# taz.de -- Kurd*innen in Berlin: „Wir brauchen Freund*innen“ | |
> Beim kurdischen Kunst- und Kulturfestival geht es in diesem Jahr vor | |
> allem um die Situation in Syrien. Das Fest will Kontroversen einen Raum | |
> bieten. | |
taz: Herr Bênav Mustafa, warum beschäftigt sich das kurdische | |
Kulturfestival in Berlin in diesem Jahr mit Syrien? | |
Bênav Mustafa: Eigentlich hatten wir ein Programm über Musik geplant, wir | |
sind ja in erster Linie ein Kulturfestival. Aber dann kam [1][der Sturz von | |
Assad], Und da haben wir die Notwendigkeit gesehen, das zum Thema zu | |
machen. Es ist das vierte Mal, dass wir dieses Festival machen, und wir | |
stellen fest, dass es sich entwickelt. | |
taz: Inwiefern? | |
Bênav: Das Festival ist größer und vielfältiger geworden. Heute kommen | |
unsere Gäste aus allen Teilen Kurdistans und der Diaspora. Es gibt mehr | |
Themen, neue Workshops, ein Kinderprogramm, und auch der Basar ist größer | |
geworden. In diesem Jahr ist auch Bakur – Nordkurdistan, also der Teil in | |
der heutigen Türkei – stärker vertreten. | |
taz: Wie [2][blickt ihr zurzeit auf Syrien]? Vor allem mit Hoffnung oder | |
mehr mit Sorge? | |
Bênav: Erst, wenn [3][die Rechte der Kurd*innen und anderer Minderheiten] | |
und generell von Frauen auch in der Verfassung verankert sind, wird der Weg | |
für ein vorstellbares Syrien geebnet. Auf dem Festival wollen wir auch | |
unsere Forderungen dazu formulieren. Es gibt ein Panel zu der Frage: | |
„Kontinuitäten oder Zeitenwende?“ Da soll es um die politische und | |
historische Situation in Syrien gehen und auch um die Frage, was die | |
Menschen dort wollen, welche Form der Staatlichkeit sie anstreben. Und ja, | |
wir blicken auch mit Hoffnung auf das, was in Syrien geschieht. | |
taz: Es passiert ja grade sehr viel. Was die Türkei betrifft, hat die | |
[4][PKK vor Kurzem erklärt, dass sie sich auflösen] und einen | |
demokratischen Prozess vorantreiben will, bereits im Herbst gab es | |
Forderungen in diese Richtung aus der türkischen Politik. Werden diese | |
Entwicklungen auch auf dem Festival Thema sein? | |
Bênav: Wir im Festivalteam haben eine Expertise für Syrien. Aber sicher | |
werden die Entwicklungen in der Türkei in vielen Gesprächen vor Ort Thema | |
sein. | |
taz: Welche Impulse können denn aus der Diaspora kommen? | |
Bênav: Auch in der Diaspora haben die Menschen sehr unterschiedliche | |
Ansichten. Und denen wollen wir einen Raum bieten, in dem sie sich wohl | |
fühlen und in dem diese unterschiedlichen Ansichten auch aufeinanderprallen | |
und sich reiben dürfen. In Berlin leben mehr als 100.000 Kurd*innen, sie | |
haben unterschiedliche Lebensrealitäten und Hintergründe. Als Festival | |
wollen wir ein Treffpunkt sein, für Meinungen und Menschen. Und wir wollen | |
auch alle anderen einladen, mit uns die kurdische Kultur kennenzulernen, | |
weil wir als Festivalteam davon ausgehen, dass wir Freund*innen brauchen. | |
taz: Mit welchen Vorbehalten habt ihr zu kämpfen? | |
Bênav: In Syrien kommt uns als Kurd*innen gegenüber schnell der Vorwurf, | |
wir seien Separatist*innen. Solche Vorurteile wollen wir abbauen. Denn wir | |
wollen uns nicht abspalten. Aber wir wollen in einem Staat leben, in dem | |
wir uns frei fühlen – und die Menschen in den anderen kurdischen Gebieten | |
wollen das auch. | |
taz: Und wie nehmt ihr die [5][Situation von Kurd*innen] in Berlin wahr? | |
Bênav: Obwohl wir so eine große Gruppe in Berlin sind, ist mein Eindruck: | |
Wir kommen hier kaum vor. Kurdische Perspektiven kommen sehr oft darüber | |
zustande, dass andere sich über uns äußern. Nicht darüber, dass wir gefragt | |
werden. Und Medien zum Beispiel berichten kaum über unser Festival. Dabei | |
gehört unsere Geschichte und unsere Literatur und unsere Musik auch zu | |
dieser Stadt. Aber ich will jetzt hier nicht so viel jammern. Ich freue | |
mich einfach auf die vier Tage, und möchte alle einladen, teilzunehmen. | |
6 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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