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# taz.de -- Politische Straftaten auf Höchststand: Immer radikaler und brutaler
> Die Anzahl politisch motivierter Straftaten ist in Niedersachsen
> gestiegen. Die Innenministerin warnt vor Kurzschlussreaktionen gegen
> AfD-Mitglieder.
Bild: Könnte sich irgendwie auch in der Statistik zu politischer Gewalt nieder…
Hannover taz | Es ist mal wieder ein neuer Höchststand: 7.633 politisch
motivierte Straftaten hat die Polizei in Niedersachsen 2024 verzeichnet. Im
Zehnjahresvergleich ist das ein neuer Rekord. Ein Großteil dieser
Straftaten stehe allerdings im Zusammenhang mit den [1][Europawahlen], sagt
das Innenministerium bei der Vorstellung der Statistik.
Im Jahr 2023 hatte es keine überregionalen Wahlen gegeben, was sich in der
Statistik deutlich bemerkbar macht. Im Jahr 2025 setze sich der Trend
aufgrund des Bundestagswahlkampfes fort, sagte Polizeipräsident Axel
Brockmann.
Doch es gehe um mehr als [2][zerstörte Wahlplakate], betont Innenministerin
Daniela Behrens (SPD), die Statistik sei auch ein Spiegel der zunehmenden
Polarisierung politischer und gesellschaftlicher Debatten. „Es gibt in
einem Teil der Bevölkerung eine zunehmende Bereitschaft, die eigenen
politischen Ansichten ohne Rücksicht und immer häufiger auch unter Begehung
von Straftaten und der Anwendung von Gewalt durchzusetzen.“
Die zahlenmäßig meisten Delikte entfallen dabei immer noch auf den
Phänomenbereich rechts. 3.643 Taten sind hier insgesamt zu verzeichnen,
wobei mehr als die Hälfte Propagandadelikte, also das Zeigen von
Hakenkreuzen, SS-Runen und Hitlergrüßen ausmachen sollen.
## Gewalt von Linken vor allem bei Demos
Die rechts motivierten Gewaltdelikte sind von 66 Taten auf 88 angestiegen.
Darunter ein versuchter Totschlag – dabei handelt es sich um den Fall eines
31-jährigen rechtsradikalen Schweden, der im April in einem Regionalzug
[3][mit einem Schraubenzieher auf einen Senegalesen eingestochen] hat. Der
Fall ist juristisch noch nicht abgeschlossen. Außerdem verzeichnete das
Landeskriminalamt 52 einfache, 23 gefährliche und zwei schwere
Körperverletzungen.
Noch mehr Gewaltdelikte verzeichnet die Statistik allerdings unter linken
Tätern. 121 sind es insgesamt, ein deutlicher Anstieg zu den 38 vom
Vorjahr. Die meisten sollen sich im Umfeld von Demonstrationen abgespielt
haben: 49 Widerstände oder Angriffe auf Vollstreckungsbeamte wertet die
Statistik, dazu 51 Körperverletzungsdelikte und 14 Landfriedensbrüche. Die
Innenministerin sieht hier auch eine wachsende wechselseitige
Radikalisierung und Brutalisierung.
Eher rückläufig oder gleichbleibend sind dagegen Gewaltakte, die
ausländischen Ideologien und „sonstigen“, meist Reichsbürgern zugeordnet
werden. Was allerdings auch nicht heißt, dass die Gefahr hier gebannt sei,
wie Behrens betont.
Ein vergleichsweise neues Deliktfeld sind dagegen die hybriden Bedrohungen
und Angriffe auf die Infrastruktur. Das sei für die Polizei nicht leicht zu
erfassen, sagt der Landespolizeipräsident. 25 Fälle führt die aktuelle
Statistik auf, das meiste davon verbotene Drohnenüberflüge über
Infrastruktureinrichtungen oder militärische Anlagen. Aber auch der
Brandanschlag auf die Gartenhütte des CEO von Rheinmetall zählt zu diesem
Deliktfeld.
Auf Journalistennachfragen äußerte sich die Innenministerin auch noch
einmal zur bundesweiten [4][Einstufung der AfD als „gesichert
rechtsextrem“]. Das Gutachten sei sicher interessant und bedeutsam und
müsse nun sorgfältig ausgewertet werden, sagte Behrens, sie warne jedoch
vor Schnellschüssen. Man brauche hier ein abgestimmtes Vorgehen der
Innenministerkonferenz.
Raschen Forderungen wie etwa des grünen Innenpolitikers Michael Lühmann,
der erneut eine „Entwaffnung“ von AfD-Mitgliedern forderte, also den Jägern
und Sportschützen unter ihnen die waffenrechtliche Erlaubnis entziehen
möchte, seien schwierig. Immerhin lägen bei den Waffenbehörden ja bisher
nicht einmal Informationen zur Parteizugehörigkeit vor.
Und ob ein pauschaler Verdacht nur aufgrund der Mitgliedschaft einer
rechtlichen Überprüfung standhalte, sei fraglich, solange die Partei nicht
verboten sei. In Sachsen-Anhalt hatte das Verwaltungsgericht Magdeburg das
aber schon einmal gebilligt.
Ähnliches gilt in Behrens’ Augen für die Überprüfung der Verfassungstreue
bei Beamten oder -anwärtern. Bei deutlichen Hinweisen oder einem
berechtigten Verdacht auf Verstöße sei man jetzt schon in der Lage,
disziplinarrechtlich zu reagieren. Eine Verschärfung des Diziplinarrechts,
um die entsprechenden Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, sei in Arbeit.
Aber der Rechtsstaat dürfe sich eben auch nicht angreifbar machen. „Eine
allgemeine Regel allein aus der Parteimitgliedschaft abzuleiten, erinnert
mich an die dunklen Zeiten des Radikalenerlasses – da bin ich skeptisch“,
sagte Behrens in der Pressekonferenz am Montag.
5 May 2025
## LINKS
[1] /AfD-bei-der-Europawahl/!6015452
[2] /Hamburger-Polizei-bei-SPD-Mitgliedern/!6022465
[3] /Schraubenzieher-Attacke-in-Regionalzug/!6050768
[4] /Bundesverfassungsschutz-zu-AfD/!6081542
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Hannover
AfD Niedersachsen
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Rechte Gewalt
Opfer rechter Gewalt
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Landfriedensbruch
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Neonazis
Hannover
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