| # taz.de -- Klingbeil stellt Haushaltsentwurf vor: Abschied von der Null | |
| > Finanzminister Klingbeil rechnet Deutschlands künftige Ausgaben vor: | |
| > Milliarden für Verteidigung, ein bisschen Infrastruktur und viele neue | |
| > Schulden. | |
| Bild: Mission Kriegstüchtigkeit accomplished? Für das Ressort von Verteidigun… | |
| Ein entspannter und zurückhaltender Lars Klingbeil erläuterte am Dienstag, | |
| wie er sich seine Finanzpolitik in den kommenden Jahren vorstellt. Viel | |
| sprach der SPD-Bundesfinanzminister und Vizekanzler der schwarz-roten | |
| Koalition von den „Sorgen der Menschen“, denen er „klare Signale“ sende: | |
| „Es geht jetzt voran.“ Brücken würden renoviert, Verkehrsstaus aufgelöst. | |
| Klingbeil präsentierte in der Bundespressekonferenz die Zahlen seiner | |
| ersten beiden Bundeshaushalte, die er in „nur 49 Tagen“ nach der Bildung | |
| der Regierung zwischen Union und SPD ausgehandelt habe. Alles klang | |
| ziemlich normal: Für 2025 handele es sich um „einen durchgerechneten, sehr | |
| soliden Haushalt“. Den fertigen Etatentwurf – stark verzögert wegen des | |
| Regierungswechsels – und die Eckpunkte für den Haushalt 2026 hatte zuvor | |
| das Bundeskabinett bewilligt. In den nächsten Wochen und Monaten ist nun | |
| der Bundestag dran. | |
| Was sich in den beiden Zahlenwerken und der Finanzplanung des Bundes bis | |
| 2029 niederschlägt, ist allerdings etwas grundsätzlich anderes als | |
| Normalität. Tatsächlich handelt es sich um einen [1][Bruch mit der | |
| Finanzpolitik] der vergangenen Jahrzehnte. Die Regierung bekennt sich nun | |
| zu vorläufig tatsächlich grenzenlosen Ausgaben für Militär und Sicherheit. | |
| Die zweite Säule besteht in einem massiven Programm für öffentliche | |
| Investitionen, dessen Umfang allerdings deutlich hinter dem Wehretat | |
| zurückbleibt. Und beides lässt sich nur mit neuen Krediten bezahlen, für | |
| die die Schuldenbremse, die seit 2009 im Grundgesetz steht, faktisch | |
| aufgehoben wurde. Trotz Weltfinanzkrise, Coronapandemie und russischem | |
| Angriff auf die Ukraine war an so etwas bisher nicht zu denken. Jetzt ist | |
| es plötzlich möglich. | |
| ## 30 Prozent des Haushalts für Verteidigung | |
| So bekommt die Bundeswehr ein gigantisches Modernisierungsprogramm, das mit | |
| einem Mehrfachen des bisherigen Wehretats finanziert werden soll. Das | |
| funktioniert, weil alles, was über eine Größenordnung von 45 Milliarden | |
| Euro im Bundeshaushalt hinausgeht, mit neuen Schulden bezahlt werden darf. | |
| Während SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius 2024 etwa 70 Milliarden | |
| Euro zur Verfügung hatte, steigen die Summen nun auf ungefähr 100 | |
| Milliarden Euro in diesem Jahr und um 120 Milliarden Euro in 2026. 2029, am | |
| Ende der momentanen Finanzplanung, sollen die Ausgaben für Militär und | |
| zivile Sicherheit dann fast 170 Milliarden Euro erreichen, was etwa 30 | |
| Prozent des gesamten Haushaltes ausmachen dürfte. | |
| Schon 2025 sollen Verteidigungsausgaben damit auf 2,4 Prozent der | |
| Wirtschaftsleistung zunehmen. Für 2029 peilen Klingbeil und seine | |
| KabinettskollegInnen eine Quote von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts | |
| an. Damit käme Deutschland recht bald in die Region, die US-Präsident | |
| Donald Trump mit [2][fünf Prozent Militärausgaben] bezifferte. Nach | |
| aktueller Nato-Rechnung könnten darin aber auch gewisse Aufwendungen für | |
| zivile Infrastruktur verbucht werden, die gleichzeitig militärisch zu | |
| nutzen ist. An das Gipfeltreffen des Bündnisses, das derzeit im | |
| niederländischen Den Haag stattfindet, geht von Berlin jedenfalls das | |
| Signal aus: Wir sind in der Spur. | |
| Neben Union und SPD tragen die Grünen im Bundestag dieses Programm mit. Die | |
| AfD kritisierte es dagegen. Ebenso die Linke: Es gehe zu wenig um Zukunft | |
| und Zusammenhalt, sondern vor allem um Rüstung, bemängelte | |
| Linken-Haushaltsexperte Dietmar Bartsch. Aus dem parlamentarischen Off | |
| meldete sich Sahra Wagenknecht: „Eine Verdreifachung der Rüstungsausgaben | |
| innerhalb von vier Jahren, das ist einfach nur krank“, erklärte die Chefin | |
