# taz.de -- Rechtsextremismus in Niedersachsen: Viele Indizien gegen Nazi-Schl�… | |
> Im Prozess gegen drei Mitglieder der rechtsextremen Calenberger Bande | |
> wegen versuchten Mordes zeichnet sich kurz vor dem Ende ein Schuldspruch | |
> ab. | |
Bild: Die Angeklagten Florian L., Patrick S. und Frederik L. (von rechts) auf d… | |
Hannover taz | Vor dem Landgericht Hannover müssen sich derzeit drei in der | |
Region umtriebige Neonazis und [1][Mitglieder der „Calenberger Bande“ wegen | |
versuchten Mordes] verantworten. Patrick S. sowie die Brüder Florian und | |
Frederik L. sollen einen Mann aus Garbsen überfallen, gefesselt und brutal | |
verpügelt haben. Am gestrigen vierten Verhandlungstag ließ der Vorsitzende | |
Richter Martin Grote im Indizienprozess eine kleine Bombe platzen. | |
Aus den Schilderungen eines Rechtsmediziners folgere das Gericht bisher | |
nicht unbedingt eine Tötungsabsicht der drei Angeklagten, so Grote. Es | |
könnte sich eher um gefährliche Körperverletzung statt um versuchten Mord | |
handeln, eine für das zu erwartende Strafmaß nicht unbedeutende Tendenz. | |
Aber: „Im Zusammenspiel aller Indizien spricht durchaus Gewichtiges, | |
Ernstzunehmendes, dafür, dass man hier von einer Täterschaft der | |
Angeklagten ausgehen muss“, sagte Grote. Ob das für eine Verurteilung | |
ausreiche, bleibe aber letztlich Teil der Abschlussberatung. | |
In dem reinen Indizienprozess ging es immer wieder um die Frage nach dem | |
Motiv für den Überfall auf den Mann im niedersächsischen Garbsen. Wieso | |
sollen die drei Angeklagten im Januar 2020 dem damals 46-Jährigen vor | |
dessen Tür aufgelauert, ihn überfallen, mit Kabelbindern und Tape gefesselt | |
und verprügelt haben,ihn vor seiner Garage liegen lassen – und damit | |
aufgrund der Schwere der Verletzungen seinen Tod in Kauf genommen haben, | |
wie es in der Anklage heißt. Diese Frage ist auch nach dem Ende des vierten | |
Prozesstages noch immer nicht beantwortet. | |
Am Montag hatte der ehemalige Leiter des hannoverschen | |
Staatsschutz-Dezernats vor Gericht ausgesagt. Er erzählte von der Arbeit | |
der Ermittlungsgruppe „Elhaz“, die den Mitgliedern der [2][„Calenberger | |
Bande“], die von Antifaschist:innen 2020 auf dem linken Portal | |
Indymedia geoutet worden sind und zu der die drei Angeklagten gehören. 30 | |
bis 40 Beamt*innen hätten an dem Komplex gearbeitet und bei Razzien | |
Waffen, Sturmhauben, Gewaltvideos, kiloweise Pyrotechnik, „einer | |
Napalm-ähnlichen Substanz“ und noch viele weitere Beweismittel zu Tage | |
gefördert. | |
## Bundesweit aktiver Nazi auf der Anklagebank | |
„Einen absoluter Zufallsfund“ nannte er die Telegram- und WhatsApp-Chats | |
auf dem konfiszierten Handy des Angeklagten Patrick S., der lange | |
bundesweit als Neonazi aktiv war. Unter anderem war er Teil der | |
Führungsriege der [3][Kameradschaft „Besseres Hannover“, die 2012 als | |
kriminelle Vereinigung verboten wurde]. | |
Auf der Suche nach einem Motiv für den Überfall auf den Garbsener seien die | |
Ermittler*innen schließlich auf eine Verbindung der Angeklagten Brüder | |
L. mit dem Opfer gestoßen. Ihr Onkel und das spätere Opfer haben beide im | |
Schichtdienst bei VW in Stöcken gearbeitet und dort Streit gehabt haben. | |
Außerdem legten die Hinweise nahe, dass sich Patrick S. und Florian L. | |
verabredet haben, um das spätere Opfer auszuspähen. Eine Nachbarin des | |
Opfers fotografierte zudem ein Auto, das den Wohnblock, in dem der | |
Geschädigte lebt, mutmaßlich observierte. Das Auto sei eindeutig dem | |
Angeklagten Frederik L. zuzuordnen, sagte der Chefermittler vor Gericht. | |
Für den Tattag im Januar 2020 sei verabredet worden, das geht aus den | |
Chat-Verläufen im Handy von S. hervor, dass „es in Garbsen passieren | |
sollte“. Davor habe S. daran erinnert, dass man Kabelbinder mitnehmen möge. | |
Später wurde das Opfer mit Kabelbindern gefesselt von einem Nachbarn | |
gefunden. | |
Alles sei schief gegangen, habe S. dann am Mittag drauf geschrieben. Es | |
habe „einen Totalschaden“ gegeben, heiße es weiter im Chat. Anschließend | |
suchte der Angeklagte nach Details zur Tat in Garbsen auf dem polizeilichen | |
Presseportal. Das hätten die Auswertung der Ermittlungsgruppe ergeben. | |
Aber was war schiefgegangen? Sollte der Geschädigte nicht überleben, wie es | |
die Staatsanwaltschaft annimmt? Oder ist schlicht die Gewalt aus dem Ruder | |
gelaufen? Warum wurde die Wohnung des Opfers durchwühlt? Und was war das | |
Motiv? All das bleibt offen, denn die Angeklagten schweigen. | |
Verurteilt könnten die drei Angeklagten trotzdem werden, wenn auch nicht | |
wegen versuchten Mordes. Bevor Richter Grote durchblicken ließ, dass das | |
Gericht die Indizien für belastend genug hält, hatte der Verteidiger von | |
Florian L., Harald Dreßler, in einer Verhandlungspause mit den Angeklagten | |
noch über einen baldigen Freispruch gescherzt. Nun ist es an der | |
Verteidigung, die Indizien anzuzweifeln. Das sei „Schattenboxen“, so | |
Verteidiger Matthias Steppuhn. | |
## Prozess wird fortgesetzt | |
Am heutigen Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Sollte keiner weitere | |
Anträge stellen, stehen nur noch Plädoyers und Urteil an. Im Falle einer | |
Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung drohen Haftstrafen bis zu 15 | |
Jahren. | |
Dann bliebe noch die Frage, wieso die Generalstaatsanwaltschaft Celle das | |
[4][Verfahren wegen Terrorverdachts gegen die Gruppe eingestellt] hat, wenn | |
sich die Köpfe zu einer Straftat verabredet und diese durchgeführt haben. | |
1 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Durch-Telefonueberwachung-identifiziert/!6037528 | |
[2] /Rechtsextremismus-in-Niedersachsen/!5657218 | |
[3] /Verfahren-gegen-Rechtsextreme/!5024469 | |
[4] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/ermittlungen-neonazis-100.html | |
## AUTOREN | |
Michael Trammer | |
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