| # taz.de -- Klima-Urteil des OLG Hamm: RWE ist weltweit mitverantwortlich | |
| > Ein peruanischer Bergbauer klagt gegen den deutschen Energiekonzern und | |
| > erreicht ein spektakuläres Urteil. Ihm persönlich nützt es jedoch nichts. | |
| Bild: War – anders als im März – nicht nach Hamm gekommen: Kläger Saul Lu… | |
| Hamm taz | Große CO₂-Emittenten müssen weltweit für Schutzmaßnahmen gegen | |
| den Klimawandel bezahlen. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm an | |
| diesem Mittwoch in einem spektakulären Fall. Der Kläger, [1][der | |
| peruanische Bergbauer Saúl Luciano Lliuya], geht allerdings leer aus. Sein | |
| Haus sei durch den Klimawandel kaum gefährdet. | |
| Saúl Luciano Lliuya hatte mit Unterstützung der deutschen NGO Germanwatch | |
| bereits 2015 Klage gegen den Energiekonzern RWE erhoben, der einer der | |
| weltgrößten CO₂-Emittenten ist. Er sah [2][sein Haus in Huaraz unterhalb | |
| eines peruanischen Gletschersees durch eine Flutwelle bedroht], falls die | |
| Gletscher im Zuge des Klimawandels weiter schmelzen und sich große | |
| Felsblöcke lösen. Seine Forderung: RWE solle 0,47 Prozent der Kosten von | |
| Schutzmaßnahmen für das Haus bezahlen, entsprechend dem Anteil von RWE an | |
| den globalen CO₂-Emissionen. | |
| Das Landgericht Essen hatte die Klage 2016 aus rechtlichen Gründen ohne | |
| Beweisaufnahme abgelehnt. Der Klimawandel werde durch so viele verschiedene | |
| Emittenten verursacht, dass eine Zuordnung der Flutgefahr zu RWE nicht | |
| möglich sei. | |
| Dies sah das OLG Hamm aber anders. 2017 erklärte es die Klage für schlüssig | |
| und öffnete die Beweisaufnahme; ein erster Paukenschlag. In der | |
| Zwischenzeit gab das Gericht zwei Gutachten in Auftrag und führte 2022 | |
| einen Ortstermin in den peruanischen Anden durch. | |
| ## Urteil nach acht Jahren | |
| Nach Abschluss der achtjährigen Beweisaufnahme stellte der Vorsitzende | |
| Richter Rolf Meyer jetzt fest, dass Saúl Luciano Lliuya keinen Anspruch | |
| gegen RWE hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass [3][sein Haus in den nächsten | |
| 30 Jahren von einer klimabedingten Flutwelle aus dem Gletschersee erfasst | |
| wird, liege unter einem Prozent.] Und selbst wenn es zu einer solchen | |
| Flutwelle komme, wäre diese nur rund 20 Zentimeter hoch und stelle keine | |
| Gefahr für die Bausicherheit des Hauses dar. | |
| Dieses Ergebnis war nach der mündlichen Verhandlung im März bereits | |
| erwartet worden. Ein Befangenheitsantrag von Lliuyas Anwältin Roda Verheyen | |
| gegen einen Gutachter scheiterte. Richter Meyer betonte am Mittwoch, der | |
| Statik-Experte Rolf Katzenbach sei eine „Koryphäe“. | |
| Das Gericht hielt jedoch an seiner Einschätzung fest, dass derartige Klagen | |
| grundsätzlich erfolgreich sein können. Ein Eigentümer könne sich gegen | |
| Störungen wehren und Unterlassung verlangen. Das Gericht stützte sich dabei | |
| auf Paragraf 1004 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). | |
| „Wir haben uns nichts Neues ausgedacht“, betonte Richter Meyer, man stütze | |
| sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). „Unser | |
| Urteil beinhaltet keine Rechtsfortbildung“. Es sei allgemein anerkannt, | |
| dass auch eine Gefährdung des Eigentums eine Störung sein kann. Der | |
| Eigentümer habe gegen den Störer nicht nur einen Anspruch auf Nichtstun, | |
| sondern auch auf Schutzmaßnahmen oder deren Bezahlung. | |
| Auch ein Eigentümer in Peru könne gegen einen Störer (hier RWE) in | |
| Deutschland klagen. „Im Gesetz steht nichts von ‚Nachbarschaft‘“, | |
| erläuterte Richter Meyer. Auch eine direkte Beziehung zwischen Eigentümer | |
| und Störer sei nicht erforderlich. | |
| ## Autofahrer sind nicht betroffen | |
| Es komme auch nicht darauf an, ob sich RWE rechtmäßig oder rechtswidrig | |
