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# taz.de -- Eine Alternative zur Kartoffel: Brotige Type
> Aus einer migrantischen Perspektive kommt man vom Brot schnell auf
> brotig. Und wer ist am brotigsten? Von einem doch sehr deutschen
> Adjektiv.
Bild: Wohl deutsches Brot: Bernd, wieder mal leicht missmutig
Mit dem Wort Brot kann man mehr beschreiben als nur des Deutschen
Lieblingsprodukt! Okay, besser gesagt, mit dem Wort „brotig“. Welche
Assoziationen hast du, wenn du das Wort brotig hörst? Denkst du vielleicht
an trocken wie Brot? Das trifft es schon ganz gut! Ich persönlich denke an:
wenig bis keinen Eigengeschmack und irgendwie fade. Vielleicht auch ein
bisschen langweilig und nichtssagend. Und vielleicht auch so, als würde
noch was fehlen, als wäre es für sich allein genommen nicht komplett.
Kürzlich saß ich mit guten Freund:innen zusammen (alle nichtweiße
Deutsche) und ein Kommilitone einer Freundin (ein weißer Deutscher) kam zur
Sprache. Um ihr Unbehagen im Umgang mit dieser Person zum Ausdruck zu
bringen, sagte sie: „Ach, die Person ist mir manchmal einfach etwas zu
brotig!“
Wir mussten lachen und sie fragen, was sie genau damit meint. Sie konnte es
nicht richtig ausdrücken, aber wir hatten eine ungefähre Ahnung. Einerseits
natürlich, weil wir die Person kannten, aber vor allem, weil wir uns
vorstellen konnten, was sie mit „brotig“ meint.
Schnell stellten wir fest, dass wir so einige brotige Menschen kannten, und
wenig überraschend: Es waren alles weiße Deutsche, auch bekannt als Almans.
Das soll natürlich nicht abwertend oder verallgemeinernd klingen. Wir alle
lieben Almans mindestens genau so viel wie wir Brot lieben!
Aber manche von ihnen sind halt manchmal etwas brotig.
## Abendessen, Abendbrot
Aus einer migrantischen Perspektive ist die deutsche Liebe zum Brot
generell, sagen wir mal, interessant. Während sich viele migrantische
Personen auf ein warmes Frühstück und Abendessen freuen, kann der Anblick
einer deutschen Brotzeit etwas traurig wirken. Uyen Ninh (eine Vietnamesin,
die in Deutschland lebt) hat dieses Phänomen sehr passend in einem
Insta-Reel verarbeitet, als sie ihr Abendessen mit dem ihres deutschen
Freundes verglich. Und wenn wir schon dabei sind: viel Erfolg,
migrantischen Menschen zu erklären, warum es eigentlich Abendbrot heißt,
wenn es gar nicht jedes Mal Brot zum Abendessen gibt! Auch ich, die in
Deutschland geboren und aufgewachsen ist, war als Kind davon verwirrt.
Was für alle unverständlich ist, egal ob migrantisch oder nicht, Kind oder
erwachsen, niemand kann uns erklären, warum das deutsche Kindermaskottchen
ein depressives Brot ist, was nicht gerade zum Anbeißen einlädt. Und ist
[1][Bernd das Brot] eigentlich ein Schwarzbrot oder ein Sauerteigbrot oder
ein Kastenweißbrot?
Aber zurück zum Wort brotig. Wenn das Wort als Adjektiv für Menschen
verwendet wird (und hierbei möchte ich betonen, dass durchaus offen wäre,
dieses Wort für jede Person zu verwenden, egal welcher Hintergrund), dann
denke ich dabei nicht an arabisches Fladenbrot, französische Baguettes oder
südasiatisches Naan. Auch ein wichtiger Punkt, das Wort soll
selbstverständlich nicht als Beleidigung verwendet werden, sondern eine
liebevolle und scherzhafte Beschreibung sein. Schließlich ist Brot lecker,
nahrhaft und eine gute Grundlage für weiteren Belag!
Brotig eignet sich besonders gut als Ablösung für das Wort kartoffelig. Die
Kartoffel ist ja schon längst seit der Pandemie und der neuentdeckten
Leidenschaft, Sauerteigbrot zu züchten, out. [2][Wer denkt noch bei dem
Wort Kartoffel an Deutsche?] Ich nicht! Beim Wort Brot sieht das schon
anders aus!
7 May 2025
## LINKS
[1] /20-Jahre-Bernd-das-Brot/!5706648
[2] /Die-deutsche-Kartoffel/!6072530
## AUTOREN
Raweel Nasir
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Brot
Migrationshintergrund
Migration
Deutsche
Laibach
taz.gazete
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