Billigung und Verharmlosung der NS-Verbrechen strafbar]. Es | |
| droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. | |
| Die Frau, die anonym bleiben möchte, erschien bei Gericht mit drei | |
| Verteidiger:innen und wies den Vorwurf der Verharmlosung des Holocaust | |
| zurück. Vielmehr habe sie mit Bezug auf die deutsche Geschichte „auf | |
| aktuelle Menschenrechtsverbrechen“ und die deutsche Untätigkeit hierbei | |
| aufmerksam machen wollten. | |
| Der Amtsrichter verurteilte sie dennoch zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 | |
| Tagessätzen á 30 Euro, also 1500 Euro. In der jetzt vorliegenden knappen | |
| Begründung heißt es, sie habe damit „ausdrücklich und unmissverständlich�… | |
| das Schicksal von etwa sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens und | |
| anderer Opfer, die unter der NS-Herrschaft „jahrelang industriell | |
| deportiert und gezielt minutiös organisiert vernichtet wurden“, mit der | |
| Reaktion Israels auf den kriegerischen Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 | |
| „zum Nachteil der etwa 8.500 Zivilisten in Gaza“ gleichgesetzt. | |
| Durch „das offenkundige Ungleichgewicht“ habe die Angeklagte, „die Art, d… | |
| Ausmaß und die Folgen der Unterdrückung, der Gewalt und der massenhaft | |
| industriellen Ermordung“ der NS-Opfer „verharmlost“. Diese Verharmlosung | |
| habe die Frau trotz eines „inneren Vorbehalts“ „billigend in Kauf | |
| genommen“. Weil sie die Aktion vor dem Bundestag durchführte, habe sie auch | |
| eine „abstrakte Gefahr der Störung des öffentlichen Friedens“ verursacht. | |
| (Az.: 227 Cs 1077/24) | |
| In einem (pseudonymisierten) Interview mit der linken Tageszeitung „junge | |
| weit“ erklärte die Aktivistin, dass sie das Urteil nicht akzeptiere. Sie | |
| wird wohl Rechtsmittel einlegen. | |
| Die deutschen Strafgerichte halten Gleichsetzungen mit dem Holocaust jedoch | |
| schnell für strafbar. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) erst im Februar | |
| entschieden, dass ein Impfgegner zurecht wegen Verharmlosung von | |
| NS-Verbrechen zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil er einen „Impfen | |
| macht frei“-Cartoon verbreitet hat; eine offensichtliche Anspielung auf das | |
| KZ Auschwitz, an dessen Tor „Arbeit macht frei“ stand. Der Holocaust, so | |
| der BGH damals, dürfe nicht zu einem „austauschbaren Vergleichsobjekt für | |
| unliebsame und als belastend empfundene Maßnahmen“ werden. (Az.: 3 StR | |
| 468/24) | |
| 14 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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