# taz.de -- Mockumentary „Messiah Superstar“: Zaghafte Neunziger-Nostalgie | |
> Ein abgehalfterter Eurodance-Star will mit einer Doku-Soap zurück ins | |
> Rampenlicht. Mit Neunziger-Jahre-Charme liegt die Serie „Messiah | |
> Superstar“ im Trend. | |
Bild: Stars der Neunziger: „Messiah“ mit Sabrina Setlur, die sich selbst sp… | |
Bauchfreie Tops, Baggy Jeans, Neonfarben, Tattoo-Ketten und Buffalo-Sneaker | |
– das, was einst mit „Bravo“ und „Viva“-Looks assoziiert war, ist heu… | |
wieder angesagt. Selbst Luxuslabels bringen „Y2K“-Kollektionen auf den | |
Markt, während Retro-Mode von Marken wie „Fila“ und „Kappa“ in | |
Second-Hand-Läden zu teils erstaunlich hohen Preisen gehandelt wird. Anders | |
ausgedrückt: [1][Die Neunziger boomen] und erleben auch in Musik, Medien | |
und Popkultur ein ungeahntes Revival. | |
Über die Gründe dafür kann man sich lange den Kopf zerbrechen. Vielleicht | |
funktioniert das Wiederaufleben der Neunziger in multiplen Krisen als | |
kultureller Eskapismus, womöglich als idealisierte Rückbesinnung auf ein | |
vermeintlich optimistisches Lebensgefühl. Fest steht allerdings: Das | |
Jahrzehnt bietet mit seinen schrillen Stilbrüchen und [2][trashigen | |
Pop-Phänomenen] auch heute noch reichlich Stoff, um sich ausgiebig darüber | |
lustig zu machen. | |
Die neue Comedy „Messiah Superstar“ setzt genau hier an und nutzt dafür das | |
[3][„Mockumentary“-Format], das mit Erfolgsserien wie „Die Discounter“ … | |
der gerade mit einem Grimme-Preis ausgezeichneten Produktion „Players of | |
Ibiza“ hierzulande derzeit ebenfalls sehr im Trend liegt. | |
## One-Hit-Wonder „Messiah“ | |
Im Fokus steht der (fiktive) „Messiah“ (Florian Lukas), eine einstige | |
Eurodance-Größe, die für eine Doku-Soap von einem Kamerateam durch seinen | |
mittlerweile gar nicht mehr so glamourösen Alltag begleitet wird. Der | |
ehemalige Star, der eigentlich Thomas Janowski heißt und mit dem Track | |
„XTC“ im Grunde nur ein einziges Mal die Charts stürmte, kann allerdings | |
nicht recht akzeptieren, dass seine Glanzzeit längst Geschichte ist. | |
Das Restaurant seiner Mutter Bettina (Johanna Gastorf), das er aus | |
nostalgischem Größenwahn heraus „Eatstasy“ genannt hat, hat er zum | |
überdimensionierten Devotionalienladen umfunktioniert: überall Fanartikel, | |
Plattencover, Poster – und mittendrin eine Bühne, auf der der | |
selbsternannte Musik-Messias höchstpersönlich auftritt. | |
Vor einem Publikum allerdings, das sich eher zufällig in die Themenkneipe | |
in Berlin-Wedding verirrt hat und meist nicht einmal weiß, wen es da vor | |
sich hat. Seine Allüren muss vor allem der schüchterne Leon (Jonas Nay) | |
ertragen, sein Unterstützer und Hobby-Produzent – ebenso die genervten | |
Restaurantangestellten, darunter die alleinerziehende Nadine (Banafshe | |
Hourmazdi). | |
## Allzu oft altbekannte Klischees | |
Das schräge Setting der Serie, die auf dem Drehbuch von Sebastian Colley | |
(„Perfekt verpasst“) basiert, und die hemmungslose Selbstinszenierung des | |
„Messiah“ sorgen zwar zuverlässig für intensive Fremdschammomente – doch | |
wirklich zünden will der Humor nicht immer. Denn statt die absurden Seiten | |
der Neunziger lustvoll zu überspitzen und ihr vorhandenes satirisches | |
Potenzial tatsächlich auszuschöpfen, begnügt sich die Serie allzu oft | |
damit, brav das altbekannte Klischee vom abgehalfterten Star | |
durchzuarbeiten. | |
Wirklich witzig ist das eigentlich nur dann, wenn sich die echten | |
Chartgesichter von einst ins Geschehen mischen. Sabrina Setlur etwa spielt | |
sich selbst als Ex-Freundin des „Messiah“ – mit sympathischem Sinn für | |
Selbstironie in der Rolle einer bürgerlich gewordenen Vorstadtbewohnerin, | |
die heute Staubsauger verkauft. | |
Oli P. wiederum tritt als ehemaliger Rivale des „Messiah“ auf. Ihre frühere | |
Fehde flammt im Zuge der Comeback-Versuche des Titelhelden wieder auf und | |
führt zu überdrehten Schlagabtauschen, bei denen sich beide mit | |
unbeirrbarem Ernst um den Thron des Trash-Pop balgen. | |
Zwischen Neunziger-Nostalgie, Nebenschauplätzen und trendiger Doku-Satire | |
findet „Messiah Superstar“ so zwar immer wieder eine Pointe – bleibt jedo… | |
letztlich zu zaghaft, zu formelhaft und zu vorsichtig, um daraus noch etwas | |
mehr als eine schillernde, aber milde Farce zu machen. | |
20 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Arabella Wintermayr | |
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