# taz.de -- Beisetzung von Papst Franziskus: Ein Papst für Alle | |
> 250.000 Menschen begleiten Papst Franziskus auf seiner letzten Reise. | |
> Sein Einsatz für die Armen und Ausgeschlossenen prägten sein Image und | |
> auch seinen Abschied. | |
Bild: Ein Banner zum Dank an den Papst hängt während des Trauerzuges mit dem … | |
Rom taz | Um [1][zehn Uhr soll die Totenmesse] für den am Montag im Alter | |
von 88 Jahren gestorbenen [2][Papst Franziskus] beginnen, doch schon gut | |
zwei Stunden vorher sind es zehntausende Menschen, die auf der breiten Via | |
della Conciliazione Richtung Petersplatz drängen. Der nicht endende Strom | |
ist kanalisiert durch Absperrgitter, und immer wieder werden die Menschen | |
aufgehalten. „Stopp“, ruft ein Mann vom Zivilschutz, während er mit seinen | |
Kolleg*innen und mit Leuten vom Roten Kreuz eine Kette bildet, doch | |
schnell heißt es: „Weiter!“ | |
Eher aufgekratzt als traurig wirkt das Heer der Trauergäste, und auch die | |
beiden jungen Priester, die zum Platz streben, unterhalten sich angeregt. | |
Der eine von ihnen komme aus Sri Lanka, der andere aus Äthiopien, erklären | |
sie auf Nachfrage. Sie treiben Bibelstudien an der Gregorianischen | |
Universität in Rom, und sie sind sich einig: „Franziskus war etwas | |
Besonderes“. Sein Einsatz für die Armen, die Ausgeschlossenen aller | |
Kontinente – er habe schlicht „das Evangelium gelebt“. | |
Weit weniger enthusiastisch äußert sich die Argentinierin gleich hinter | |
ihnen. Sie ist mit ihrem 16-jährigen Sohn angereist, aber nicht etwa wegen | |
des Papstbegräbnisses. Sie wollten zum „Giubileo degli adolescenti“, zum | |
„Heiligen Jahr der Teenager“, zu der in seinem Rahmen eigentlich für | |
Sonntag geplanten Heiligsprechung von Carlo Acutis, der im Jahr 2006 mit | |
nur 15 Jahren gestorben war. | |
Dass der tote Papst auch Argentinier war, ist für die Dame unerheblich, und | |
zu seiner Rolle in der Kirche fällt ihr nur ein, „er war eben das | |
Oberhaupt, genauso wie sein Vorgänger, genauso wie sein Nachfolger“, gibt | |
sie höflich ihre Distanz zu Franziskus zum Ausdruck. | |
## Hoffnung auf würdigen Nachfolger | |
So wie die Argentinierin und ihren Sohn hat der Terminkalender des Heiligen | |
Jahrs an diesem Wochenende zehntausende Jugendliche nach Rom geführt – | |
Gruppen von Pfadfinder*innen oder aus Pfarreien prägen das Bild. Auf | |
dem Bürgersteig hat sich ein Trupp aus der norditalienischen Kleinstadt | |
Desio nördlich von Mailand niedergelassen, einige von ihnen vertreiben sich | |
die Zeit mit Kartenspiel. | |
„Als wir vom Tod des Papstes gehört haben, haben wir uns die Frage | |
gestellt, fahren wir trotzdem nach Rom, auch wenn die Heiligsprechung von | |
Acutis verschoben ist?“, erzählt einer von ihnen, „aber alle waren dafür�… | |
Hier, ist er sicher, werde heute „die Einheit der Weltkirche gelebt“, und | |
dieser Papst habe gerade das junge Volk immer am Herzen gehabt, „hoffen | |
wir, dass sein Nachfolger genauso tickt“. | |
Ganz so optimistisch sind Alessandra und Marco nicht. Die beiden | |
50-Jährigen haben einen Platz ganz vorne auf der Via della Conciliazione | |
gefunden, am Rand des Petersplatzes, gemeinsam mit ihrem elfjährigen Sohn, | |
der es sich auf einem Campingstühlchen bequem macht. „Wir haben ihn | |
seinerzeit Francesco getauft“, erzählt Marco, „gerade wegen dieses damals | |
kurz vorher gewählten Papstes“. Um fünf Uhr morgens ist die Familie aus | |
Assisi aufgebrochen, und wenn man sie nach dem toten Papst fragt, leuchten | |
ihre Augen. | |
„Er meinte es ernst mit der ‚Kirche für alle‘“, schwärmt Marco, zitie… | |
von Franziskus verkündete Motto, „tutti, tutti, tutti!“, „Alle, alle, | |
alle!“. Dann zeigt er auf Sankt Peter und mokiert sich sofort, „da ist doch | |
