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# taz.de -- Protest aus sächsischer Jugendhilfe: Die Jugendhilfe will mehr Geld
> Auf Europas größtem Jugendhilfegipfel in Leipzig demonstrieren sächsische
> Vereine. Sie fordern mehr Unterstützung und weniger Bürokratie.
Bild: Die Demonstration auf dem Messegelände soll ein Zeichen setzen
Leipzig taz | Schrilles Pfeifen unterbricht den angeregten Trubel auf der
Leipziger Messe. Seit Dienstag tagt dort Europas größter Jugendhilfegipfel.
Doch am Mittwochmittag zieht eine kleine Demo in der Messehalle 2 an den
rund 300 Ständen vorbei. „Kürzungen? Nicht mit uns“, skandieren ein paar
Menschen im hinteren Teil. „Labert nicht, handelt endlich für die Jugend“,
steht auf einem Plakat. Am Ende protestieren etwa hundert
Teilnehmer:innen lautstark. Einige Messebesucher:innen
applaudieren, manche schließen sich an, andere halten sich die Ohren zu.
Mehr als ein Dutzend sächsische Jugendhilfe-Organisationen protestieren
gegen die finanziellen Bedingungen der Jugendhilfe, „eine zunehmende
Kontrolle durch Behörden, tiefes Misstrauen gegenüber gemeinnützigen
Trägern und eine wachsende Einmischung der Jugendämter in unsere
Autonomie“. Das beeinträchtige die Jugendarbeit.
Beim [1][18. Deutschen Jugendhilfetag in Leipzig] erwarten die
Organisator:innen etwa 30.000 Besucher:innen. Vereine,
Wohlfahrtsorganisationen und Arbeitsgemeinschaften sind da. Zur Eröffnung
am Dienstag kamen unter anderem der sächsische Ministerpräsident Michael
Kretschmer, Bundes-Jugendministerin Karin Prien (beide CDU) und Karin
Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe.
Die Politiker:innen betonten, wie wichtig die Arbeit sei. Rund 22
Millionen junge Menschen unterstütze die Jugendhilfe jeden Tag, berichtete
Böllert. Dafür erwarte sie von der Politik, vertrauensvolle
Rahmenbedingungen.
## Jugendarbeit eine Pflichtaufgabe der Politik
Das erwartet auch Maik Friedrich. Der 60-jährige Sozialarbeiter ist
Vorsitzender des Vereins für offene Jugendarbeit im Vogtlandkreis,
südwestlich in Sachsen. Bei der Demonstration in der Messehalle läuft er
mit Warnweste und Pfeife aus dem 3-D-Drucker vorweg.
Seit 2009 arbeitet er im Jugendzentrum Jam in der Stadt Reichenbach mit
20.000 Einwohner:innen. Es sei oft schwer, die Probleme der Jugendarbeit
öffentlich zu verhandeln, erklärt Friedrich der taz. Die verschiedenen
Angebote und Finanzierung über die Kommunen: das sei überall ein bisschen
anders, aber immer kompliziert. Doch am Ende gehe es darum, welche
Freizeit- und Bildungsangebote junge Menschen in ihrer Umgebung finden.
Das Jugendzentrum Jam etwa hat von Montag bis Freitag geöffnet, eine Cola
kostet 50 Cent, es gibt einen 3-D-Drucker, Konsolen und einen Billardtisch.
Manchmal lädt das Jam zum Kochen mit den jungen Menschen auch
Lokalpolitiker:innen ein. „Grill deinen Abgeordneten“, heißt das.
„Die Kids sollen sehen, dass Lokalpolitiker Menschen sind, denen man seine
Nöte mitteilen kann“, erklärt Friedrich.
Doch an diesem Mittwoch geht es Maik Friedrich selbst um Nöte: Für die
Arbeit im Jam gibt es etwa 1,5 Stellen. „Wir brauchen mehr personelle
Ressourcen“, fordert der 60-Jährige. Er wisse zwar, dass der Vogtlandkreis
nicht das nötige Geld habe, um mehr zu bezahlen. In anderen Kommunen sei
das genauso. „Das bedeutet allerdings nicht, dass wir mit einer derart
unterdurchschnittlichen Finanzierung der Jugendarbeit einverstanden sind.“
Die Situation müsse sich ändern.
## Zu viel Bürokratie
Aber ganz oben auf seiner Liste stehe ein anderes Thema: „Der bürokratische
Aufwand muss weniger werden.“ Beispielhaft für „ausufernde“ Bürokratie
stehen laut Friedrich Regale, die der Verein letztens für die
Schulsozialarbeit angeschafft hat. Die waren beim Amt beantragt und
bewilligt, so erzählt er es. Doch als sie standen, musste er nochmal
darlegen, wie die Regale der Aufgabenerfüllung dienen. „Das ist doch
widersinnig. Vorher begründen, nachher begründen“, ärgert sich Friedrich.
Weniger Bürokratie bedeute mehr Zeit für die Jugendarbeit. Doch die offene
Jugendarbeit werde vielen Landkreisen als austauschbar wahrgenommen. „Wenn
[2][man kürzt, dann zuerst bei uns].“
An anderer Stelle störe Friedrich, dass das Jugendamt alles kontrollieren
wolle. So soll das Jam etwa erfassen, wie viele Besucher kommen, welche
Altersgruppen, welches Geschlecht und ob sie Beeinträchtigungen haben. „Das
ist nicht unsere Aufgabe“, findet der Sozialarbeiter. Er verstehe auch
nicht, wofür das gut sein solle. Auch das binde Arbeitskraft.
Die Demonstration auf dem Messegelände solle ein Zeichen setzen, sagt
Friedrich. Jugendarbeit sei eine Pflichtaufgabe der Politik.
14 May 2025
## LINKS
[1] https://www.jugendhilfetag.de/
[2] /Kuerzungen-im-Haushaltsentwurf/!6081108
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Jugendhilfe
Michael Kretschmer
Jugendamt
Sozialpolitik
GNS
Jugendhilfe
Leipzig
Schwerpunkt Stadtland
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