# taz.de -- Legendäre „Weltbühne“ neu verlegt: Kleines Wurstblatt in gro�… | |
> Der Berliner Zeitungsverleger Holger Friedrich bringt „Die Weltbühne“ neu | |
> raus. An das legendäre Blatt der Weimarer Republik kommt sie lange nicht | |
> ran. | |
Bild: Äußerlich kaum zu unterscheiden: Links die neue und rechts die alte „… | |
Die Farbe auf dem Titel ist ein wenig zu knallrot ausgefallen, aber | |
ansonsten entspricht der Umschlag der berühmten Vorlage. Erstmals seit | |
Jahrzehnten ist Die Weltbühne im deutschen Blätterwald wieder erschienen, | |
der Titel mit derselben Schrifttype wie früher gesetzt. „Gegründet von | |
Siegfried Jacobsohn“ steht darunter geschrieben, als hätten wir das | |
Frühjahr 1925, und, das ist neu, „Herausgegeben von Thomas Fasbender und | |
Behzad Karim Khani“. Gilt es, die Wiederauferstehung dieses Zentralorgans | |
der Intellektuellen in der Weimarer Republik zu feiern? | |
Einen Titel kann man kaufen. Jacobsohn kann sich nicht mehr wehren. Bei der | |
Weltbühne war das mit den Rechten wohl komplizierter als bei anderen | |
Blättern, weil die Besitzanzeigen verschlungen genannt werden dürfen. | |
Käufer ist Holger Friedrich, der Verleger der Berliner Zeitung und bekannt | |
als eine Person, deren politische Aussagen im günstigsten Fall als strittig | |
zu bezeichnen sind. | |
In die Fußstapfen von Siegfried Jacobsohn, Carl von Ossietzky und Kurt | |
Tucholsky treten zu wollen, dazu gehört allerdings nicht nur Mut, sondern | |
auch eine große Portion Selbstbewusstsein. An einer solchen mangelt es | |
Friedrich nicht. An etwas anderem aber offenbar schon: Solidarität. | |
Friedrich rief zusammen mit Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zum Stopp | |
aller Waffenlieferungen an die Ukraine auf. | |
Im Mai 2023 besuchte er gar den Empfang der russischen Botschaft in Berlin | |
zum Tag des Sieges am 9. Mai. Auch anwesend: Egon Krenz und AfD-Chef Tino | |
Chrupalla. Thomas Fasbender wiederum, der als einer der Herausgeber der | |
Weltbühne firmiert, ist nicht nur Redakteur für Geopolitik bei der Berliner | |
Zeitung, die der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk gerne „Berlinskaja | |
Prawda“ nennt, sondern war bis 2022 auch Mitarbeiter des russischen | |
Propagandakanals RT DE. Und er tauchte vor kurzem als Interviewpartner des | |
Rechtsaußen-Blatts Junge Freiheit auf, wo er auch schon kommentiert hat. | |
## Keine Furcht vor Tabubrüchen | |
Nun kann jeder selbstverständlich gerne über einen Angriffskrieg führenden | |
Staat schreiben, was und wo er mag. Ob die geäußerten Auffassungen | |
allerdings die richtige Voraussetzung dafür sind, um für ein linkes Magazin | |
zu wirken, dessen Tradition in der freien Debatte begründet ist, da | |
bestehen gewisse Zweifel. Denn dies zeichnete die „alte“ Weltbühne aus: | |
eine geschliffene Sprache, keinerlei Furcht vor dem Bruch von Tabus und | |
offene Diskussionen, auch wenn es weh tut. Und Humor. Auf keinen Fall ein | |
Parteiblatt. | |
Humor findet sich in der „neuen“ Weltbühne schon mal nicht. Aber dafür si… | |
im Titel des Editorials die Worte Tucholskys von 1931 wiederholt, die zur | |
Losung des Blattes werden: „Soldaten sind Mörder“. „Die Weltbühne, die … | |
wie die alte, hält dagegen: Sie kämpft mit der Freiheit gegen den Krieg“, | |
heißt es weiter. Aber was bedeutet es, wenn die Freiheit durch einen | |
Aggressor bedroht ist? Dieser Frage wird besser nicht nachgegangen. Es | |
könnte ja eine unangenehme Antwort herauskommen. | |
Im Auftakttext des gerade einmal 30 Seiten starken Heftchens, das zum | |
stolzen Preis von elf Euro angeboten wird, zeichnet die Publizistin Daniela | |
Dahn ein beschönigendes Bild der nach dem Verbot 1933 erscheinenden | |
Nachfolge-Weltbühnen aus Wien und Prag und der in Ost-Berlin ab 1946 | |
publizierten Ausgabe. Tatsächlich geriet das Blatt ab 1934 in | |
orthodox-kommunistisches Fahrwasser, was Kritik am großen Genossen Stalin | |
ausschloss. Im selben Text sät Dahn Zweifel an einer aggressiven Politik | |
Russlands im Jahr 2025 gegenüber dem Westen. | |
Das allerdings wundert nur denjenigen, der nicht weiß, dass die parteilose | |
Dahn auf dem ersten Parteitag des [1][Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)] | |
Anfang 2024 eine Rede hielt und dabei Waffenlieferungen an die Ukraine | |
verteufelte. | |
## Eine Portion Nostalgie | |
Von der „guten alten Zeit“, die sämtliche Lager anstrebten, warnen die | |
Herausgeber Fasbender und Khani in ihrem Editorial. Dahn bestätigt eine | |
Seite weiter genau diese gute alte Zeit: den kuscheligen linken | |
Konservatismus, in dem Fragen überflüssig sind, der Westen böse, | |
Machtblöcke gesetzt und weniger bedeutsame Staaten gefälligst nach der | |
Pfeife des großen Bruders zu tanzen haben. | |
Die „alte“ Weltbühne glänzte in ihren besten Jahren durch Enthüllungen, … | |
die Weimarer Republik ins Rotieren brachten. Man denke nur an „Windiges aus | |
der deutschen Luftfahrt“, in der es 1929 um die im Versailler Vertrag | |
verbotene Aufrüstung der Reichswehr ging und die Ossietzky eine Haftstrafe | |
einbrachte. | |
Die „neue“ Weltbühne scheint da bescheidener: [2][Dort darf Deborah Feldman | |
Zweifel an der jüdischen Abstammung des Chefs der Jüdischen Allgemeinen | |
äußern], wobei wiederum erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt von Feldmans | |
Argumentation erlaubt sind, wie eine taz-Recherche ergab. Die Republik | |
bewegend sind solcherart Enthüllungen so oder so nicht. Und das ist im Fall | |
dieses Wurstblattes, das sich Weltbühne nennt, auch besser so. | |
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Namen des Gründers der Weltbühne | |
korrigiert. | |
26 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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