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# taz.de -- Bergsturz und Klimawandel: Das Pompeji von Peru
> Nur 300 der 20.000 Einwohner:innen von Yungay überlebten 1970 eine
> Gerölllawine. Das ist ein Trauma in Peru – und die Kulisse für die
> Klimaklage gegen RWE.
Bild: Nur vier Palmen ragen noch aus dem Geröll: Ein Mann betet im Juni 1970 d…
Yungay/Huaraz/Berlin taz | Campo Santo ist ein wunderschöner Park. Bäume
säumen die Wege dieses „heiligen Feldes“ zwischen weitläufigen, grünen
Wiesen, mittendrin auf einem Hügel finden sich die Gräber eines alten
Friedhofs. Auf beiden Seiten des Tals, des Callejon de Huaylas, erheben
sich die Bergketten der Cordillera Negra auf der einen und der Cordillera
Blanca auf der anderen Seite. Dort strahlt der schneebedeckte Huascarán in
der Sonne, der mit 6.768 Metern höchste Berggipfel Perus.
Alles ist still und friedlich hier in dem auf 3.000 Meter Höhe gelegenen
Tal in der Region Ancash in Peru. Es wirkt wie ein Ort zum Verweilen, wäre
da nicht die Ruine eines völlig zerquetschten Busses mitten in dem Park.
Und die völlige Abwesenheit der Stadt Yungay, die einst hier stand – bis
zum 31. Mai 1970.
Mehr als 10.000 Kilometer entfernt [1][vor dem Oberlandesgericht in Hamm]
klagt zurzeit [2][der peruanische Bergbauer Saúl Luciano Lliuya] gegen
den deutschen Stromkonzern RWE, weil der Konzern als einer der größten
CO₂-Emittenten weltweit für etwa 0,38 Prozent des CO₂-Ausstoßes seit der
Industrialisierung verantwortlich sein soll.
Saúl Luciano Lliuya lebt als Bauer und Bergführer in den peruanischen Anden
nahe der Stadt Huaraz, die knapp 60 Kilometer südlich von Yungay ebenfalls
im Callejon de Huaylas liegt. Er befürchtet, dass das Schmelzen der
Andengletscher einen Bergsee oberhalb von Huaraz zum Überlaufen bringt.
Eine gewaltige Flutwelle drohe dann seinem Haus und der ganzen Stadt.
Gutachter versuchen für den Prozess zu berechnen, [3][mit welcher
Wahrscheinlichkeit Lliuyas Haus tatsächlich von so einem Bergsturz zerstört
werden könnte]. Und welchen Anteil der deutsche Konzern daran hat. Für
europäische Beobachter:innen klingt das alles sehr abstrakt und sehr
weit weg. Für die Menschen im peruanischen Bergland aber sind solche
Katastrophen Teil gegenwärtiger Realität.
Auch Huaraz selbst war schon betroffen. Am 13. Dezember 1941 stürzte ein
riesiger Eisturm in einen rund 1.500 Meter höher gelegenen See. Eine
Flutwelle stürzte herunter ins Tal, wuchs zur Schlammlawine und zerstörte
weite Teile von Huaraz. Geschätzt 5.000 bis 7.000 Menschen kamen ums Leben.
Noch präsenter im Tal ist aber die Zerstörung von Yungay im Jahr 1970. Die
Geschichte dieses Pompeji von Peru gehört zum Tourprogramm für Reisende,
die eigentlich nur die Schönheit der Bergwelt bewundern wollen.
## Eine gigantische Masse aus Eis
Ausgelöst durch ein Erdbeben der Stärke 7,9 löste sich an einem
Sonntagnachmittag große Teile einer vergletscherten Flanke des
Huascarán-Massivs. Eine gigantische Masse aus Eis, Schlamm und Steinen
stürzte hinunter ins Tal und bedeckte nahezu die komplette Stadt Yungay mit
einer 5 bis 12 Meter hohen Gerölllawine.
Gerade mal 300 der dort lebenden 20.000 Einwohner:innen überlebten die
Katastrophe. 92 hatten sich auf den Friedhofshügel flüchten können, der
noch heute das Areal überragt. [4][Die restlichen Überlebenden waren
Kinder, die gerade einen Zirkus besucht hatten], der sein Zelt auf einer
Anhöhe aufgeschlagen hatte. Von dort mussten sie sehen, wie ihre Familien
und ihre Stadt verschwanden. Nur vier einsame Palmen ragten später noch aus
dem Schlamm.
Bergen ließen sich die Opfer nicht. Das ganze Areal wurde später zum
Friedhof erklärt – zum Gedenkareal, zum Campo Santo. An der einstigen Plaza
de Armas, wie in vielen lateinamerikanischen Städten der zentrale Platz
heißt, wurde die Fassade der einst dort stehenden Kirche rekonstruiert. Die
Stadt Yungay wurde neu aufgebaut, aber ein paar Kilometer entfernt, sodass
eine weitere, den gleichen Weg herabstürzende Lawine sie verfehlen würde.
Das Trauma aber bleibt.
Die Zerstörung von Yungay wurde durch das Erdbeben ausgelöst, nicht durch
den Klimawandel. Fatal aber ist, wenn sich beide Phänomene ergänzen und so
die Gefahren ins unermessliche potenzieren.
In Ländern wie Peru führt der tektonische Zusammenprall der Nazca-Platte
und der südamerikanischen Platte bis heute zum Wachstum der Anden. Und zu
stetigen, schweren Beben. Gleichzeitig ist das Andenland durch die
wechselnden Klimaphänomene El Niño und La Niña betroffen, die sich durch
den Klimawandel noch verstärkt haben.
Seit Jahrzehnten wird das Abschmelzen der Gletscher an der Cordillera
Blanca beobachtet. Die Erwärmung destabilisiert die Eismassen und erhöht so
die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Abbruchs. Das ist der Alltag von in
Ancash lebenden Menschen wie Saúl Luciano Lliuya.
19 Mar 2025
## LINKS
[1] /Klage-gegen-RWE/!6073248
[2] /Gletscherschmelze-in-Peru/!5511457
[3] /Klimaklage-gegen-RWE/!6076703
[4] https://www.dw.com/es/50-a%C3%B1os-tras-el-terremoto-de-%C3%A1ncash-qu%C3%A…
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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