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# taz.de -- Neues Album von Masha Qrella: Es weht ein kalifornischeres Lüftchen
> Masha Qrella hat ihr neues Album „Songbook“ veröffentlicht. Die Songs
> geben Einblick in den Arbeitsalltag einer Künstlerin.
Bild: Masha Qrella
Das eigene Album „Songbook“ zu nennen, ist ein ziemlicher Aufschlag,
drängen sich doch zwangsläufig Assoziationen zum [1][„Great American
Songbook“] auf. Was ja wiederum keine Sammlung von Songs ist, sondern
vielmehr einen Kanon bezeichnet: Jazz-Standards, Show-Tunes – klassisches
Songmaterial, das die US-Unterhaltungsmusik um die Mitte des 20.
Jahrhunderts eben prägte.
Dass das neue Album der Berliner Künstlerin Masha Qrella nun so heißt,
weckt deshalb Erwartungen. Etwa, Stücke kennenzulernen, die die
Singer-Songwriterin, die über eine subtile, aber sehr effektive Musikalität
verfügt, geprägt haben – was bei ihrem Haken schlagenden Schaffen ja ein
wilder Ritt sein könnte.
In den späten Neunzigern gründete Qrella, geboren in 1975 in Ostberlin, die
Postrock-Combo Mina mit, bald folgte Contriva. Instrumentalmusik also –
ihre Stimme suchte sie damals noch. Seit 2002 veröffentlichte sie dann
verlässlich gute Soloalben. Lange sang sie mit ihrer hellen Stimme nur
Englisch, oft hatte Qrellas Sound einen luftigen Westcoast-Vibe – auf
„Keys“ (2016) strahlte er extrahell.
[2][Das Doppelalbum „Woanders“ (2021), eine phänomenale, zeitgemäße
Vertonung von Texten des Dichters Thomas Brasch, macht sie endgültig zum
Feuilletonliebling.] An das Singen auf Deutsch hatte sie sich schon mit
ihrer EP „Day After Day“ (2019) und Texten von Heiner Müller und [3][Einar
Schleef] herangetastet. Qrella schöpft also aus unterschiedlichsten
Inspritationsquellen.
## Musikalischer Rückgriff
„Cool Breeze“, der Auftakt des neuen Albums, klingt tatsächlich wie ein
Rückgriff auf Zeiten, als ein kalifornischeres Lüftchen durch Qrellas
Indiepop wehte. Veröffentlicht wurde das Original 1979 von der Jeremy
Spencer Band. [4][Acht Jahre zuvor war Spencer plötzlich bei Fleetwood Mac
aus- und in eine religiöse Sekte eingestiegen.] Dieser Song klang jedoch
verblüffend wie seine vormalige Band – wenn auch pathostriefender, nicht so
flirrend wie die Brise, die Qrella wehen lässt.
Im dazugehörigen Musikvideo rennt die Künstlerin über ein brandenburgisches
Stoppelfeld, darüber schwebt eine Discokugel. Ursprünglich wollte Qrella
das Stück für einen Fernsehfilm covern, für dessen Soundtrack sie angefragt
war – letztlich ging der Auftrag jedoch an jemand anderes. Hintergrundinfos
wie diese finden sich im Pressetext, bedauerlicherweise aber nicht in den
Liner Notes – gerade bei dem Kessel Buntes, der das Album ist, wäre etwas
Kontext für die Fangemeinde durchaus erhellend gewesen.
Vieles von dem, was auf „Songbook“ zu finden ist, hat eine ähnliche
Entstehungsgeschichte. Zur Hälfte besteht das Album aus Coverversionen; die
restlichen sechs Tracks sind Auftragsarbeiten, liegen gebliebene
Kollaborationen und einiges mehr. So vermittelt die Musik auch Einblicke in
den Arbeitsalltag von Künstler:innen – und die Synergie- und
Serendipitätsmomente, die im besten Fall daraus entstehen. Von
Herzblutprojekten allein können heute nur die wenigsten leben.
„Songbook“ ist dennoch alles andere als eine Reste-Rampe, obwohl nicht
jeder Song gleichermaßen zwingend wirkt.
## Prince und Purcell
Etwas fluffig, weniger soghaft wirkt „Sometimes the rain just keeps falling
for a long time“ – entstanden aus einer Auftragsarbeit über Novalis, den
Dichter und Philosophen der deutschen Frühromantik. Qrella hielt sich dabei
an die englische Übersetzung und dreht diese durch die Mangel eines
Prince-Songs und einer Purcell-Oper.
Oft genug schafft es Qrella jedoch, aus Fremd- oder Eigenkompositionen
etwas Neues herauszukitzeln. [5][Etwa, indem sie Manfred Krugs im Original
eher unaufgeregten Song „Um die weite Welt zu sehen]“, über einen Mann, der
die sprichwörtlichen Zigaretten holen geht, um zu verduften, in einem
quasi-psychedelischen Gewitter enden lässt. In der zweiten Strophe wird
klar, dass seine Scham nicht einer verlassenen Liebe gilt, sondern der
Sorge, als „Feigling“ zu gelten, „der seine Leute im Stich lässt“. Der…
unbekannte Song fand sich auf Krugs erstem Album, das er veröffentlicht
hatte, nachdem er aus der DDR in den Westen umgesiedelt war.
3 May 2025
## LINKS
[1] /Nachlass-Album-von-Dr-John/!5889825
[2] /Masha-Qrella-vertont-Thomas-Brasch/!5752140
[3] /Virtual-Reality-im-Theater/!5753315
[4] /Nachruf-auf-Christine-McVie/!5899727
[5] /Soul-Musik-aus-der-DDR/!5891551
## AUTOREN
Stephanie Grimm
## TAGS
Masha Qrella
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