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# taz.de -- AfD ist gesichert rechtsextrem: Entnormalisiert diese Partei!
> Der Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem
> eingestuft. Im Kampf für die Demokratie ist jetzt die Zivilgesellschaft
> gefragt.
Bild: Da sitzen sie nun, Gauland und Weidel von der gesichert rechtsextremen AfD
Nun hält auch der [1][Verfassungsschutz die AfD für rechtsextrem]. Wer in
den vergangenen zehn Jahren den Weg der AfD verfolgt hat, weiß, welchen
Prozess der Radikalisierung die Partei durchlief – und dass deren wachsende
Wählerschaft jeden Schritt der Radikalisierung mitgegangen ist. Dies
widerlegt die für die alte Bundesrepublik gültige Erkenntnis der
westdeutschen Parteienforschung, wonach eine rechte Partei Wähler verliert,
je radikaler sie auftritt. Bei der AfD ist es genau andersrum: Die
Wählerschaft hat jede rhetorische und programmatische Radikalisierung der
Partei belohnt.
Die vielbeschworene Mitte der Gesellschaft wirkte und wirkt zeitweise an
diesem Belohnungssystem mit, in dem sie die Wähler- und Anhängerschaft der
AfD seit dem Aufstieg von Pegida so lange in die Watte des
verständnisvollen politischen Entgegenkommens packte, dass ihre politische
Normalisierung jedenfalls in Ostdeutschland als abgeschlossen betrachtet
werden muss. Genützt hat dieses inhaltliche Zurückweichen in dem Sinne,
dass dadurch Wähler oder Anhänger der Partei zurückgewonnen wurden, nichts.
Und nun soll es der Verfassungsschutz sein, der die AfD stoppt?
Die entscheidende Frage wird nun sein, ob das Gutachten des
Verfassungsschutzes eine konkrete Wirkung in der Auseinandersetzung mit der
Partei entfaltet. Zweifel sind angebracht. Denn im Grunde müsste das
Gutachten eine politische Rückabwicklung der Normalisierung der Partei und
ihrer Positionen in Gang setzen. Dies würde viel mehr bedeuten, als nur die
[2][Einladungen von AfD-Politikern in die Talkshows] des Landes
auszusetzen. Es würde bedeuten, dass die Vertreter der Partei von
Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
ausgeschlossen sind und bleiben.
Dies würde bedeuten, dass die Partei aus den Beiräten, Aufsichtsgremien und
Kuratorien von Fernsehsendern, Kultur- und Bildungseinrichtungen in die
ihre Vertreter durch die parlamentarischen Erfolge des vergangenen
Jahrzehnts gekommen sind, mit dem Hinweis auf ihre Verfassungsfeindlichkeit
hinaus zu komplementieren. Es würde bedeuten, die in den Kommunen, aber
auch in einigen ostdeutschen Landtagen exemplarische Kooperation mit der
Partei zu beenden und einen klaren Kurs der inhaltlichen Abgrenzung zu
dieser rechtsextremen Partei einzuschlagen. Keine Ausschussvorsitze für die
AfD, keine Zustimmung zu ihren Anträgen, weder im Gemeinderat noch im
Bundestag. Kurz, es würde bedeuten, mit der AfD so umzugehen, wie mit
anderen rechtsextremen Parteien wie der NPD auch umgegangen wurde:
[3][ausgrenzen und als rechtsextrem brandmarken.]
Ist es wahrscheinlich, dass dies genauso kommt, nachdem die AfD über Jahre
hinweg beharrlich daran gearbeitet hat, ihre rechtsextremen Inhalte im
Gewand des „gesunden Menschenverstandes“ zu präsentieren? Wohl kaum. In
Teilen Ostdeutschlands ist die AfD eine Partei mit einer Zustimmung von 30
Prozent plus x – und damit ein Machtfaktor. Dass die AfD vor Ort eine
Partei wie jede andere sei, weil man es im Gemeinderat oder im Kreistag
nicht mit Björn Höcke oder Alice Weidel zu tun habe, sondern mit Menschen,
die man von vor Ort als Mitbürger seit Jahren kenne, ist ein Argument, das
oft zu hören ist, wenn es um die Abgrenzung zur AfD geht.
