| # taz.de -- Doku „Sex and the Scientists“ bei ARD: Kurz vor der Revolution | |
| > Die Reproduktionsmedizin arbeitet an Technologien, die das Leben | |
| > grundlegend verändern könnten. Eine ARD-Doku überblickt den | |
| > Forschungsstand. | |
| Bild: Der künstliche Uterus – ein Brutkasten für Babys | |
| Frauen können nach den Wechseljahren keine Kinder mehr bekommen, zwei | |
| Männer können kein Kind bekommen, das von beiden gleichermaßen abstammt, | |
| und genetisch gesehen hat ein Mensch immer nur zwei Elternteile – all das | |
| scheint uns selbstverständlich und als faktische Realität festgeschrieben. | |
| Was aber, wenn das so gar nicht mehr gelten muss? Immer mehr sind diese | |
| Grundannahmen im Auflösen begriffen. | |
| Das Potenzial, das Leben im Grundsätzlichen zu beeinflussen, ist groß wie | |
| nie. Es zu erzeugen, es zu manipulieren, es zu bestärken (und zu | |
| zerstören). Umso mehr drängt sich auch die ethische Frage auf: Wenn all das | |
| möglich ist – sollten wir es dann auch tun? | |
| Dieser Frage zugrunde liegt unsere Vorstellung vom Leben selbst und seiner | |
| Entstehung. Das hat auch die dreiteilige Doku-Serie „Sex and the Scientists | |
| – Wie wir künftig Kinder bekommen“ vom BR verstanden. Sie läuft ab diesem | |
| Mittwoch in der ARD-Mediathek und widmet sich den vielen großen Fragen um | |
| das Thema: Warum wissen wir heute so viel über das Leben? Was sind die | |
| neuesten Möglichkeiten, es zu beeinflussen? Wie verändern revolutionäre | |
| Technologien unser Zusammenleben und unser Bild von Familie und Geschlecht? | |
| In der ersten Episode lernen die Zuschauenden Max Appenroth kennen, | |
| trans-nichtbinär. Zusammen mit deren Beziehungsperson können sie sich | |
| Kinder gut vorstellen. Aber gemeinsam welche zu bekommen wäre nur möglich, | |
| würde Max das Testosteron und einen Teil der eigenen Identität aufgeben. | |
| „Wenn es einfach mit einer Hautzelle getan ist, würde ich sagen: Yes count | |
| me in“, sagt Max. Und genau das könnte bald eine Option sein. | |
| Die In-vitro-Gametogenese (IVG) ist eines der heißen Forschungsthemen, dem | |
| sich die Dokureihe widmet. Bei ihr entnimmt man ganz gewöhnliche | |
| Körperzellen, zum Beispiel aus der Haut, und befördert sie in einen | |
| Urzustand, in dem sie das Potenzial haben, sich in jede Zelle des Körpers | |
| zu verwandeln, auch in Gameten, also Spermien und Eizellen. Wie bei | |
| letzteren könnte dadurch auch aus zwei gewöhnlichen Körperzellen ein | |
| komplett neuer Mensch entstehen. | |
| Schnell wird klar, die Fragestellungen überlappen sich: vom Einzelschicksal | |
| auf die großen Forschungsentwicklungen, runter auf die biologische Ebene. | |
| Und um die ethischen Fragen zu besprechen, muss man verstehen, was im Labor | |
| passiert. Zuweilen scheint es aber, als wollte die Serie alle Fragen des | |
| Lebens gleichzeitig beantworten und als hätten sie sich in der ersten | |
| Episode fünf Wege überlegt, sich der Frage zu nähern und für alle | |
| entschieden. | |
| ## Männerherrschaft in der Uterusforschung | |
| Da sind, neben dem queeren Paar, der japanische Wissenschaftler, der IVG | |
| erforscht, die Frau, die verzweifelt versucht hat, durch künstliche | |
| Befruchtung ein Kind zu bekommen, und die Forscherin Rosalind Franklin, die | |
| ihre eigene Lebensgeschichte und die Entdeckung der DNA-Doppelhelix als | |
| Wissenschaftskrimi aufgezogen erzählt. | |
| Der Legende nach haben Francis Crick und James Watson, die heute noch als | |
| Entdecker der DNA-Struktur gelten, Franklin übers Ohr gehauen, obwohl sie | |
| eigentlich maßgeblicher Teil der Forschung an der Struktur des Lebens war. | |
| In dem Kontext macht die Ökonomin Debora Spar kurzerhand einen | |
| feministischen Exkurs in die Geschichte zur Entwicklung der Rolle der | |
| Frauen in der westlichen Gesellschaft. | |
| Klingt dicht gepackt, etwas sprunghaft? Ist es! Da kann man sich als | |
| Zuschauer*in fragen: Muss das alles so miteinander vermengt werden? | |
| Sicherlich würden mehr Episoden und weniger thematische Sprünge der Serie | |
| guttun. Gleichzeitig ist dieser weite Blick auf das Thema der Serie zugute | |
| zu halten und Grundlage für gesellschaftlichen Dialog. | |
| Frauen sind insbesondere in der Reproduktionsforschung wichtig und damit | |
| natürlich auch Franklins Geschichte. Schließlich beeinflusst sie die | |
| Möglichkeiten der Fortpflanzung, ein feministisches Kernthema. Inwieweit | |
| Frauen Forschung und Fragen dieses Felds historisch und heute mitbestimmen, | |
| ist daher entscheidend. | |
| Die Rollen von Frauen in der westlichen Gesellschaft haben sich auch | |
| entlang der Reproduktionsmedizin weiterentwickelt. Frauen bekommen heute | |
| wesentlich später Kinder. Was, wenn IVG Fortpflanzung gänzlich unabhängig | |
| von Alter und Uterus macht? Könnte das die absolute Befreiung von | |
| reproduktiven Zwängen sein? Das befreiende Potenzial ist mindestens so groß | |
| wie das unterdrückerische. So weit taucht „Sex and the Scientists“ zwar | |
| nicht in die [1][ethischen Fragen] ein. Dafür bietet die Doku-Serie einen | |
| Überblick der aktuellen Forschung und schafft verständliche Bilder. | |
| 11 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Adefunmi Olanigan | |
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