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# taz.de -- Leistungsschau der Verkehrswende: Wann ist ein Rad ein Rad?
> Drahtesel, Cargobikes, Mikro-Cars – auf der weltgrößten Fahrradmesse
> Eurobike zeigt sich, wie vielfältig nicht-autogebundene Mobilität heute
> ist.
Bild: Egal, wie futuristisch Fahrräder werden – selbst auf der Eurobike muss…
Frankfurt/a.M. taz | Dichtes Gedränge in den Messehallen, Warteschlangen am
Testparcours: So zeigte sich die Eurobike in Frankfurt am Main, die an
diesem Wochenende mit den Publikumstagen zu Ende ging. Der weltweit größte
Branchentreff fand zum 33. Mal statt – mit rund 1.900 Ausstellern, 100 mehr
als im vergangenen Jahr, aber einige große fehlten. Der Umsatz der Branche
war 2024 im Zuge der [1][Normalisierung nach dem Boom während der Pandemie]
um gut 10 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro zurückgegangen.
Nichtsdestoweniger wurde in den acht Hallen getestet, gestaunt und
begutachtet, wie innovativ das Rad von heute sein kann: 37 Eurobike Awards
für Fahrräder, Komponenten und Zubehör vergab die Fachjury in diesem Jahr.
Den Green Award erhielt ein Vaude-Rucksack aus einem neuartigen Polyamid
mit einem CO₂-Fußabdruck von null. „Kein gewöhnlicher Rucksack, sondern e…
Gamechanger“, sagt Vaude-Manager René Bethmann. Auch der Gewinner des
Start-up Awards zeigt neue Möglichkeiten: Das „Modular Bicycle“ lässt sich
mit wenigen Handgriffen vom Alltags-E-Fahrrad in ein geräumiges Cargobike
umbauen. „Ein Fahrrad für jeden Moment“, meint der Hersteller Urbanisto.
Tatsächlich sieht vieles auf der Eurobike längst nicht mehr aus wie das
gewohnte Fahrrad: Manche der Modelle erinnern an überdachte Transportboxen
mit Elektroantrieb. Für die Logistikbranche bieten diese XXL-Räder großes
Potenzial: günstiger als Kleintransporter, weniger Bürokratie – kein
Kennzeichen, kein TÜV, kein Führerschein. Dazu dürfen sie auf Radwegen
fahren und sind bei Staus innerstädtisch schneller als Lieferwagen.
Das Interesse an Testfahrten mit diesen Radwegriesen ist enorm. Doch schon
im geschützten Umfeld des Messeparcours lassen sich künftige Konflikte
erahnen: Selbst hier, wo niemand es eilig hat und irgendwo hin muss, bremst
manch Gravelbiker hart, um nicht mit einer der fahrenden Transportboxen
zusammenzustoßen. Wie das im ohnehin engen Stadtverkehr aussieht, bleibt
abzuwarten.
## Helmpflicht für alle?
Trotzdem könnten solche Mobilitätssysteme ein Baustein der Verkehrswende
sein. Doch sind es noch Fahrräder? Der ZIV, Interessenverband der deutschen
Fahrradindustrie und direkter Nachbar [2][des Verkehrsministeriums] auf der
Messe, meint: Nein. Unmittelbar vor der Eurobike hat sich der Verband damit
in die „wann ist ein Rad ein Rad“-Debatte eingeschaltet – und fordert, die
„Fahrrad“ definierenden Richtlinien klarer zu ziehen: Die maximale
Wattleistung solle ebenso wie das Gesamtgewicht begrenzt werden – und
treten müsse ein Radfahrer schon auch noch in wahrnehmbaren Maße.
Hintergrund dieser Forderung ist nicht zuletzt die Sorge vor einer
pauschalen Reglementierung des gesamten Radverkehrs. Denkbares Szenario:
Ein 600-Kilo-Cargobike mit 1.000 Watt Motorisierung verursacht einen
schweren Unfall – und als politische Reaktion kommen Helmpflicht,
Kennzeichen und Führerschein für alle E-Radfahrenden. Das wäre nicht nur
ein Rückschlag für die Branche, sondern auch für die Verkehrswende:
Fahrradländer wie die Niederlande oder Dänemark sind dagegen mit dem
Konzept bessere Infrastruktur statt Vorschriften erfolgreich.
## Gespaltene Messe
Das Messekonzept wird sich der Entwicklung anpassen und versuchen, klarere
Unterscheidungen zu machen. Die Eurobike 2026 wird ein Co-Event unter dem
Namen Mobifuture bekommen, das elektrische, smarte und vernetzte urbane
Mobilitätslösungen – [3][wie E-Scooter], Cargobikes und Microcars, Sharing-
und Flotten- sowie Infrastrukturangebote – auf einer eigenen Plattform
bündelt. Die Eurobike selbst soll sich dann wieder stärker auf den
Sportcharakter des Fahrrads konzentrieren.
Diese private Fahrradnutzung ist natürlich auch jetzt schon Thema. Einen
Award gab es etwa für Fiziks Sattelkonzept „One-to-One“: Mit einem
dynamischen Verfahren wird die individuell passende Sattelform ermittelt,
3D-gedruckt und per Post verschickt – ein Lichtblick für geplagte
Radfahrersitzflächen. Vor allem für Ältere oder Menschen mit
Einschränkungen ist das ebenfalls preisgekrönte Dreirad „Thuja“ von Van
Raam gedacht, das auch die Mitnahme von Einkäufen erlaubt.
Viel hängt von den künftigen politischen Weichenstellungen ab. An seinem
Messestand gab sich das Verkehrsministerium fahrradfreundlich: „Machen Sie
bei jeder Straße, jedem Radweg den Test: Kann ein elfjähriges Mädchen hier
entspannt und sicher Rad fahren? Setzen Sie nur um, was diese Frage klar
mit ‚Ja‘ beantwortet“, war dort plakatiert. Wenn die Bundesregierung
hierfür die Grundlage schaffen würde, wäre nicht nur für die Branche,
s[4][ondern auch für die Verkehrswende viel gewonnen].
29 Jun 2025
## LINKS
[1] /Wandel-beim-Radfahren/!6028667
[2] /ADFC-kuehrt-fahrradfreundlichste-Staedte/!6091528
[3] /Studie-zu-E-Scootern/!6036917
[4] /Wiederaufbau-der-Dresdner-Carolabruecke/!6091614
## AUTOREN
Kerstin Finkelstein
## TAGS
Verkehrswende
Fahrrad
Messe
Schwerpunkt Klimawandel
Verkehrswende
Kolumne Starke Gefühle
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