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# taz.de -- Angriffe aus medizinisches Personal: Härter, immer härter ahnden
> Niedersachsens Gesundheitsminister fordert härtere Strafen für Angriffe
> auf medizinisches Personal. Das ist verständlich, aber nutzlos.
Bild: Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi ist selbst Arzt
Das ist vermutlich einer dieser blöden linken Reflexe, aber ich kann mir
nicht helfen: Immer wenn ich das Wort Strafverschärfung höre, muss ich erst
einmal mit den Augen rollen.
Normalerweise betrifft dies innenpolitische Debatten, aber in der letzten
Woche ging es um Gesundheitspolitik. Niedersachsens [1][Gesundheitsminister
Andreas Philippi (SPD)] kündigte an, sich im Bundesrat dafür einsetzen zu
wollen, dass Gewalttaten gegen medizinisches Personal härter geahndet
werden.
Um das gleich klar zu sagen: Natürlich finde ich das nicht gut, wenn
Ärzt*innen, Arzthelfer*innen, Pflegepersonal oder Sanitäter*innen
angebrüllt, geschubst oder geschlagen werden.
Ich kaufe dem Herrn Dr. med. Philippi auch ab, dass ihn das sehr betroffen
macht, wenn solche Vorfälle offensichtlich zunehmen. Und ich verstehe den
Impuls bei ihm und den zuständigen Berufsverbänden, der sagt: Da muss man
doch was machen.
## Was weiß man eigentlich über diese Taten?
Aber wäre es nicht vielleicht gut, was zu machen, was auch hilft? Glaubt
wirklich irgendjemand, dass Taten, die so offensichtlich durch einen
Kontrollverlust ausgelöst werden und vollkommen irrational sind, sich mit
einer höheren Strafandrohung wirksam bekämpfen ließen? Weil Leute, bevor
sie ausrasten, dann plötzlich nachdenken?
Mich macht die stumpfe Reflexhaftigkeit solcher Debatten mürbe. Wie wäre es
denn erst einmal mit einer gründlichen Untersuchung? Was genau wissen wir
denn eigentlich über diese Vorfälle? Wer wird hier aggressiv? Die Patienten
selbst, die Angehörigen, Autofahrer, die sich durch einen Rettungswagen in
ihrem Fortkommen gehindert sehen, Gaffer, die ungestört filmen möchten?
Weiß man nicht.
Geschlecht? Altersgruppen? Weiß man nicht. Welche Rolle spielen Alkohol,
Drogen, psychische Erkrankungen, Schmerzen, Angst oder schlicht endlose
Wartezeiten? Weiß man nicht. Wie steht es mit grundsätzlichen Problemen mit
dem Gesundheitssystem, schlechten Vorerfahrungen, wachsendem Misstrauen,
Fehlkommunikation? Weiß man nicht.
Könnte es nicht vielleicht sein, dass es ein paar Gründe dafür gibt, dass
Menschen ausrasten? Zum Beispiel, weil sie sich ohnmächtig ausgeliefert
fühlen und das blinde Vertrauen verloren haben, dass hier schon alles mit
rechten Dingen zugeht, dass das Personal ganz genau weiß, was es tut und
alles im Griff und im Blick hat?
## Wäre es nicht vielleicht hilfreicher einen Plan zu haben?
Haben sie schon einmal ein paar Stunden neben einem kranken und hilflosen
Angehörigen im Flur einer Notaufnahme verbracht und sich gefragt, ob man
sie vergessen hat?
Das soll hier keine Täter-Opfer-Umkehr werden, aber … Wenn man schon mit so
Schmalspuranalysen abgespeist wird, die sagen: Das ist ein
gesellschaftliches Problem, Leute werden immer egozentrischer, die
Zündschnur immer kürzer – darf man dann vielleicht mal fragen, ob das
medizinische Personal auch Teil dieser Gesellschaft ist? Oder ist das ein
Virus, das alle anderen befällt, gegen das sie selbst aber auf wundersame
Weise immun sind?
Wird bei [2][chronisch überlastetem Personal im Dauerstress] nicht
vielleicht auch die Zündschnur kürzer und das Einfühlungsvermögen geringer?
Und der Ton dann doch ein bisschen ruppiger, als gut ist?
Wäre es nicht vielleicht hilfreich, einen Plan zu haben, wie man dem
professionell begegnen könnte? In welchen Situationen man besonders
gewappnet sein muss, wie man die von vornherein vermeiden könnte, wie man
tickende Zeitbomben erkennt und rechtzeitig entschärft?
Bestimmt gibt es irgendwo da draußen kluge Menschen, die sich um so was
Gedanken machen. Warum nur tauchen die in solchen Debatten nie auf?
Aber gut. Hauen wir halt lieber auf den Tisch. Da muss man doch mal!
Strafen verschärfen! Zurückschlagen! Überhaupt: Alles wird immer
schlechter. Menschen auch. Patienten sowieso. Untergang, Abendland. Amen.
Der Nächste, bitte.
10 May 2025
## LINKS
[1] /Kritik-an-Ameos-Klinikum-Osnabrueck/!6058166
[2] /Krankenpflegerin-ueber-ihre-Arbeit/!6015178
## AUTOREN
Nadine Conti
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