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# taz.de -- Tod von Nadja Abd el Farrag: Vom Patriarchat gefressen
> Die Entertainerin Nadja Abd el Farrag, bekannt als Naddel, ist
> verstorben. Zuvor litt sie an Leberzirrhose. Doch auch Presse und
> Patriarchat sind schuld.
Bild: Nadja ab el Farrag bei einem Auftritt in Spanien 2019
Naaaaddelll! Das war der markerschütternde Ruf eines Machos nach seiner
Frau, der in den 90er Jahren im Boulevard-TV regelmäßig zu hören war. Der
Macho, das war Deutschlands populärer Popstar, leider noch immer Promi und
Ex-Modern-Talking-Mädchenschwarm Dieter Bohlen. Seine Frau war die von ihm
„Naddel“ getaufte Nadja Abd el Farrag.
Die Rollen in der Beziehung zwischen dem 11 Jahre älteren Bohlen, der heute
71 ist, und Abd el Farrag sind klar verteilt: Er bringt das Geld nach
Hause, sie soll sich um den Haushalt kümmern und dabei gut aussehen. Doch
weil sie mehr ist als nur eine hübsche Hülle, ging die Beziehung mit Bohlen
in die Brüche.
Zwischendurch betrog er sie mit Verona Pooth – damals noch Feldbusch –, die
er über Nacht heiratete. Die Kränkung durch diesen Vertrauensbruch hat Abd
el Farrag noch Jahre später begleitet. [1][„Verona hat damals mein Leben
zerstört“], sagte sie 2019 in einem Interview. Diese Kränkung, wie darüber
berichtet wurde, zeigt, dass Abd el Farrag eben nicht nur an den Folgen
einer Alkoholkrankheit, wie Medien berichten, litt. Abd el Farrag starb als
Frau, die vom Patriarchat gefressen wurde.
Die Hamburgerin begann eine Ausbildung zur Apothekenhelferin, als sie
Bohlen mit etwa Mitte zwanzig kennenlernt, in seinen Musikvideos mitwirkt
und später sogar auf Tour mit ihm geht – laut Abd el Farrag, ohne als
Backgroundsängerin für ihre Arbeit bezahlt zu werden. Sie sei schließlich
in der Probezeit gewesen.
Es sind wilde Zeiten, als die beiden zusammenkommen, die frühen 90er Jahre:
Es gibt noch kein Bewusstsein über Machtverhältnisse,
Smash-the-Patriarchy-Aufkleber an Straßenlaternen und keinen Ausgleich zu
einer brutalen Boulevardpresse, die es kaum abwarten kann, Details über
Deutschlands Glamour-Pärchen Nummer 1 zu erzählen.
## Die Boulevard-Medien lieben den Absturz
Ob es sein Penisbruch ist, über den selbst der Spiegel berichtet, den er
beim Sex mit ihr hatte, oder seine Affäre mit Feldbusch: Alles wurde auf
Kosten von Abd el Farrag ausgeschlachtet. Ob „Nackt-Naddel“, „Zickenzoff�…
oder „Bohlen-Ex“: Jeder Happen, den man von ihr bekommen kann, ist für die
Presse ein gefundenes Fressen. Berichte über häusliche Gewalt, die sie
durch Bohlen erfahren habe, tauchen erst in den vergangenen Jahren auf.
Bohlen soll sie an den Haaren eine Treppe heruntergezogen und im Keller
eingesperrt haben, erzählt sie [2][im Podcast „Lose Luder“ von Désirée
Nick].
Abd el Farrag machte sich Sorgen, was aus ihr werden sollte, nahm viele
Jobs an, war mehrfach im Big Brother Haus, auch im Dschungelcamp. Obwohl
sie ein Luxusleben kannte, arbeitete sie nach der Beziehung als
Altenpflegerin. In den vergangenen Jahren lief sie, wenn überhaupt, in der
Presse nur noch unter Titeln wie „Was ist eigentlich aus xy (Name von
ehemaligen Promis einfügen) geworden?“.
Nostalgisch schauten manche Millennials auf Instagram, ob man da was von
ihr sehen würde, in der Hoffnung, dass sie irgendwie die Kurve gekriegt
hat. Am Ende ist es eine Geschichte, wie sie der Boulevard liebt: nämlich
der von ihrem Absturz, ohne die Kurve zu kriegen.
Jetzt sind alle, die damals draufgehauen und sich lustig gemacht haben,
doch irgendwie bestürzt. Auch Bohlen sei traurig, wie er über Instagram
verkündete. Finanziell unterstützt hat der Multimillionär sie aber offenbar
nicht.
Abd el Farrags Tod ist nicht nur das Ende eines bewegten Lebens, sondern
auch ein Spiegel für den Umgang mit Frauen, die sich gegen ihre Rolle im
System wehren wollten. Sie bleibt als Figur in Erinnerung, die viel mehr
war als nur „Naddel“ – aber nie die Chance bekam, das auch zu zeigen.
13 May 2025
## LINKS
[1] https://www.t-online.de/unterhaltung/stars/id_85268034/nadja-abd-el-farrag-…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=YGIU7vtTT_I
## AUTOREN
Amina Aziz
## TAGS
Popkultur
Patriarchat
Sexismus
Nachruf
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