# taz.de -- Wieder im Kino: Höfliches Duell | |
> Hitchcocks „The Man Who Knew Too Much“ läuft im witzigeren Original, die | |
> Kulinarik in „À la carte“ reicht von kunstvollen Pasteten bis | |
> Allgemeinwohl. | |
Bild: Wenn's dem Herzog nicht schmeckt, gibt's Probleme in Éric Besnards „À… | |
Wie ein zum Markenzeichen gewordenes Konzept plötzlich schief gehen kann, | |
zeigt Paolo Sorrentinos jüngster Film „Parthenope“. Ähnlich wie in dem | |
wirklich tollen „La Grande Bellezza“, in dem sich ein Gesellschaftsreporter | |
durch das fantastisch fotografierte Rom treiben lässt, begegnet in | |
„Parthenope“ einer gleichnamigen Anthropologin ein Querschnitt der | |
Gesellschaft von Neapel – sie trifft auf Reiche und Arme, die Mafia und die | |
Kirche. Doch hier vermitteln sich keine Einblicke, alles ist nur | |
Oberfläche: Hübsche Menschen stehen in hübschen Kulissen und haben nichts | |
zu tun – fast wie in einer Selbstparodie. | |
Warum erzähle ich das überhaupt an dieser Stelle? Natürlich, um auf einen | |
besseren Film überzuleiten: In „Youth“ („Ewige Jugend, 2015) schickt | |
Sorrentino zwei alte Freunde, einen sich schon halb im Ruhestand | |
befindlichen Komponisten und Dirigenten (Michael Caine) und einen noch | |
immer sehr aktiven Filmregisseur (Harvey Keitel), in ein Hotel-Sanatorium | |
in der Schweiz. | |
Dort philosophieren sie dann über das Pinkeln, ihre Erinnerungen und das | |
Älterwerden und sehen sich in einer Vielzahl tragikomischer Begegnungen mit | |
der Realität, den eigenen Unzulänglichkeiten sowie den Trug- und | |
Traumbildern von Jugend konfrontiert. Das gibt durchaus Anlass zum | |
Nachdenken und ist zugleich – dank der Kamera von Luca Bigazzi – eine | |
ästhetische Freude („Youth“, 2. Juni, 22.15 Uhr, [1][Babylon Mitte]; Wer es | |
mit „Parthenope“ trotzdem probieren will: 29. Mai, 18.30 Uhr, 30. Mai bis | |
3. Juni, 18.45 Uhr, [2][Central]). | |
„The Man Who Knew Too Much“ nimmt im Werk von Alfred Hitchcock eine | |
Sonderrolle ein, denn den ursprünglich 1934 in England entstandenen Krimi | |
konnte der Regisseur in den 1950er Jahren mit James Stewart und der „Que | |
sera, sera“ singenden Doris Day noch einmal neu auflegen. Heute ist das die | |
ungleich bekanntere Version der Geschichte um ein Ehepaar, das zufällig von | |
dem geplanten Attentat auf einen Staatsmann erfährt und von den beteiligten | |
Agenten dadurch zum Schweigen gebracht werden soll, indem man ihr Kind | |
kidnappt. | |
Im [3][Filmkunst 66] gibt es in der Reihe „Frühe Meister der Filmkunst“ | |
jetzt allerdings die weitaus seltener gespielte britische Version zu sehen: | |
Zwar ist die Story de facto dieselbe, doch der Eindruck ist völlig anders. | |
Denn der britische Film hat mehr Tempo, ist weitaus witziger und verzichtet | |
auf die im Remake unangenehm wirkende amerikanische Überheblichkeit des | |
Vaters (Stewart). Stattdessen finden sich der Vater des Kindes (Leslie | |
Banks) und der Anführer der Agenten (Peter Lorre) hier in einer | |
intellektuellen Duellsituation wieder, die stets von britischer Höflichkeit | |
geprägt ist (1. Juni, 20.30 Uhr). | |
## Demokratisierung des guten Geschmacks | |
Zwei Hände kneten einen Teig, sorgsam entsteht daraus ein kleines Kunstwerk | |
von Pastete. Bereits die ersten Bilder von „À la carte – Freiheit geht | |
durch den Magen“ (R: Eric Besnard) machen deutlich, dass dieser Koch sich | |
als Künstler versteht. Doch wie die meisten Künstler ist auch Pierre | |
Manceron, der Koch des Herzogs von Chamfort, Ende des 18. Jahrhunderts von | |
seinem Gönner abhängig. | |
Die neue Pastete fällt durch, der sture Koch wird gefeuert und findet sich | |
alsbald gemeinsam mit seinem Sohn in der verfallenen elterlichen | |
Poststation wieder, wo wenig später noch Louise aufkreuzt, eine angebliche | |
Marmeladenköchin, die bei Manceron unbedingt das richtige Kochen lernen | |
will. | |
„À la carte“ ist genau jene Art von Wohlfühlkino, auf das sich die | |
Franzosen prima verstehen: Man sieht gute Schauspieler:innen in | |
sympathischen Rollen, und jede Einstellung leuchtet, als hätte Rembrandt | |
persönlich das Licht gesetzt. Sieht gut aus, ist angenehm zu schauen und | |
hat einen ungefähren dramatischen Gehalt wie das Sandmännchen. Aber dass | |
Manceron und Louise am Ende einfach ein Restaurant eröffnen, in dem jeder | |
zahlende Gast etwas Ordentliches zu essen bekommt, ist im Sinne der | |
Demokratisierung des guten Geschmacks eine sympathische Sache(4. Juni, 20 | |
Uhr, Capitol Dahlem). | |
29 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://babylonberlin.eu | |
[2] https://www.kino-central.de | |
[3] https://www.filmkunst66.de | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Frisch gesichtet | |
Kino Berlin | |
Programmkino | |
Alfred Hitchcock | |
Komödie | |
Französisches Kino | |
taz Plan | |
Kochen | |
TV-Serien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinotipp der Woche: Nicht zu stoppen | |
Mit Kurz- und Langfilmauswahl, den Lolly Awards und diversen Werkstätten | |
feiert das 19. Xposed Queer Film Festival das weltweite Queer Cinema. | |
Kochen in Napoléons Zeiten: Erotik über Kulinarik | |
Die neue Apple TV+-Serie „Carême“ entführt ins kulinarische Frankreich – | |
und macht genussvolles Essen zu einer feministischen Angelegenheit. | |
Disney+-Serie „The Bear“: Ein Bär im Winterschlaf | |
In der dritten Staffel der Restaurant-Serie „The Bear“ scheinen die Figuren | |
mehr zu leiden als zu kochen. Warum es sich dennoch lohnt, sie anzuschauen. |