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# taz.de -- Israel beim Eurovision Song Contest: Der Wunsch nach Eskapismus
> Die Situation in Gaza ist nicht mehr zu rechtfertigen, sagen sogar
> Israels Verbündete. Israel sollte von Wettbewerben wie dem ESC
> ausgeschlossen werden.
Bild: Protest während Yuval Raphaels Auftritt beim Halbfinale des Eurovision S…
Seit Anfang März lässt Israel keine Hilfslieferungen in den Gazastreifen.
Nahrungsmittel und Medikamente gehen aus und Hilfsorganisationen warnen vor
[1][einer massiven Hungersnot]. Der Nothilfekoordinator der UN, Tom
Fletcher, prangerte die Blockade am Dienstag im UN-Sicherheitsrat an.
Israel schaffe „bewusst und schamlos unmenschliche Bedingungen“, sagte er,
und sprach von einem drohenden Völkermord. „Welche Beweise brauchen Sie
jetzt noch?“, fragte er.
Derweil kündigt Netanjahu einen weiteren Vormarsch an. Doch die Kritik
daran wird immer lauter. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez
bezeichnete Israel in dieser Woche als „genozidalen Staat“. Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron nannte Israels Vorgehen „inakzeptabel“ und eine
„Schande“.
Selbst Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, die bisher zum Vorgehen
ihres Verbündeten in Israel geschwiegen hatte, bezeichnete die Lage im
Gazastreifen als „durch nichts zu rechtfertigen“. Nur die deutsche
Regierung versucht weiter so zu tun, als sei alles wie immer. Friedrich
Merz hält stur daran fest, Benjamin Netanjahu nach Deutschland einzuladen,
obwohl der wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gesucht wird, und
[2][Frank-Walter Steinmeier schüttelte Netanjahu in Jerusalem die Hand]:
ein Symbolbild für deutsche Realitätsverweigerung.
Es ist längst überfällig, Israel von internationalen Wettbewerben wie dem
Eurovision Song Contest auszuschließen. Das gilt auch für europäische
Fußball-Wettbewerbe, wie man es mit russischen Mannschaften nach Russlands
Angriff auf die Ukraine getan hat.
## Propaganda auf der Bühne
Dass es in Israel demokratischer zugeht als in Russland ist kein Argument
dagegen: Auch Demokratien müssen sich im Krieg an Regeln halten und das
Völkerrecht achten. Die Teilnahme Israels an diesen Wettbewerben dient nur
dazu, den Schein einer Normalität aufrechtzuerhalten, die es längst nicht
mehr gibt. Der ESC macht sich damit außerdem zu einer Bühne für israelische
Propaganda.
Dass man von dort in diesem Jahr [3][eine Sängerin schickt, die den Angriff
der Hamas am 7. Oktober 2023 überlebt hat], passt in die propagandistische
Linie der Regierung, immer wieder auf die Kriegsverbrechen der Hamas und
das dadurch verursachte Leid hinzuweisen, um von [4][eigenen
Kriegsverbrechen] abzulenken oder diese gar zu rechtfertigen. Yuval Raphael
ist eine unpolitische Sängerin, versteht sich aber dezidiert als
Botschafterin ihres Landes. Ihre vordergründig ebenfalls unpolitische
Ballade „New Day Will Rise“ handelt von Trauer und Selbstbehauptung
angesichts eines erzwungenen Abschieds und kann, sicher kein Zufall,
durchaus nationalistisch gelesen werden.
Doch beim Eurovision Song Contest möchte man zwanghaft beim „business as
usual“ bleiben. Zwar haben die Rundfunkanstalten Spaniens, Islands und
Sloweniens und über 70 ehemalige Eurovision-Teilnehmer gefordert, Israel
vom Musikwettbewerb auszuschließen. Sie werfen Israels
öffentlich-rechtlichem Sender KAN vor, eine Mitschuld an der
Entmenschlichung der Palästinenserinnen und Palästinenser zu tragen, die
die brutale Kriegsführung begünstigt. Doch die Europäische Rundfunkunion
(EBU), die den Musikwettbewerb veranstaltet und in der Deutschland als
größter Beitragszahler eine zentrale Rolle spielt, setzt sich darüber
hinweg. Man möchte sich die schöne Show nicht verderben lassen.
## Die deutsche Musikszene schweigt
Dieser Eskapismus entspricht dem deutschen Hang zur Realitätsverleugnung,
der auch in der Medien- und Kulturbranche verbreitet ist. Zum Start der
Filmfestspiele in Cannes haben Stars wie Javier Bardem, Julie Delpy und
weitere Filmschaffende gerade in einem offenen Brief [5][den „Völkermord“
in Gaza verurteilt]. Jurypräsidentin Juliette Binoche erinnerte an die
palästinensische [6][Fotojournalistin Fatima Hassouna], die mit ihren
Verwandten im April bei einem israelischen Luftangriff auf ihr Haus getötet
wurde und deren Film an der Croisette gezeigt wird.
Bei der Verleihung des deutschen Filmpreises in Berlin applaudierte das
Publikum dagegen kürzlich brav einem Wolf Biermann, der mit einem leicht
abgewandelten Golda-Meir-Zitat zynisch den Palästinenserinnen und
Palästinensern selbst die Schuld daran gab, dass sie getötet werden.
Zugleich werden in Deutschland inzwischen reihenweise Konzerte von Bands
wie [7][Kneecap] und [8][The Murder Capital] abgesagt, weil sie Israel zu
scharf kritisieren – ohne dass sich dagegen Protest regt. Das Schweigen der
deutschen Musikszene dazu ist beängstigend.
16 May 2025
## LINKS
[1] /Blockade-in-Gaza/!6081454
[2] /Steinmeier-in-Israel/!6087915
[3] /Eurovision-Song-Contest/!6084659
[4] /Pressefreiheit-in-Israel/!6068408
[5] https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/cannes-filmstars-israel-gaza-k…
[6] /Israelischer-Luftangriff/!6083042
[7] /Spielfilm-Kneecap-ueber-IRA/!6059542
[8] https://www.billboard.com/music/music-news/the-murder-capital-german-shows-…
## AUTOREN
Daniel Bax
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