## Radikalisierung und Normalisierung zugleich
Ein Gutachten einer geheimnisvollen Behörde aus dem fernen Köln ändert in
Ostdeutschland nichts an der habituellen, lebensweltlichen und damit
irgendwann auch politischen Nähe zwischen der AfD und Teilen der CDU, den
Freien Wählern oder im Zweifelsfall auch Vertretern von SPD, Linken und
Grünen vor Ort, soweit diese noch vorhanden sind. In Ostdeutschland bringt
die AfD das Kunststück fertig, eine radikal rechte Agenda zu vertreten und
zugleich permanent erfolgreich an ihrer Selbstverharmlosung zu arbeiten. Es
funktioniert: Radikalisierung und Normalisierung gehen bei der AfD nicht
mehr nur im Osten Hand in Hand.
Ein Gutachten, das im Wesentlichen aufführt, was jeder in der Zeitung lesen
kann, nämlich dass sich die AfD rassistisch und rechtsextrem einlässt,
quittieren zu viele Wähler in den ostdeutschen Ländern mit dem Satz: Gut,
aber das gehört doch zur Meinungsfreiheit.
Was gilt das Wort des Verfassungsschutzes? In Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Sachsen ist die Partei schon länger als rechtsextrem eingestuft. Bisher hat
dies eine Kooperation allerdings nicht verhindert. Nun spekuliert die AfD
darauf, dass ihr das Votum des Verfassungsschutzes gerade im Osten noch
einmal weitere Anhänger zuführt. Das Gutachten, so schallt es aus dem
AfD-Milieu, sei die letzte Karte, die die Regierung im Angesicht der hohen
Zustimmungswerte für die Partei noch im Ärmel habe. Man muss das rechte
Geraune von einem sich angeblich am Horizont abzeichnenden Systemsturz
nicht teilen, um zu verstehen, dass eine Mehrheit der Ostdeutschen den
Institutionen der alten Bundesrepublik und ihrer symbolischen Kommunikation
fernstehen.
Ein Gutachten des Verfassungsschutzes mag die bürokratische Mechanik der
wehrhaften Demokratie in den Institutionen der alten Bundesrepublik in Gang
setzen sollen. Aber im Osten wird die politisch symbolische Wirkung des
Gutachtens verpuffen, wenn der weitere Aufstieg der AfD in den Regionen
nicht aktiv aufgehalten wird. Die Verteidigung der Demokratie, mithin auch
der Handlungsfreiheit von Minderheiten, die von der AfD verachtet und
diskreditiert werden, kann man nicht allein dem Verfassungsschutz
überlassen.
Wer in den kommenden Jahren demokratische Kerne in Ostdeutschland erhalten
will, darf sich nicht auf die Wirksamkeit der ehrwürdigen Erzählung von der
Erfolgsgeschichte der westdeutschen Demokratie verlassen. Stattdessen
braucht es Solidarität und Konzepte, die die [4][Demokraten vor Ort darin
unterstützt, vor der AfD nicht weiter zurückzuweichen oder zu
kapitulieren.] Nicht ein Nachrichtendienst wird die Demokratie verteidigen,
sondern die Menschen, die sie vor Ort mit Leben erfüllen.
4 May 2025
## LINKS
[1] /Bundesverfassungsschutz-zu-AfD/!6081542
[2] /Talkshowgast-Alice-Weidel/!6064904
[3] /Umgang-mit-der-AfD/!6079207
[4] /Politologe-ueber-Brandmauer-und-CDU/!6078106
## AUTOREN
David Begrich
## TAGS
Bundesamt für Verfassungsschutz
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