Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Konferenz gewerkschaftlicher Erneuerung: „Dagegen hilft nur Druck…
> Die Streikkonferenz sucht nach gewerkschaftlichen Antworten auf
> Kürzungspolitik, Rechtsruck und Klimakrise. Ein Gespräch mit
> Organisatorin Fanny Zeise.
Bild: Hoffentlich bald noch konfliktfreudiger: Gewerkschafter:innen auf der 1.M…
taz: Frau Zeise, am Wochenende findet die mittlerweile 6. Konferenz zur
„gewerkschaftlichen Erneuerung“ statt. Was hat der diesjährige Titel
„Gegenmacht im Gegenwind“ zu bedeuten?
Fanny Zeise: Der Rechtsruck, der Industrieumbau und der dauerhafte
Kürzungsdruck in der Daseinsvorsorge sind Dinge, die Gewerkschaften derzeit
vor große Herausforderungen stellen. Darüber hinaus sind Gewerkschaften
schon ziemlich lange in der Defensive. Gewerkschaften haben durch die
neoliberale Wende Anfang der 2000er an Stärke eingebüßt und viele
Mitglieder verloren.
taz: Vor zwei Jahren gab es eine Trendwende. Im Zuge der starken Inflation
[1][traten viele Gewerkschaften wieder konfliktfreudiger auf]. Auch
verzeichneten viele Gewerkschaften wieder einen Mitgliederzuwachs. Ist
dieser Moment schon wieder vorbei?
Zeise: Das glaube ich nicht. 2023 war wirklich beeindruckend, man denke nur
an den Megastreiktag von Verdi und der EVG im Verkehrsbereich. Die
Forderungen waren nicht nur hoch, sondern man hat auch angefangen, anders
an solche Auseinandersetzungen heranzugehen. Mit Organizing-Konzepten wurde
versucht, die Organisationsmacht von Gewerkschaften wieder aufzubauen. Ich
hoffe, dass so ein Erneuerungsmoment von 2023 auch Auswirkungen hat auf die
Auseinandersetzungen, die noch kommen.
taz: Welche Rolle spielt dabei die Konferenz für gewerkschaftliche
Erneuerung?
Zeise: Zur ersten Konferenz vor zwölf Jahren sind 500 Menschen gekommen.
Heute haben wir über 2.000 Anmeldungen. Es war schon immer eine Konferenz
von den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die gesehen haben, dass
das alte Arrangement der Sozialpartnerschaft nicht mehr funktioniert.
taz: … der Begriff bezeichnet das Prinzip, die Interessengegensätze von
Arbeit und Kapital nicht durch Arbeitskampf, sondern durch
konsensorientierte Verhandlungen zu lösen.
Zeise: Genau, Gewerkschaften wurden politisch geschwächt und Arbeitgeber
haben gesehen, sie sind auf diesen Frieden nicht mehr angewiesen und können
viel offensiver ihre Interessen durchsetzen. In den Gewerkschaften gab es
bei unserer ersten Konferenz 2013 einige, die versucht haben,
Gewerkschaftsarbeit anders zu machen: konfliktorientierter,
beteiligungsorientierter und politischer. Deren Beispiele haben wir auf den
Konferenzen diskutiert, um diese Erfahrungen zu verallgemeinern. Sie waren
damit Teil einer Suchbewegung, die in den letzten 12 Jahren deutlich
angewachsen ist.
taz: Politisieren sich die Gewerkschaften? Die Arbeitskämpfe bei den Kitas,
der BVG und in den Krankenhäusern sprachen ja [2][auch immer eine
gesellschaftliche Dimension an.]
Zeise: Die Unterfinanzierung der Haushalte in Ländern und Kommunen zwingt
den Gewerkschaften eine Politisierung geradezu auf. Man hat jetzt die
Auswirkungen, dass die Gebäude marode, das Personal total erschöpft ist und
keiner mehr im öffentlichen Dienst arbeiten will. Man hat alles
runtergewirtschaftet. Dagegen hilft nur Druck in den Betrieben sowie auch
auf der politischen Ebene.
taz: Umfragen zufolge ist der Rechtsruck unter Arbeiter:innen am
stärksten verbreitet. Wie gehen Gewerkschaften damit um?
Zeise: Für Gewerkschaften sind rassistische Spaltungen unter
Kolleg:innen extrem gefährlich. Das widerspricht dem Kern der
Gewerkschaften, sich zusammenzuschließen und gemeinsam zu kämpfen. Deswegen
kann rechte Politik keinen Platz haben. Es ist eine zentrale Aufgabe der
Gewerkschaften dem etwas entgegenzusetzen. Bei der IG Metall gibt es zum
Teil schon Beratungsangebote, die Strategien organisierter Rechter
analysieren und beraten, wie man im Betrieb am besten damit umgeht. Eine
offensive Gewerkschaftsarbeit, die Leute ernsthaft beteiligt, ist
entscheidend. Es gibt Studien, die nahelegen, dass rechten Einstellungen
entgegengewirkt wird, wenn Menschen die Ohnmacht überwinden und kollektives
Handeln Ergebnisse bringt. Es ist daher wichtig, dass Gewerkschaften
Alternativen aufzeigen. Sowohl im Betrieb als auch Gesellschaftlich.
taz: Welche Rolle können Gewerkschaften bei Fragen gesellschaftlicher
Transformation wie dem Klimaschutz spielen?
Zeise: Bei der letzten Konferenz vor zwei Jahren waren auch einige
Klimaaktivist:innen da, das wird dieses Mal wieder so sein. Teile der
Klimabewegung wenden sich den Gewerkschaften zu. [3][Der sogenannte Labor
Turn] entstand aus der Einsicht heraus, dass es die Beschäftigten sind, die
die Transformation gestalten müssen. Echte Klimapolitik kann nur mit der
Macht der Beschäftigten durchgesetzt werden. Ich habe in meinem Leben schon
viele große Demonstrationen erlebt, es ist aber fast nie etwas dabei
herausgekommen. Die Streikmacht ist da etwas ganz anderes. Diese
Möglichkeit, ökonomischen Druck auszuüben, macht Gewerkschaften spannend.
2 May 2025
## LINKS
[1] /Krise-sozialer-Infrastruktur/!6007111
[2] /Arbeitskampf-im-Krankenhaus/!6081897
[3] /Tarifstreit-im-oeffentlichen-Dienst/!6072499
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Streik
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Tag der Arbeit / 1. Mai
Berufsgewerkschaften
Schwerpunkt Stadtland
Kürzungen
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Streikkonferenz“ an der TU Berlin: „Alerta!“ im Audimax
Die Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Wochenende war überlaufen.
Besonders viel Andrang gab es bei den neuen Bundestagsabgeordneten der
Linken.
Arbeitskampf im Krankenhaus: Systemrelevanz zum Mindestlohn
Die Beschäftigten der Charité-Tochter CFM sind im Streik. Richtig so, denn
es soll an denen gespart werden, die die Stadt am Laufen halten.
Arbeitskampf bei der BVG: Streiken gegen Kürzungspolitik
Die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe machen mit einem
24-Stündigen Ausstand ernst. Sie fordern Finanzierungszusagen von Land und
Bund.
Krise sozialer Infrastruktur: Es wird wieder gestreikt
Die Gewerkschaften schöpfen neues Selbstvertrauen und bekommen Zulauf.
Dabei geht es im Arbeitskampf längst um mehr als nur um höhere Löhne
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.