| verhalten hat. „Rauchen auf dem Balkon ist erlaubt, aber wenn das die | |
| Familie im Stockwerk darüber erheblich stört, ist es unzulässig“, erklärte | |
| Richter Meyer unter Verweis auf ein BGH-Urteil von 2015. „Entscheidend ist | |
| bei Paragraf 1004 das Erfolgsunrecht, nicht das Handlungsunrecht“, so | |
| Meyer. | |
| Auch die Kausalität zwischen den Emissionen von RWE und der Gefahr für | |
| Häuser in Huaraz sah das OLG gegeben. „Je mehr CO₂ ausgestoßen wird, desto | |
| mehr Wasser ist in der Lagune umso größer die Gefahr einer Flutwelle.“ | |
| Dieser Zusammenhang zwischen CO₂-Emissionen und schmelzenden Gletschern sei | |
| in Deutschland schon seit 1971 „vorhersehbar“, betonte Richter Meyer und | |
| verwies auf eine Physiker-Tagung, die bereits damals vor dem | |
| Treibhauseffekt gewarnt habe. | |
| Der Anteil von RWE an den bisherigen industriellen CO₂-Emissionen, der | |
| inzwischen von 0,47 auf 0,38 Prozent korrigiert wurde, sei „erheblich“ | |
| genug, um eine Kausalität anzunehmen. Es bestehe aber keine Gefahr, dass | |
| nun jeder Autofahrer mit Paragraf 1004 verklagt werden kann, beruhigte | |
| Richter Meyer. Der CO2-Austoß von RWE und der eines normalen Bürgers stehe | |
| im Verhältnis von eins zu 0,000000028, „sieben Nullen hinter dem Komma“, | |
| half Meyer beim Mitschreiben. | |
| Das OLG-Urteil führe auch nicht zu einem Wettbewerbsnachteil Deutschlands, | |
| betonte Richter Meyer. [4][Auch in anderen Staaten gebe es entsprechende | |
| Klagen]. Er räumte aber ein, dass solche Klagen nur in Staaten mit einem | |
| funktionierenden Rechtsstaat möglich sind. „Aber ein funktionierender | |
| Rechtsstaat ist ja auch ein Standortvorteil.“ | |
| ## Anwältin Verheyen: „Ein Meilenstein“ | |
| Das Urteil ist nun rechtskräftig. Das OLG hatte keine Revision zugelassen. | |
| Und da der Streitwert unter 20.000 Euro liegt, ist auch keine | |
| Nichtzulassungsbeschwerde möglich. Vermutlich hätte Germanwatch aber trotz | |
| der Niederlage im Einzelfall kein Interesse an einer Revision gehabt, denn | |
| mit den grundsätzlichen Ausführungen des OLGs ist man ja zufrieden und | |
| hätte eher eine Änderung durch den BGH fürchten müssen. | |
| Richter Meyer sagte zum Schluss der Verkündung, er rechne nicht damit, dass | |
| es in Deutschland zu seinen Lebzeiten noch einmal einen derartigen Prozess | |
| geben werde, angesichts von Gerichts- und Verfahrenskosten in Höhe von über | |
| 800.000 Euro. | |
| Der Kläger war – anders als im März – nicht nach Hamm gekommen. In einer | |
| kleinen Video-Pressekonferenz nach dem Urteil zeigte er sich aber nicht | |
| betrübt. „Es ging mir nie um mich“, sagte er. Geradezu euphorisch zeigte | |
| sich Anwältin Roda Verheyen, die das Urteil „sensationell“ nannte. „Ich | |
| habe während der Urteilsverkündung geweint“, sagte sie, das Gericht habe | |
| alle Argumente von RWE zurückgewiesen und sei ihrer Argumentation gefolgt. | |
| „Dieses Urteil ist ein Meilenstein, der weltweit Wirkung haben wird“, | |
| betonte Verheyen. Sie habe schon Anfragen für neue Klagen aus Huaraz, Nepal | |
| und Indien erhalten. Die Großemittenten müssten nun Rückstellungen in ihren | |
| Bilanzen bilden. | |
| RWE erklärte, den Prozess gewonnen zu haben. Es sei „den NGOs auch in der | |
| zweiten Instanz nicht gelungen, einen Präzedenzfall zu schaffen“. Eine | |
| Haftung des Konzerns sei auch nicht gerechtfertigt, weil er sich immer an | |
| gesetzliche Vorgaben gehalten habe. RWE warnte vor unabsehbaren Folgen für | |
| den Industriestandort Deutschland, wenn „gegen jedes deutsche Unternehmen | |
| Ansprüche aus Klimafolgeschäden irgendwo auf der Welt geltend gemacht | |
| werden könnten.“ | |
| 28 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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