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# taz.de -- Sozial ökologische Transformation: „Wir brauchen mehr Klimaauße…
> Der Egoismus erschwert den Kampf gegen die Erderhitzung, sagt der
> Klimaforscher Elmar Kriegler. Dialog mit dem Globalen Süden wird
> wichtiger.
Bild: Die Alternativen sind da: Landwirt auf bodenschonend bearbeitetem Rapsfel…
taz: Herr Kriegler, weltweit nehmen politische Konflikte deutlich zu. Warum
wirkt sich das auch auf den Klimawandel aus?
Elmar Kriegler: Regionale Konflikte, wie wir sie zum Beispiel in der
Ukraine oder im Nahen Osten erleben, untergraben die internationale
Ordnung, verstärken hegemoniale Bestrebungen und die Bewegung hin zu
Autokratien und nationalistischen Denkmustern. In der Folge rücken
Sicherheitsinteressen in den Vordergrund. Nationen engagieren sich stärker
militärisch, schotten sich ab – und sie verändern ihre Energiepolitik.
taz: Weshalb?
Kriegler: Weil sie stärker nach Energiesicherheit streben. Globale Öl- und
Gasmärkte sind sehr von der geopolitischen Großwetterlage abhängig,
heimische Kohlevorkommen hingegen eine sicherere Bank. Darüber hinaus
passen Nationen und Regionen ihre Lieferketten an Sicherheitsbedenken an
und errichten Handelsbarrieren.
taz: So wie Donald Trump mit seiner Zollpolitik?
Kriegler: Diese Entwicklung hat schon zu Zeiten eingesetzt, als ein
US-Präsident Trump noch nicht absehbar war. Regionale Konflikte hatten da
schon zugenommen – zum Beispiel der Konflikt im Südchinesischen Meer
zwischen China und den Anrainerstaaten. Auch Russlands Bestreben, seine
hegemonialen Ziele mit Gewalt zu verfolgen, war damals schon sichtbar, etwa
auf der Krim. In einer solchen Welt wird auch der Welthandel stärker
politisiert.
taz: Was bedeutet das für den Kampf gegen die Erderwärmung?
Kriegler: Wenn die Energiesicherheit im Vordergrund steht und viele
Regionen deshalb an der Kohle festhalten oder sie ausbauen, könnten
Emissionen weiter steigen. Wenn neue Handelsbarrieren hochgezogen werden
und Geld in Militär statt in Bildung investiert wird, lässt die
Innovationskraft der globalen Ökonomie nach. Technologische Alternativen
für die grüne Transformation könnten künftig weniger zur Verfügung stehen
und teurer werden.
taz: Wie können sich Gesellschaften unter diesen Bedingungen an den
Klimawandel anpassen?
Kriegler: Das wird schwerer. Wenn die Zahl der Menschen auf diesem Planeten
hoch ist und die Pro-Kopf-Einkommen nur geringfügig wachsen oder gar
stagnieren, nimmt die Armut zu. Arme Menschen sind besonders stark vom
Klimawandel gefährdet, weil sie sich kaum davor schützen können. Hinzu
kommt, dass die Nationen in einer von größerer Rivalität geprägten Welt
viel länger brauchen werden, um sich auf ein gemeinsames Handeln gegen den
Klimawandel zu einigen. Wir sehen das ja jetzt schon: Die USA treten aus
dem Pariser Abkommen aus und beteiligen sich nicht mehr am globalen
Klimaschutz. Viele US-Bundesstaaten betreiben diesen nach wie vor. Aber die
föderale Ebene ist entscheidend, um nationale Klimaziele im Einklang mit
dem Pariser Abkommen zu erreichen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass
sich die Erderwärmung in einer Welt zunehmender geopolitischer Konflikte,
die sich nicht auf kollektiven Klimaschutz einigen kann, weder auf 1,5 noch
auf 2 Grad Celsius begrenzen lassen wird. Die Klimafolgen einer globalen
Erhitzung auf über 2 Grad wären dramatisch.
taz: Was müsste passieren, damit die Welt auf einen sozial-ökologischen
Pfad einschwenkt?
