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# taz.de -- Wildnis in Deutschland: In Göttingen bauen Biber keine Dämme
> Für die einen sind sie eine Plage, aus Sicht der anderen leisten sie
> Naturschutz zum Nulltarif: Die Rückkehr der Biber wird nicht überall
> begrüßt.
Bild: Ein Biber beim Abendbrot, es gibt Erle
Göttingen taz | Bertram Preuschhof bahnt sich durch dichtes Gestrüpp den
Weg auf eine kleine Lichtung. „Hier sitzen sie und mümmeln“, sagt er, „d…
ist ihr Fressplatz.“ Wo der Wendebach südlich von Göttingen in einen
Stausee fließt, säumen Bäume und dichtes Gebüsch die Ufer. Äste, Zweige und
Holzspäne liegen kreuz und quer auf dem feuchten Boden. Auf einer kleinen
Halbinsel, die in den See hineinragt, hat jemand ein paar Dutzend Weiden
gefällt: Die spitz zulaufenden, abgenagten Stümpfe an den Stämmen zeigen,
dass hier keine Menschen am Werk waren, sondern Biber.
Der Europäische oder auch Eurasische Biber ist das größte Nagetier Europas,
weltweit ist nur das südamerikanische Wasserschwein größer. Biber werden
vom Kopf bis zum Hinterteil 80 bis 100 Zentimeter lang, dazu kommen bis zu
35 Zentimeter für den Schwanz, die sogenannte Kelle. Ausgewachsene Tiere
wiegen zwischen 25 und 30 Kilogramm. In freier Wildbahn erreichen sie ein
Durchschnittsalter von acht bis zehn Jahren, in Gefangenschaft können sie
noch älter werden.
Etwa 15 Millionen Jahre lang waren Biber in Deutschland zu Hause, auf mehr
als 100.000 Tiere schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) den früheren Bestand. Doch ihr feiner Pelz, ihr schmackhaftes
Fleisch und das Duftsekret „Bibergeil“, das als Wundermittel galt, wurden
ihnen zum Verhängnis: Die Menschen jagten sie unerbittlich. Im 19. und 20.
Jahrhundert war der Nager nahezu verschwunden, nur an der Mittelelbe in
Sachsen-Anhalt überlebte ein kleines Vorkommen.
Dank Schutz- und Wiederansiedlungsprojekten [1][sind Biber heute wieder in
vielen ursprünglichen Verbreitungsgebieten anzutreffen], alleine in
Niedersachsen sollen mehrere Hundert Tiere leben. Im Landkreis Göttingen
hat Preuschhof rund 25 Reviere gezählt und kartiert. Sie liegen meist an
Fluss- oder Bachläufen. Zwei Biber ließen sich im vergangenen Herbst am
Wendebach-Stausee nieder. Preuschhof, der lange Zeit bei der
Naturschutzbehörde des Kreises beschäftigt war, hat sie mit seinen
Wildkameras gefilmt und fotografiert.
## Die Biberrutsche verrät das Revier
Spaziergänger hingegen bekommen die dämmerungs- und nachtaktiven Biber in
der Regel nicht zu Gesicht. Tagsüber hocken die Tiere in ihrem Bau, die
Eingänge liegen unter Wasser und sind nicht zu erkennen. An der
Uferböschung des Wendebachs gibt es aber noch einen weiteren Nachweis für
ein Revier – eine sogenannte Biberrutsche. „Die Biber rutschen hier auf dem
Bauch ins Wasser und formen so eine unverwechselbare Rutschbahn“, sagt
Preuschhof.
Die anderenorts charakteristischen Biberdämme gibt es dagegen hier im
südlichen Niedersachsen nur selten, fügt der Experte hinzu. Diese Dämme
dienen den Tieren dazu, Wasser aufzustauen: Nur wenn die Eingänge zu ihrem
Bau in heißen Sommern trocken zu fallen drohen, bauen die Biber einen Damm.
Im Landkreis Göttingen, so Preuschhof, sei das aber kaum nötig.
In das Dickicht an der Wendebach-Mündung kommen die beiden Biber nur zum
Fressen. Besonders gern mögen sie Weidenrinde. Diese enthält, weiß
Preuschhof, unter anderem Salicylsäure, die sich im Biber-Fettgewebe
anreichert. Acetylsalicylsäure, auch bekannt als ASS oder Aspirin, ist
zugleich ein viel genutzter medizinischer Wirkstoff. Für Menschen wird er
allerdings synthetisch hergestellt.
Außer der Baumrinde fressen Biber als hundertprozentige Vegetarier
Wildkräuter wie Brennnessel und Beifuß. Aber auch Kulturpflanzen wie Mais,
Raps, Rüben und Getreide stehen auf ihrem Speiseplan. An den Bäumen wetzen
und schleifen die Biber außerdem ihre nachwachsenden Zähne.
## Unter Landwirten grummelt es leise
Wurde die Rückkehr der – noch streng geschützten – Biber anfangs
allenthalben als großer Erfolg für den Artenschutz gefeiert, macht sich
inzwischen ein leises Grummeln bemerkbar. Insbesondere Landwirte klagen
darüber, dass Flächen unter Wasser gesetzt werden und angenagte Bäume in
Getreide- oder Rapsfeldern landen. „Biberschutz darf nicht auf Kosten der
Landwirtschaft gehen“, sagt Hubertus Berges vom Vorstand des Landvolks
Niedersachsen.
„Biber sind super Naturschützer“, hält Biologe Preuschhof dagegen. Durch
ihre fleißige Bautätigkeit und das Aufstauen von Bächen schüfen sie
vielfältige Lebensräume wie Kleingewässer, Totholz und Feuchtwiesen, in
denen sich Libellen, Amphibien und Reptilien, Fische und Vögel wohlfühlten.
[2][Wo der Mensch viel Geld und Energie für den Erhalt der Biodiversität
aufwenden müsse, helfe der Biber zum Nulltarif.]
1 May 2025
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## AUTOREN
Reimar Paul
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