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# taz.de -- Nachruf auf den Künstler Günter Westphal: Immer auf Augenhöhe
> Der Hamburger Günter Westphal schuf beharrlich-leidenschaftlich eine
> Kunst, die auf andere ausgerichtet war. Vor allem auf Menschen im
> Abseits.
Bild: Der Fotograf Günter Westphal wollte Kunst für alle zugänglich machen u…
Hamburg taz | Als es anlässlich eines [1][Interviews im vergangenen Jahr]
um sein Geburtsdatum ging, schrieb Günter Westphal: „Am 5.12.23 (10 Jahre
Werkhaus) bin ich 81 Jahre geworden und befinde mich jetzt im 82.
Lebensjahr“. Das war, so scheint es mir, die ihn ein wenig, aber nicht gut
kannte, typisch für ihn: sich selbst und seine Arbeit so eng zu verknüpfen,
oder anders gesagt, selbst ein Stück weit diese Arbeit zu sein. Der
Hamburger Künstler Günter Westphal hatte eine große Ernsthaftigkeit und
Dringlichkeit mit seiner Arbeit und er hatte ein ungewöhnliches Talent,
dranzubleiben, ohne bitter oder selbstgerecht zu werden.
Die Möglichkeit dazu hätte durchaus bestanden. Westphal schuf und lebte
eine Kunst, die auf andere Menschen ausgerichtet war, soziale Kunstwerke im
engsten Sinn. Der gelernte Fotograf hatte im Hamburger Münzviertel, direkt
hinter dem Hauptbahnhof, gemeinsam mit anderen etwas geschaffen, was er
selbst als gallisches Dorf verstand. Ein Ort, wo partizipative
Stadtgestaltung stattfand, wo Studierende, Obdachlose und linke
Aktivist*innen gemeinsam überlegten, was sie sich wünschten. Westphal
wollte, dass das auf Augenhöhe geschah und wenn das jemals jemandem
gelungen ist, dann ihm.
Westphal war so wenig eitel, wie man es sein konnte und sozial so klug, wie
es ein solches Projekt brauchte. Auf die Frage, wie er die Aktivitäten
durchhält, sagte er im Gespräch mit der taz: „Wenn verschiedene Leute
miteinander arbeiten, kann man von den anderen enttäuscht werden, weil sie
etwas nicht oder nicht so wie gedacht machen. Aber ich habe für mich eben
entschieden, das zu machen. Somit bin ich nur mir selbst gegenüber
verantwortlich und kann von den anderen keine Verantwortung einfordern“.
## Chancen, kein Zwang
Im Kontakt mit der taz sprach Westphal vor allem über seine soziale Kunst,
über [2][das Werkhaus] etwa, die Tagesstätte für junge Obdachlose, wo sie
in Werkstätten die Chance haben sollten, „von Kunst berührt zu werden“. D…
Chance, nicht den Zwang. Westphal sprach lange darüber, wie wichtig die
Idee der ungebundenen Zeit für das Haus sei – und die Mühe, diese Idee der
geldgebenden Sozialbehörde zu vermitteln.
Westphal, das konnte man sich leicht vorstellen, war ausdauernd, um das
Mindeste zu sagen, wenn er etwas erreichen wollte. Etwa die Umbenennung des
Högerdamms nach den jüdischen Lehrerinnen Recha Lübke und Bella Spanier,
die er, anders als er selbst geglaubt hat, noch miterlebte. Genauso
ausdauernd in der [3][Forderung nach Housing First], also Wohnraum für
Obdachlose, der nicht an Bedingungen geknüpft wird.
Aber jenseits dessen gab es noch eine andere Arbeit für Westphal, als
Fotograf, über die er anlässlich seiner Ausstellung „Taste den Mond“ in
einem Überschwang schrieb, der hierfür reserviert schien: „Der Akt des
Fotografierens selbst ist der Ort meiner Selbstverlorenheit. Hier gibt es
weder ein Davor noch ein Danach. Was hier existiert, ist das bloße
berauschende Jetzt“. Die eine Form der Kunst nähre die andere, schrieb
Westphal, der damit zwei Räume vereinte, die wenige vereinen.
Der Autor Hajo Schiff schrieb über ihn: „Günter hat dem Alltag die Kunst
und der Kunst das Soziale abgetrotzt. Bessere Formen des Sozialen hat
Günter mit, vor allem aber als Kunst gefördert und verteidigt. Und im
Beuys’schen Geiste: Ohne die Rose hat Günter es nicht getan. Ein großer
Verlust.“ Günter Westphal ist im Mai 82-jährig nach langer Krankheit
gestorben.
5 Jun 2025
## LINKS
[1] /Kuenstler-ueber-Aesthetik-als-empowerment/!5981019
[2] /Hamburger-Werkhaus-vor-dem-Aus/!5786435
[3] /Wohnraum-fuer-Obdachlose-in-Hamburg/!5644310
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Ästhetik
Fotografie
Hamburg
Obdachlosigkeit
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Housing First
Obdachlosigkeit in Hamburg
Housing First
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