Kriegler: [1][Der Weg dahin ist inzwischen weit.] Entlang eines solchen
Pfades würde der Schutz der Umwelt im Bewusstsein von
Entscheidungsträger*innen und Bevölkerung eine stärkere Rolle
spielen. Das würde die Einsicht in die Notwendigkeit befördern, innerhalb
der globalen Grenzen zu wirtschaften, und helfen, den Klimawandel als die
existenzielle Bedrohung für die Weltgemeinschaft zu verstehen, die er ist.
Dann ließe sich Klimaschutz mit der angemessenen Priorität betreiben. So
eine Welt wäre weiterhin globalisiert, aber inklusiv. Um auch dem sozialen
Aspekt Rechnung zu tragen, müssten reiche und arme Länder ihren Wohlstand
stärker angleichen, als das historisch der Fall war.
taz: Welche konkreten Schritte sind nötig?
Kriegler: Auf nationaler Ebene bräuchte es einen handlungsfähigen Staat,
der auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt achtet und
Transformationsprozesse gerecht gestaltet. International bräuchte es eine
starke UN und neues Vertrauen in multilaterale Prozesse, auf dessen
Grundlage die Weltgemeinschaft agieren und kollektiv Klimaschutz betreiben
kann. Mehr Zusammenarbeit in Handel und Bildung würde insbesondere grüne
Innovationen schaffen. Je mehr wir die Emissionen jetzt senken, desto eher
können wir die enorme Herausforderung meistern, uns an die unvermeidlichen
Folgen des Klimawandels anzupassen.
taz: Sind Union und SPD mit ihrem Koalitionsvertrag auf dem Weg in eine
sozial-ökologische Transformation?
Kriegler: Das ist nicht ganz eindeutig. Im außenpolitischen Teil des
Koalitionsvertrags werden die Sicherheitsinteressen betont. Zudem soll die
Entwicklungshilfe reduziert und stärker an nationalen Interessen
ausgerichtet werden. Auf der anderen Seite bekennt sich der Vertrag klar
zum Multilateralismus und zur internationalen Kooperation.
taz: Reicht das, um dem Klimawandel und seinen Auswirkungen angemessen zu
begegnen?
Kriegler: [2][Mir erscheint der Koalitionsvertrag wenig ambitioniert, er
ist kein visionäres Dokument.] Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regierung
trotzdem nicht im Kleinen verlieren wird. Angesichts der großen
Herausforderungen brauchen wir eine handlungsfähige Regierung, die
strategisch denkt und mit Weitblick agiert. Beim Klimaschutz gibt es
mehrere große Herausforderungen, auch im Zusammenspiel mit der EU. Die
erste ist, den europäischen Green Deal abzusichern und sicherzustellen,
dass wir ihn umsetzen können. Da gibt es einige Schwierigkeiten – zum
Beispiel, die CO2-Bepreisung europaweit auf den Gebäude- und
Transportsektor auszuweiten. Das muss die neue Regierung proaktiv angehen
und dabei auch darauf achten, besonders betroffene Haushalte zu entlasten.
taz: Worauf noch?
Kriegler: Zudem braucht es mehr Klimaaußenpolitk. Gerade jetzt, wo die USA
aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen sind, wird der Dialog zwischen Europa
und dem Globalen Süden immer wichtiger. In den Debatten darum, wer wie viel
für den Klimaschutz macht oder wie wir uns gegenseitig bei der Anpassung an
den Klimawandel unterstützen, geht es auch um Fragen der globalen
Gerechtigkeit. Das Verhältnis zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen
Süden muss neu ausgelotet werden.
taz: Der Norden muss mehr Verantwortung für sein Handeln übernehmen?
Kriegler: Ja. Aus dieser Position heraus kann man dann auch Verantwortung
des Gegenübers einfordern – aber eben auf Augenhöhe, respektvoll und auch
mit dem Blick auf die Geschichte. Europa ist der Kontinent, der die Welt
kolonialisiert hat. Das spielt auch in den Prozessen um gemeinsamen
Klimaschutz eine Rolle. Das muss nicht heißen, dass finanzielle
Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen im Globalen Süden als Reparationen
zu deuten wäre. Die Notwendigkeit dieser Unterstützung ergibt sich allein
schon aus dem Gebot von Fairness und der gemeinsamen, aber
unterschiedlichen Verantwortung. Die symbolische Anerkennung von
vergangenem Unrecht ist wichtig, um gemeinsam mit dem Globalen Süden an
einer guten Zukunft für alle Menschen zu arbeiten.
19 May 2025
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## AUTOREN
Tobias Bachmann
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