# taz.de -- Lichtblick auf Hamburger Wohnungsmarkt: Das Erbe gerecht verteilt | |
> In Hamburg wollen drei Geschwister ihr Immobilienerbe an ein Kollektiv | |
> weitergeben. Die „Likedeelerei“ verzichtet auf Profitinteresse. | |
Bild: Dem profitorientierten Wohnungsmarkt entzogen: Mehrfamilienhaus in Hambur… | |
Hamburg taz | Im Hamburger Stadtteil Klein Flottbek lebt es sich | |
gutbürgerlich, zwischen Reitturnierpark und Elbblick. Dass hier Häuser | |
vererbt werden, ist gewöhnlich. Was drei Klein Flottbeker Geschwister | |
jedoch nun mit ihrem Erbe vorhaben, nicht: Sie wollen das Haus ihres | |
Großvaters an ein Kollektiv weitergeben. Die „Likedeelerei“, wie sich die | |
Gruppe nennt, [1][erwirbt Immobilien und vermietet sie an auf dem | |
Wohnungsmarkt benachteiligte Menschen, etwa Geflüchtete.] | |
„Für uns gehört es überall dazu, dass es eine gemischte Wohnpolitik gibt�… | |
sagt Simon Stülcken, Mitglied der Likedeelerei. Er begleitet den Hauskauf. | |
Stülcken berichtet, dass man sich mit der Familie auf einen Preis weit | |
unterhalb des Marktwertes geeinigt habe. Der Großvater habe das Haus | |
gebaut, um es günstig zu vermieten. Das „geistige Erbe“ wolle man erhalten. | |
Das Geld für den Hauskauf sammelt das Kollektiv von Unterstützer:innen | |
ein. So kann man ein Darlehen zu eigenen Konditionen aufgeben. Oder man | |
schließt einen Sparvertrag ab, zahlt regelmäßig ein und verdient über | |
Zinsen. | |
Likedeeler, niederdeutsch für Gleichteiler, nannten sich schon die | |
Freibeuter um Klaus Störtebeker. Sie teilten ihre Beute gerecht auf, ganz | |
anders als im feudalen Mittelalter üblich. Mit verteilter Kreditlast wollen | |
die Likedeeler Banken und deren Gewinnlogik umgehen. | |
## Ein Haus fast nur für Geflüchtete | |
In Hamburg haben die Likedeeler nach eigenen Angaben sieben Projekte | |
finanziert. Bis 2028 soll noch ein Neubau dazukommen. In Wilhelmsburg plant | |
das Kollektiv ein ökologisches Holzhaus. 75 Prozent der Wohnfläche [2][soll | |
an Geflüchtete gehen.] | |
Die fünf Stockwerke sollen aus Einzelappartements und Wohnungen für | |
Großfamilien bestehen – beides ist hart umkämpft auf dem Hamburger | |
Wohnungsmarkt. | |
Gerade bezahlbaren Wohnraum gibt es in Hamburg zu wenig, wie jüngste Zahlen | |
zeigen: Zwar zog die Zahl der Neubauten in Hamburg wieder an. | |
Sozialwohnungen bleiben jedoch Mangelware. 8.319 Wohnungen wurden laut der | |
zuständigen Behörde 2024 fertiggestellt, 2023 waren es noch 5.999. Von den | |
neuen Wohnungen sind aber nur 2.261 Sozialwohnungen, etwa 27 Prozent. | |
Stadtweit sinkt der Bestand an Sozialwohnungen laut Wohnungsbehörde. 2023 | |
waren demnach acht Prozent der Wohnungen in Hamburg Sozialwohnungen, etwa | |
80.000. 2011 waren es noch knapp über 100.000. | |
Das Projekt in Wilhelmsburg will das Kollektiv mit rund einer Millionen | |
Euro Eigenkapital aus Spenden und Darlehen finanzieren. Neun Millionen | |
sollen aus Krediten und Förderung der Stadt kommen. | |
## „Kleine Cousine vom Mietshäusersyndikat“ | |
Sobald eine Bank beteiligt ist, steigt das Risiko für die | |
Einzahler:innen kleiner Kredite. Rutschen die Likedeeler in die | |
Insolvenz, hat das Geld der Bank Vorrang. Im schlimmsten Fall sehen | |
Unterstützer:innen ihre Darlehen nicht wieder. | |
Vorbild ist das Mietshäuser Syndikat (MHS). „Wir sind die kleine Cousine | |
vom Syndikat“, sagt Likedeeler Stülcken. Der 42-Jährige wohnt selbst in | |
einem Hausprojekt des MHS. Doch er sieht deren Ansatz kritisch. Das MHS | |
[3][kauft bundesweit Immobilien.] Es ist an 201 Projekten beteiligt, zehn | |
davon in Hamburg. Jedes Haus wird von einem Mieterverein selbstverwaltet. | |
Das Haus gehört einer GmbH, in der wiederum das MHS Veto gegen den Verkauf | |
des Hauses einlegen kann. So sollen die Häuser dauerhaft dem Markt entzogen | |
werden. | |
Jede MHS-Hausgemeinschaft erledigt ihre Bürokratie selbst. Aber dazu | |
braucht es gute Sprachkenntnisse und Wissen über Buchhaltung. „Wir wollen | |
etwas anbieten, wo sich die Menschen nicht mit Verwaltung beschäftigen | |
müssen“, sagt Stülcken. | |
Bei den Likedeelern gibt es daher nur eine GmbH, ihr gehören alle | |
Immobilien. Ein Mieterverein und eine Stiftung mit Vetorecht kontrollieren | |
die GmbH. Die Mitgliedschaft im Verein ist freiwillig. So will das | |
Kollektiv den Zugang zu Hausprojekten möglichst einfach halten. | |
In einer der sechs Wohnungen im Haus in Klein Flottbek soll eine | |
alleinerziehende afrikanische Frau wohnen. Nachbarn hätten sich schon | |
bereit erklärt, ihr mit Behördengängen zu helfen, berichtet Stülcken. | |
Das dürfte im Sinne der drei Geschwister sein. In einer Mitteilung | |
schreiben sie: „In Zukunft sollen hier vor allem solche Menschen den Blick | |
in Bäume und Gärten genießen, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance | |
haben. Wenn das gelingt, würden wir uns freuen.“ | |
29 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Leopold Pelizaeus | |
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