| der gleichnamigen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht. | |
| ## Teure Aufholjagd | |
| Geht man davon aus, dass zwischen 2025 und 2029 rund 600 Milliarden Euro | |
| hauptsächlich für die Bundeswehr zur Verfügung stehen, bleibt das zivile | |
| Investitionsprogramm mit seinen 500 Milliarden Euro dahinter zurück. | |
| Trotzdem stellt auch dies einen Paradigmenwechsel dar, den sich keine | |
| Bundesregierung der vergangenen Jahrzehnte zutraute. | |
| Die von vielen ÖkonomInnen geteilte Analyse lautet, Deutschland habe seine | |
| öffentliche Infrastruktur heruntergewirtschaftet und von der Substanz | |
| gelebt. Nun müsse der Rückstand aufgeholt werden, auch um das | |
| Produktionspotenzial der Privatunternehmen zu heben. | |
| Alleine 2025 sollen zwölf Milliarden Euro öffentlicher Investitionen in die | |
| Verkehrsinfrastruktur fließen, unter anderem die Sanierungsprojekte der | |
| Deutschen Bahn AG. Für die Digitalisierung der Verwaltung sind vier | |
| Milliarden Euro reserviert, für Krankenhäuser knapp zwei Milliarden Euro. | |
| Wobei Grünen-Chefin Franziska Brantner dem Finanzminister vorwarf, entgegen | |
| der Verabredung nicht die komplette Neuverschuldung des | |
| Infrastruktur-Programms in zusätzliche Investitionen zu übersetzen. | |
| Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer erklärte, von 27 Milliarden Euro neuen | |
| Krediten in diesem Jahr würden allenfalls 19 Milliarden Euro für neue | |
| Investitionen eingeplant. Das Bundesfinanzministerium sieht die Sache | |
| anderes und betonte, die 27 Milliarden Schulden kämen obendrauf, und die | |
| öffentlichen Investitionen stiegen auf 115 Milliarden Euro, so viel wie | |
| noch nie. | |
| ## Schulden kommen nicht gut an | |
| Trotzdem weiß Klingbeil, dass die neue Großzügigkeit auf Bedenken in Teilen | |
| der Bevölkerung trifft. Angesichts der bislang noch niedrigen Schuldenquote | |
| von 63 Prozent – zumindest im Vergleich zu anderen reichen Staaten – sagte | |
| er, es sei ein finanzieller Spielraum für neue Kredite vorhanden. | |
| Allerdings mussten er und sein Haushaltsstaatssekretär Steffen Meyer auch | |
| die Kosten dieser Politik für die kommenden Jahre einräumen. | |
| Nach 30 Milliarden Euro in diesem Jahr werden die Zinsausgaben für die | |
| gesamte Verschuldung des Bundes bis 2029 wohl auf 62 Milliarden Euro | |
| wachsen. Auch diese nicht eben kleinen Summen wollen finanziert werden. | |
| Klingbeil glaube aber, „dass nichts teurer ist als der Stillstand in den | |
| letzten Jahren“. Für ihn sei die schwarze Null „kein Wert an sich“, wenn | |
| Brücken und Schulen vergammelten und die Bundeswehr vernachlässigt werde. | |
| 24 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wendemanoever-durch-Merz/!6073854 | |
| [2] /Forderungen-von-Donald-Trump/!6057303 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
| ## TAGS | |
| Haushalt | |
| Verteidigungsetat | |
| Schuldenbremse | |
| Porsche | |
| Nato | |
| Haushalt | |
| Kolumne Was kostet die Welt? | |
| Haushalt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Autogeschäft läuft schlecht: Porsche will stärker in Rüstung investieren | |
| Mobilität schön und gut, aber Geld machen lässt sich gerade besser im | |
| „Verteidigungssektor“. Deshalb plant die Porsche Holding einen „Defence | |
| Day“. | |
| Rutte dankt Trump: Die Nato ist im A… von … | |
| Nato-Chef Rutte dankt US-Präsident Trump überschwänglich für die | |
| Bombardierung des Iran. Der haut die privat gesendete Lobhudelei raus in | |
| die Welt. | |
| Erster Haushalt der neuen Regierung: Militärausgaben bald 30 Prozent des Eta… | |
| Die schwarz-rote Bundesregierung präsentiert ihre ersten beiden Haushalte. | |
| Die Investitionen steigen kräftig – auch ins Militär. Bei den Ärmsten wird | |
| gespart. | |
| Reformidee zum Bundeshaushalt: Schade für Banken, gut für die Demokratie | |
| Der Bundeshaushalt ist zu kompliziert. Dabei könnte er von Zinsen befreit | |
| und viel einfacher gestaltet werden, meint unser Kolumnist. | |
| Neue Steuerschätzung: Kein Traumstart für Klingbeil | |
| Bis 2029 muss der Bund wohl mit 33 Milliarden Euro weniger auskommen. Für | |
| den neuen SPD-Finanzminister ist das keine gute Nachricht. |