jede Menge Geld unterwegs“, während der Verstorbene nichts gegeben habe auf | |
weltlichen Luxus. Und während der die Öffnung hin zu den Ausgeschlossenen, | |
den Armen, den Obdachlosen, den Geflüchteten und auch Minderheiten wie den | |
Schwulen gepredigt und gelebt habe. | |
## Einer der Brücken baut | |
Als Nachfolger auf dem Stuhl Petri könnte Marco sich Luis Antonio Tagle von | |
den Philippinen vorstellen, „der hat die gleiche Sicht auf die Dinge wie | |
Franziskus“. Wenn es dagegen ein Italiener werde, „dann, so fürchte ich, | |
geht es wieder vor allem ums Zeremonielle, nicht ums Spirituelle“. | |
Pünktlich um zehn Uhr beginnt die Trauermesse. Links des Altars haben die | |
Kardinäle Platz genommen, rechts die Staatsdelegationen aus aller Welt. Die | |
Messe liest der greise Kardinaldekan, der 91-jährige Giovanni Battista Re. | |
Und er bringt Franziskus' Botschaft präzise auf den Punkt, dessen Kampf | |
gegen eine Kultur, die Menschen als „Ausschuss“ behandelt. | |
Er spricht an, dass Jorge Mario Bergoglios erste [3][Papstreise nach | |
Lampedusa] führte, dass er dann auf der Flüchtlingsinsel Lesbos war, dass | |
er eine Messe an der Grenze zwischen Mexiko und den USA hielt. An dieser | |
Stelle brandet auf dem Platz Applaus auf. | |
## Gespräche zur Ukraine am Rande | |
Nicht geklatscht haben dürfte allerdings der mit seiner Gattin Melania | |
angereiste US-Präsident Donald Trump, ebenso wenig wie bei der Passage, in | |
der Kardinal Re Bergoglios Aufforderung zitierte, man solle „Brücken | |
errichten, nicht Mauern“. Ob Trump sich in Rom um die Errichtung von | |
Brücken wenigstens gegenüber Wolodymyr Selenskyj bemühte, ist nicht | |
bekannt. | |
Die ukrainische Regierung verbreitete Fotos [4][eines Gesprächs, das die | |
beiden im Petersdom unmittelbar vor der Totenmesse führten], zunächst unter | |
vier Augen, während später auch Frankreichs. Präsident Emmanuel Macron und | |
der britische Premierminister Keir Starmer hinzutraten. | |
15 Minuten dauerte dieses Gespräch, doch die aus der ukrainischen | |
Delegation geäußerte Hoffnung, direkt nach der Messe könne es eine | |
ausführlichere Runde zwischen den beiden geben, erfüllte sich nicht. Denn | |
Trump brach umgehend zum Flughafen auf. Die Messe endete kurz nach 12 Uhr. | |
## Einer von ihnen | |
Der Vatikan gab die Zahl der Teilnehmer*innen mit 250.000 an – eine | |
großzügige Schätzung. Jedenfalls war die Menge weit entfernt von dem | |
Millionenheer, das im Jahr 2005 der Beisetzung Johannes Pauls II. beiwohnte | |
– ein untrügliches Zeichen der Säkularisierung, die auch in Italien | |
voranschreitet. | |
Unmittelbar nach der Messe trat Franziskus seine letzte Reise an, wurde | |
sein Sarg auf einem Papamobile zur sechs Kilometer entfernten Basilika | |
Santa Maria Maggiore gefahren, in der er bestattet werden wollte. Dort – | |
auch dies geschah auf seinen Wunsch – erwarteten ihn auch 40 jener | |
„Ausgeschlossenen“, für die er sich immer eingesetzt hat, Menschen zum | |
Beispiel aus dem Wohnprojekt Spin Time, einem besetzten früheren | |
Bürogebäude, in dem etwa 400 Menschen leben. | |
Menschen, denen der Papst immer wieder unter den Arm griff, zum Beispiel | |
als er im Jahr 2019 seinen „Almosenmeister“, Kardinal Konrad Krajewski, zum | |
Spin Time herausschickte, als dort der Strom abgeklemmt worden war. | |
Krajewski stieg in den Keller – und schaltete den Strom wieder an, | |
gleichsam mit päpstlichem Segen. Einer aus der 40-köpfigen Gruppe brachte | |
später vor der Kamera des italienischen Staatsfernsehens RAI zum Ausdruck, | |
was er fühlte: „Er war einer von uns“. | |
26 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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