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# taz.de -- Fahrradfeindlicher Nahverkehr: Mein Fahrradproblem und was die Öff…
> Wochenende. Mit dem Rad in der Bahn raus aus der Stadt und dann weiter.
> Klingt gut. Geht nur nicht.
Bild: Mit der Bahn raus ins Grüne kann herausfordernd sein
Jedes Jahr gibt es einen Moment, in dem ich entscheide, dass jetzt Sommer
ist. Meistens wird er ausgelöst [1][durch den ersten Sprung ins kalte
Wasser] oder das erste Mal Tanzen unter freiem Himmel. Von diesem Moment an
habe ich das dringende Verlangen, die Großstadt, in der ich lebe, so
schnell es geht zu entkommen, raus in die Natur.
Eigentlich ist das ja gar nicht so schwer. Ich habe zwar kein Auto, aber
ein zuverlässiges Fahrrad, also suche ich ein Ziel aus, das mit der
Regionalbahn halbwegs erreichbar scheint, und nehme mein Rad mit für die
letzten zu überwindenden Kilometer.
So viel zur Theorie und dem, was meine App mir vor der Abfahrt vorgaukelt.
In der Praxis, die aus drei Ausflugversuchen im Mai besteht, klappt nur die
erste Bahnetappe problemlos. Doch dann muss ich umsteigen und werde mit
der Realität konfrontiert: Die Strecke ins ersehnte Nirgendwo ist seit
Wochen gesperrt, nur Ersatzbusse fahren.
Die brauchen rund doppelt so lang und Fahrräder sind im Normalfall nicht
erlaubt, besonders nicht an Wochenenden, wenn alle Großstädter gleichzeitig
entscheiden, Ruhe und Waldluft zu benötigen. Bei allen drei Versuchen im
Mai ist mir das passiert.
Jedes Mal erhalte ich vom Bahnpersonal den gut gemeinten Tipp: „Einfach mal
nett und freundlich den Busfahrer fragen, ob das Fahrrad mit darf!“
Versprechen können sie mir natürlich nichts. Und warum das in der App nicht
erwähnt wird? Können sie sich auch nicht erklären.
Ich nicke und lächele gequält, während mein Herz immer stärker pocht und
mein Kopf sich mit Blut und mehr oder weniger wahrscheinlichen, aber
durchweg düsteren Szenarien der nächsten Stunden füllt.
## Strukturelles Komplettversagen
Beim Ausstieg platzt es dann aus mir heraus: nett und freundlich?! Ich
stehe in einem mir unbekannten Ort und habe keinen Plan, ob, wie und wann
ich von hier weiter zum Ziel komme.
Würde ich die gesamte Reststrecke auf dem Fahrrad bestreiten, wäre ich, das
ergibt eine kurze und schmerzhafte Internetrecherche, erst in vier Stunden
am Ziel. Aber klar, ich frage einfach nett und freundlich den Busfahrer, ob
er die Güte hätte, mich mitzunehmen. Als wäre eine freundliche Bitte die
Antwort auf strukturelles Komplettversagen!
Ich will nicht nett und freundlich sein, ich will einfach nur mal ohne
Zwischenfälle irgendwo ankommen. Dass Fernzüge nicht oder nur mit
erheblicher Verspätung ihr Ziel erreichen, damit habe ich mich längst
abgefunden. Mehr als jeder dritte Fernzug in Deutschland [2][soll im
vergangenen Jahr unpünktlich gewesen sein].
Das bedeutet, dass die Deutsche Bahn so unzuverlässig unterwegs ist wie
seit mindestens 21 Jahren nicht. Und als wäre das nicht schon bitter genug,
muss ich mir jetzt auch noch um Ausflüge mit der Regionalbahn Gedanken
machen?
Sollten die Bauarbeiten auf den betroffenen Streckenabschnitten dafür
sorgen, dass die neuen Schienen im Anschluss ohne Probleme funktionieren –
fair enough. Aber einerseits ist das ziemlich unwahrscheinlich. Und
andererseits, wenn ich nett und freundlich bitten darf: Aktualisiert eure
App und informiert dort über Ausfälle und Abweichungen. Das kann nicht so
schwer sein!
Nett und freundlich bin ich am Ende natürlich doch, die Busfahrer können
schließlich nichts dafür. Zwei von drei haben Mitleid und nehmen mich samt
Fahrrad mit. Einer hat etwas zu gute Laune für meinen Geschmack und
scherzt, ich solle ihm für seine Kulanz einfach einen Fünfer zustecken.
Mein Blick hat ihm, glaube ich, Angst gemacht. Er ist direkt wieder in die
Fahrerkabine verschwunden.
7 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Katharina Federl
## TAGS
Kolumne Starke Gefühle
Öffentlicher Nahverkehr
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Deutsche Bahn
Kolumne 90 Zeilen Herz
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