# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Südkorea: Neuanfang in Seoul | |
> Südkorea hat nach den Wahlen eine Chance, zur Ruhe zu kommen. Noch sind | |
> die Hürden für den künftigen Präsidenten Lee Jae Myung groß. | |
Bild: Wahlsieger Lee Jae Myung auf dem Weg zu seinen Anhängern | |
Für eine Demokratie, die noch vor wenigen Monaten tief in den Abgrund | |
blickte, zeigte sich Südkorea überraschend lebendig: Knapp 80 Prozent aller | |
stimmberechtigten Südkoreaner nahmen an der Präsidentschaftswahl teil. Das | |
ist die erfreuliche Nachricht aus dem ostasiatischen Tigerstaat: Dass die | |
Bevölkerung, [1][so zerstritten sie auch sein mag], ihr Recht auf freie | |
Wahlen nutzt. In Südkorea wird die noch junge Demokratie eben nicht als | |
Selbstverständlichkeit betrachtet, sondern als hart erkämpfte | |
Errungenschaft. | |
Die schlechte Nachricht ist: Der voraussichtliche Wahlsieger [2][Lee Jae | |
Myung] steht vor nahezu unmöglichen Aufgaben. Neben den realen Problemen, | |
die lahmende Wirtschaft und außenpolitische Herausforderungen, muss der | |
61-Jährige dafür sorgen, eine funktionale Regierung auf den Weg zu bringen. | |
Die Gefahr, erneut in einer Pattsituation mit einer sich querstellenden | |
Opposition festzustecken, ist groß. Es ist unübersehbar, dass nicht nur die | |
Bevölkerung des Landes immer tiefer gespalten ist. | |
Auch innerhalb des Politbetriebs ist die Fähigkeit zu Dialog und Kompromiss | |
zunehmend verkümmert. Stattdessen dominiert ein vereinfachendes | |
Schwarz-Weiß-Denken auf beiden ideologischen Seiten. Angefeuert wird dieses | |
aufgeheizte Klima durch die Marktschreier auf den sozialen Medien, wo sich | |
immer mehr Südkoreaner aller Altersgruppen ihre politischen Nachrichten | |
besorgen. | |
Doch Influencer blenden ihr Publikum mit teils abstrusen Fake News: Da | |
werden die Linken als Spione für die kommunistische Partei Chinas | |
gebrandmarkt und die Konservativen als Inkarnation der alten | |
Militärdiktatoren porträtiert. Die Faktenlage spielt letztlich nur eine | |
untergeordnete Rolle. Südkoreas Demokratie steht an einem Gabelpunkt, den | |
auch viele westliche Demokratien erreicht haben: Die politischen Ränder | |
radikalisieren sich, die Menschen vergraben sich in ihren Echokammern. | |
Der jetzige Neuanfang mit Lee Jae Myung als Präsident fühlt sich auch wie | |
eine letzte Chance an, das Land [3][in ruhigere Fahrwasser] zu führen. Die | |
Aussichten dafür sind zugegebenermaßen alles andere als gut. | |
3 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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